Calebs Wochenende war lang und eine schier endlose Berg- und Talfahrt gewesen. Am Samstag zunächst sein Ausflug in die Computerspiele und das intime Gespräch über Travis Liebesleben, gefolgt von entspannendem Joggen am Abend, dann sonntags der Kinobesuch und das unerwartete Wiedersehen mit den Degenerierten. So viel war selten los, und kaum etwas davon mochte er Jade oder jemand anderem erzählen, weil es entweder privat oder unangenehm gewesen war.
Nun hatte die Arbeitswoche wieder angefangen, und der Vampir machte nach Feierabend nur einen kurzen Abstecher nach Hause, um sich umzuziehen und eine Blutkonserve zu sich zu nehmen, ehe er sich wie verabredet mit Beryl auf dem 'Schräger Humor und Krasse Späße'-Festival traf. Dieses simple Vergnügen würde hoffentlich mit weniger Dramen aufwarten.

Als der junge Mann dort ankam war das Festival schon seit über zwei Stunden in vollem Gange, und die Gruppen der Scherzkekse und der Witzbolde hatten sich bereits mit Tee versorgt und sich in Grüppchen zusammengetan, so daß es nicht schwer war Beryl auszumachen, die eine der wenigen nicht-leuchtenden Personen war und sich gerade, etwas abseits stehend, die Reste eines exotischen Imbisses einverleibte.
"Na, da bist du ja, Vampirchen!" grüßte sie fröhlich. "Bin gleich fertig hiermit, dann können wir loslegen!"
"Loslegen? Du hast doch kein Comedy-Programm für uns geplant, von dem ich nichts weiß, oder?" fragte der Vampir amüsiert.
Sie schüttelte lachend den Kopf. "Nein, aber ich hab schon was vor mit dir! Aber erzähl erstmal, wie war dein Tag?"

Die beiden plauderten ein wenig über die Arbeit und tauschten angeregt belanglosen Klatsch aus, bis Beryl endlich ihren leeren Pappteller entsorgte und Caleb hinter sich her zog an eine leere Stelle. "Hier ist es doch gut!" beschloß sie und stellte einen Feuerwerkskörper auf.
Der Vampir sah ihr dabei zu. "Du willst Raketen abschießen? Wieso jetzt und nicht nachher beim großen Feuerwerk?"
"Ach, ich muß morgen doch schon wieder arbeiten und kann nicht bis zum Finale bleiben. Tut mir leid, daß wir uns nicht länger sehen können!"
"Nicht doch, ich bin doch froh, daß du überhaupt mal wieder Zeit hast, Beryl!" meinte er gutmütig und trat zurück, als sie die Lunte anzündete. "Es ist schon ewig her, daß wir zusammen auf einem Festival waren, nicht wahr?"
"Das stimmt! Wir Karrieretypen haben es nicht leicht, huh?" Die Rothaarige grinste und trat ebenfalls von der Rakete zurück.
"Ich kann eigentlich nicht klagen, aber im Gegensatz zu dir habe ich es auch wesentlich leichter."
"Wie meinst du das denn, bitte? Hältst du dich für talentierter?" fragte sie und zog mit einem schiefen Grinsen die Brauen hoch.

Caleb wollte gerade antworten, als das Feuerwerk in einer blauen Lichtfontäne in den Himmel schoß. Die Rakete hinterließ einen wunderschönen Schweif aus blauen Funken, dem beide jubelnd hinterhersahen. "Wow, ist die hübsch!" rief Beryl, und er stimmte zu.
Nachdem der Krach geendet hatte und die Spur der Rakete verglommen war, gab er ihr doch noch Antwort: "Um auf deine Frage zurückzukommen: Natürlich halte ich mich nicht für fähiger als dich, und schwerer habe ich es auch nicht in meinem Beruf, zum Beispiel muß ich abends nur einige Anrufe tätigen und nicht am laufenden Band Leinwände füllen! Aber als Vampir habe ich weniger Bedürfnisse als du. Da ich kaum schlafen muß und auch nie lange überlege, was ich essen will und ob Zutaten und Garzeiten im Rahmen des Möglichen sind, habe ich einfach viel mehr Zeit dafür zu tun, was ich möchte."

Beryl schüttelte sich einen angenehmen Grusel von den Schultern. "Brrr! Du überlegst wohl eher, wen du essen willst, oder?"
"Beryl! Ich bitte dich! Und sei versichert, ich koche niemanden." Er zwinkerte und folgte ihr, als sie sich zielstrebig zu einem Stand aufmachte. "Wie kommt es eigentlich, daß du heute für mich Zeit hast? Ist dein Date beschäftigt?"
"Ja, er ist arbeiten", wich Beryl den indirekten Fragen aus.
"Um diese Zeit? Also ein Nachtarbeiter, sehr interessant!"
"Caleb, versuch gar nicht erst, mich auszufragen! Wenn ich dir mehr erzählen will werde ich es tun." Die Malerin sah ihn forsch über die Schulter an und nahm am Stand einen Karton entgegen, den sie offenbar vorbestellt hatte. Es klapperte metallisch darin und irgendetwas rollte herum. "Komm mit, wir haben dort hinten etwas zu tun!"

Ihre gute Laune war ungewöhnlich, und auch, daß sie die Leute um sich herum dermaßen ignorierte. Beryl versuchte heute gar nicht erst mit ihm über die anderen Besucher des Festivals zu lästern, und sie hatte sich auch noch über nichts beschwert. Das bunte Treiben um sie herum ließ sie völlig kalt. Hatte ihre Beziehung, welcher Art auch immer sie war, eine derart positive Wirkung auf sie? Falls es so war wünschte sich Caleb, daß das ganze noch möglichst lange halten sollte, denn ihre Gesellschaft war bislang sehr angenehm, was außerhalb ihres Hauses sonst nicht immer der Fall war.

"Hier!" meinte Beryl und drückte ihm energisch eine Sprühdose aus dem Karton in die Hand, die Caleb anstarrte wie ein außerirdisches Artefakt. "Ähm... was soll ich damit?"
"Wir werden jetzt zusammen ein Street Art sprühen! Das wollte ich schon immer mal machen, aber alleine ist es mir zu langweilig. Siehst du? Ich habe hier schon mal die Umrisse aufgemalt, während ich auf dich gewartet habe. Ich sprühe den unteren Teil grün und du kümmerst dich um die obere Hälfte."
"Aber Beryl, ich habe keine Ahnung von Kunst! Meinst du nicht, daß ich dir nur alles verderben werde?" fragte der Vampir besorgt und drückte auf den Sprühkopf, woraufhin ihm eine Wolke Treibgas ins Gesicht zischte. Er zischte ebenfalls und sprang hustend zurück. "Wie benutzt man so etwas?!"
Sie lachte schallend. "Keine Sorge, ich zeig es dir! Mach das bitte nicht noch mal - du kannst froh sein, daß du die Dose noch nicht geschüttelt hattest! Auch wenn es nur wasserlösliches Spray ist und kein Lack, wir wollen nicht beim Augenarzt landen, okay?" Beryl nahm seine Hand und zeigte ihm, wie es richtig ging. "Und jetzt gut schütteln und dann immer auf den Boden zielen, ja? Alles wird gut!"

Er sah ihr zu wie sie mit dem Motiv begann und versuchte es dann zögerlich nachzumachen. "Ich bezweifle, daß das hier in die Riege meiner Lieblingshobbies aufsteigen wird..." murmelte er und versuchte den Farbwolken auszuweichen, um sich nicht die Kleidung zu beschmutzen.
"Muß es ja auch nicht, aber man muß alles einmal ausprobieren, Vampirchen! Das macht doch Spaß!" Die Malerin wuselte neben ihm herum und war voll in ihrem Element. Nach einer Weile fragte sie: "Und? Wie läuft es eigentlich zwischen dir und Jade? Ich hab schon länger nichts von ihr gehört, geht es ihr gut?"
"Nun ja, es geht. Sie scheint noch immer unter Liebeskummer zu leiden, und die Arbeit macht ihr - gelinde gesagt - auch keine Freude, aber grundsätzlich ist sie wieder wesentlich umgänglicher und fröhlicher. Insofern habe ich nicht viel Grund zur Klage, auch wenn ich ihr gerne mehr helfen würde."

"Freut mich zu hören", meinte Beryl ein wenig abwesend, während sie versuchte einen farblichen Übergang zwischen seinem Teil des Motivs und ihrem zu schaffen. Also hatte Jade weiterhin nichts zu ihm gesagt über ihre Schwärmerei für ihn. Diese Neuigkeit könnte Caleb doch andernfalls niemals für sich behalten!
Es gefiel ihr, endlich mal wieder Zeit mit dem Vampirchen alleine zu verbringen, und sie fragte sich, wie lange das noch gehen würde, nun wo auch Thilo zur Gruppe gehören wollte. Irgendwann würde sicher auch Jade zusammenbrechen und entweder doch etwas sagen oder für einen gewaltigen Knall sorgen, indem sie aus Liebeskummer mit dem Vampir brach. War das heute vielleicht ihre letzte Chance doch noch dramafrei mit Caleb anzubändeln? Thilo war arbeiten, Jade würde hier nicht auftauchen, Lilith sicher auch nicht und auch sonst keiner, den sie kannte. Niemand würde störend an ihre hier nicht vorhandene Haustür klopfen.

Caleb fügte fröhlich hinzu: "Neulich waren wir auf einem Rockkonzert, und morgen Abend gehen wir zusammen in die Oper! Ich bin schon sehr gespannt, wie ihr das Stück gefallen wird!"
"In die Oper? Morgen?" Die Rothaarige starrte ihn an. "Wie seid ihr denn darauf gekommen?!"
"Ich versuche, Jade Sparkle die Musikkultur der Stadt näher zu bringen, in der Hoffnung, daß sie doch noch den Karrierepfad wechselt und so ihren Streß reduziert. Sie gehört einfach nicht in die gleiche Firma wie ich."
"Wieso? Verbieten es eure Regeln Kollegen zu daten und du mußt sie deshalb loswerden?" fragte sie belustigt, woraufhin er mit den Augen rollte. "Beryl, fang bitte nicht wieder so an! Ob ich mit Jade zusammen Musik höre oder mit dir hier dieses... Ding male - wo ist der Unterschied?"
"Na schön! Bei ihr gibt es also nichts neues. Und bei dir? Datest du auch immer noch niemanden?"
"Nein, ich bin solo wie eh und je", bestätigte er und schüttelte energisch die Dose, aus der keine Farbe mehr kommen wollte, doch das half nicht. Seine Begleiterin nahm sie ihm weg und gab ihm eine neue. "Danke! Ich hätte nicht gedacht, daß wir so viel Farbe benötigen!"
"Tja, gut Ding will Weile haben!" Sie grinste und blieb neben ihm stehen. Die Frau warf sich unauffällig in Pose und meinte in verführerischem Tonfall: "Wenn du noch solo bist, überleg dir doch, ob du heute noch mit zu mir kommen willst. Dafür würde ich jederzeit in Kauf nehmen morgen übermüdet los zu müssen."

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