Die beiden nahmen sich ein Taxi und fuhren zum Städtischen Museum von Willow Creek, einem kleinen, doch altehrwürdigen Gebäude mit einem winzigen angegliederten Park, in dem man im Schatten von blühenden Kirschbäumen ausruhen konnte. Es lag gleich neben dem örtlichen Nachtclub.
"Ich war noch nie hier!" freute sich Jade. "Wollen wir uns erst den Park ansehen oder die Kunst?"
Caleb, dem die Sonne heute ein wenig zu schaffen machte nach seinem Kurzbesuch in Oasis Springs, meinte ohne zu zögern: "Mir wäre die Kunst lieber, doch die Entscheidung überlasse ich der schönen Dame neben mir."
"In dem Fall entscheidet sich die Dame, mit dem schönen Herrn an ihrer Seite hineinzugehen! Komm!"

Kichernd betraten sie das Gebäude, dessen Eintritt frei war, und sahen sich im geräumigen Erdgeschoß um, welches abgesehen von den Besuchertoiletten nur aus einem einzigen großen Ausstellungsraum bestand. Das beschränkte zwar enorm den Platz für Exponate, ließ ihnen aber auch mehr Raum zur Entfaltung ihrer Wirkung. Die beiden Freunde wanderten an den Werken entlang und betrachteten schließlich ein surrealistisches Gemälde, oder vielleicht war es auch einfach nur verspielt.
"Was hältst du davon?" fragte Caleb.
Jade brummte abschätzend. "Also, irgendwie gefällt es mir. Als Druck würde ich es mir sicher nicht aufhängen, aber es sind immerhin Instrumente drauf."
"Und was ist mit dem Hahn daneben?"
"Naja... Weniger mein Geschmack. Was meinst du?"
"Ein seltsames Motiv. Warst du schon einmal in der Kasbah Galerie?"
"Du meinst das Kunstzentrum von San Myshuno?"
"Ja. Die Ausstellung im Erdgeschoß dort trifft weitaus mehr meinen Geschmack als dieses Federvieh. Es gibt wahrlich ansprechendere Motive als dieses."
"Vielleicht hängen die besseren Bilder im Obergeschoß?" meinte Jade hoffnungsvoll.
Caleb grinste. "Im anderen Teil der Ausstellung wird mittelalterliche Schmiedekunst gezeigt. Die wollen wir uns doch nicht entgehen lassen, ehe wir uns oben umschauen. Laß uns die Rüstung ansehen, ja?"
"Au ja!"

Sie schlenderten auf die andere Seite des Gebäudes, die sich als wesentlich interessanter für die beiden entpuppte.
"Wow! Sieh dir nur diese Wappen an!" schwärmte Jade. "Ob das echte Waffen sind, die da hinter den Schilden stecken?"
"Keine Ahnung. Wo hängt hier bloß die Spendendose, mit deren Inhalt dieses Museum sich einige Informationstafeln zu finanzieren erhofft?" Caleb sah sich in gespielter Verzweiflung um, während Jade die Exponate näher in Augenschein nahm.

Ein blonder Mann im Kapuzenpulli, der sein langes Haar im Dutt trug, trat an ihn heran. "Ich weiß, was du bist!" Er starrte dem Vampir direkt ins Gesicht. Caleb erstarrte. Was wollte der von ihm? "Wie nett. Nur gut, daß ich das selbst auch weiß. Verzeihung!" Er wollte an dem Fremden vorbeitreten, doch dieser hielt ihn mit einer Geste zurück.
"Nein! Geh nicht weg! Bitte, ich bin Maurice, und ich habe schon so lange nach dir gesucht! Ich bin dein größter Fan!"

Jade, die näher an die Rüstung herangetreten war, sah über die Schulter zurück. Was war das für ein Typ, der da ihren Begleiter ansprach? Caleb sah nicht gerade glücklich aus. Sie seufzte innerlich. Bis hierher war es heute so gut gelaufen. Warum konnte man sich nirgendwo in Ruhe unterhalten, ohne daß sich irgendwelche Fremden einmischten? Zu allem Überfluß tauchte hinter Caleb ein weiterer Mann auf. Dieser lächelte nicht, er verzog im Gegenteil angewidert das Gesicht. Wegen Caleb? Dazu gab es keinen Grund, er war weder laut noch unhöflich. Paßte ihm ihr Aufzug nicht? Jade fand ihr Cocktailkleid wesentlich passender fürs Museum als die Knickerbocker und den Kapuzenpulli des Fremden, und selbst Calebs ausgefallener Kleidungsstil paßte hier besser ins Ambiente als seiner. Sie verstand nicht, warum der Mann so zornig zu ihnen schaute. Oder hatte er Streit mit dem anderen Fremden und der suchte Hilfe bei Caleb? Die junge Frau schauderte und setzte sich rasch auf die kleine, gepolsterte Sitzbank. Zu ihrem Leidwesen war der andere Sitzplatz prompt von dem blonden Kerl besetzt, der mit Caleb schwatzte.

"Bitte, mach mich zu dem, was du bist!" flehte Maurice und wurde ganz aufgeregt. "Damit ich meine Familie ebenfalls zu Kreaturen der Nacht machen kann! Das ist mein größter Wunsch!"
Caleb saß in der Zwickmühle. Wieso mußte er ausgerechnet hier auf einen Vampirfanatiker treffen?! Wenn der Kerl noch lauter sprach würde Jade aufmerksam werden, und daß sie ausgerechnet von einem Spinner erfuhr, daß ihr bester Freund ein Vampir war, war ihm ein unerträglicher Gedanke. Gleichzeitig schien es ihm unmöglich seine Kräfte einzusetzen, um den Mann fortzuschicken, schließlich sah Jade immer wieder zu ihm herüber.
"Du mußt mich mit jemandem verwechseln, tut mir leid!" sagte er mit Nachdruck.
Maurice schüttelte heftig den Kopf. "Oh nein, ich habe dich erkannt! Ich weiß ganz genau, wer du bist!" rief er.
Jade sah ihren Begleiter mit einem unsicheren Lächeln an. "Caleb?" Ihre Stimme machte klar, daß ihr der Fremde nicht geheuer war, auch wenn sie nur Teile des Gesprächs aufschnappte.
"Wie ich bereits sagte, du mußt mich mit jemandem verwechseln!" Caleb ergriff Jades Hand und zog sie mit sich. "Komm, Jade, hier haben wir genug gesehen." - "Nur zu gerne!" flüsterte sie ihm zu und ging so schnell sie in den Schuhen konnte neben ihm her.

Rasch flüchteten die zwei sich in den Garten.
Caleb schüttelte sich. "Was für eine unangenehme Begegnung!"
"Allerdings. Ich hab ja nicht viel gehört, aber mir ist total unwohl. So hatte ich mir das nicht vorgestellt."
"In der Tat, ich habe dir bewundernde Blicke vorausgesagt und nun bin ich es, der die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Es tut mir aufrichtig leid."
"Was kannst du denn dafür? Oje, ich fürchte der Typ folgt uns."
"Nicht doch!" Der junge Mann seufzte und blieb stehen. Jade sah ihn an. "Was machst du? So holt er uns doch ein." - "Es geht nicht an, daß wir den Rest des Tages vor diesem Maurice weglaufen. Du wolltest diesen Park ansehen, also sehen wir ihn uns an. Ich überlege mir etwas. Irgendetwas..."
"Damit solltest du dich beeilen, er ist nämlich schon fast bei uns. Das gibt's doch gar nicht, wie unverschämt der ist!" Die Situation war so aberwitzig, daß die junge Frau trotz allem lachen mußte. "Liegt das auch an deinem unwiderstehlichen Charme?"
"Ich habe wirklich keine Ahnung, womit ich diese Anhänglichkeit verdient habe." Die Lüge fiel ihm nicht leicht, doch wenigstens sein Lächeln war real verzweifelt. So ganz gelogen war es nicht einmal, denn daß jemand auf einen Vampir zutrat, um selbst einer zu werden, hörte man selbst in Forgotten Hollow nicht alle Tage.

Jade hatte eine gewagte Idee. Das Blut pochte ihr zwar dröhnend in den Ohren bei dem Gedanken, so etwas zu sagen, aber sie hatte eine solche Szene letzte Woche im TV gesehen und kannte den Text noch halbwegs. Als der Fremde in Hörweite war legte sie Caleb forsch die Hände auf die Brust und meinte laut genug, daß der Fremde es hören mußte, und in einem wie sie hoffte koketten Tonfall: "Ach, mein Tigerchen, ich muß unbedingt mal wieder raus aus der Stadt! Der Job bringt mich sonst um! Weißt du noch, dieser irre Sex, den wir letzten Monat in der Hütte deines Schwagers hatten? Mitten im Wald, nur du und ich? Vor dem prasselnden Kamin auf dem Fell? Das war der absolute Wahnsinn! Könnten wir nicht nächste Woche noch mal hinfahren und den Rest der Welt ignorieren? Oh bitte, mein Tiger! Keiner besorgt es mir so wahnsinnig gut wie du, dabei vergesse ich alles!"
Ihr Begleiter starrte sie an, als seien ihr soeben Fühler gewachsen. Jade stupste ihn gegen den Oberarm und sah ihn erwartungsvoll und eine Spur warnend an, woraufhin er zu grinsen anfing. "Sicher, ich versuche die Hütte zu bekommen!"
"Oh, das wäre so fantastisch, Süßer! Du wirst es nicht bereuen! Ich hab neues Massageöl gekauft, Grillanzünder, Sekt und alles andere! Warte, bis du meine neue Unterwäsche siehst!" Sie kiekste glücklich und fiel ihm schwungvoll um den Hals.

'Whoa...'  Caleb war beeindruckt, nicht nur davon, wie schnell ihr etwas eingefallen war, sondern auch wie schamlos seine menschenscheue Spinnerin schauspielern konnte. In welchem Buch hatte sie diese Rolle gelesen?
"Ich freu mich schon darauf, Baby", gab er zurück und begann Gefallen an dieser Scharade zu finden, als er sie um die Taille faßte und einen Moment fest an sich drückte. Fast reuevoll ließ er sie dann los und lachte. "Gleich nach dem Abendessen werde ich nachfragen."
"Ooooh nein", flötete sie und spielte an seinem Kragen, "ich glaube nach dem Abendessen haben wir etwas ganz anderes vor! Hütte hin oder her, bis nächste Woche kann ich nicht warten. Laß uns schnell nach Hause..."

"Bitte, iß mich! Laß mich dein Abendessen sein!" mischte sich Maurice ein, der trotz des scheinbar vertraulichen Gesprächs immer näher gekommen war und gelauscht hatte. Er sprang Caleb, der zusammenzuckte, förmlich ins Gesicht, und Jade wurde bleich. Aus Reflex krallte sie sich nun tatsächlich in der Jacke ihres Freundes fest. Was war das bloß für ein Wahnsinniger?! Wieso wollte der jetzt gegessen werden?!
"Verschwinde, Mann, und belästige uns nicht länger! Siehst du nicht, daß ich in Begleitung bin?!" knurrte Caleb nun wütend, doch der Fremde hörte nicht auf zu betteln, daß Caleb von ihm kosten solle.
"Caleb, der macht mir wirklich Angst. Können wir einfach gehen?" bat die Frau an seiner Seite leise. "Der Garten ist mir jetzt ganz egal."
"Na schön. Durch das hintere Tor in Richtung See. Lauf!" flüsterte er zurück, woraufhin Jade auf dem Absatz kehrt machte und loslief.

Er gab ihr einige Meter Vorsprung, dann drehte er sich zu Maurice um. Jetzt konnte er endlich seine Vampirkräfte einsetzen. Seine Stimme war hypnotisch und seine Augen glühten, als er dem Mann die gespreizten Finger seiner Linken vors Gesicht hielt und befahl: "Geh! Geh nach Hause, vergiß mich und sprich mich nie wieder an, Mensch!"
Das Gesicht des Mannes wurde fahl und verlor alle Emotion. "Ja, Herr..." wisperte er, drehte sich um und ging mit steifen Schritten zum vorderen Bogengang hinaus.

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