Immer öfter ging sie abends nachdenklich heim. Vielleicht war es an der Zeit umzudenken. Sie war bereit hart zu arbeiten, aber dieses ständige Reisen paßte ihr gar nicht. Außerdem befriedigte es sie nicht, daß ihre Chefin quasi ihr einziger Fan war. Ihre Kritiken kamen gut an, das ja, aber niemand interessierte sich bislang für ihren Namen. Ein wenig Sehnsucht verspürte die Rothaarige auch, wenn sie im Museum war und eine Ausstellung bewerten sollte. Sie malte selbst seit Jahren, und anderen Künstlern durch Kritiken ihre Grenzen aufzuzeigen und ihre Schwächen bloßzustellen machte ihr weit weniger Spaß als die Restaurantbewertungen zuvor. In diese Szene wollte sie eher hinein als alle zu verärgern. Selbst wenn sie verdient gute Kritiken schrieb - keiner mochte Kritiker wirklich, und niemand gab sich in ihrer Gegenwart, wie er war. Nicht einmal andere Kritiker wollten sich eine Blöße vor ihr geben, und der Konkurrenzkampf war hoch. Sie war die Falschheit leid, auch wenn sie den Beruf noch keine 40 Tage ausübte.

Es klopfte an der Haustür. Beryl stellte ihr Weinglas beiseite und ging nachsehen. Hatte Liberty etwas vergessen?
Draußen stand ein junger Mann mit dunklen, fesch geschnittenen Haaren und hellgrauen Augen. Seiner Kleidung nach war er aus einer Kostümshow ausgebüxt, aber sein Gesicht... 'Gar nicht schlecht!' dachte die Rothaarige und setzte ihr schönstes Lächeln auf. "Ja, bitte?"
"Guten Abend. Mein Name ist Caleb Vatore", stellte er sich höflich vor.
"Hi. Ich bin Beryl Landon, aber sag einfach Beryl. Was kann ich für dich tun?"
"Gehe ich recht in der Annahme die Hausherrin vor mir zu haben?" fragte er.
"Allerdings." Nun wurde sie ein wenig mißtrauisch. Das war doch hoffentlich kein Vertreter? Überhaupt, war mit dem alles in Ordnung? Er war sehr bleich, gleichzeitig aber irgendwie grün im Gesicht. "Du siehst krank aus, Caleb. Geht es dir nicht gut? Soll ich einen Krankenwagen rufen? Hat es gar einen Unfall gegeben?"

"Oh nein, nein, danke der Nachfrage!" wehrte er ab und lachte tapfer. "Es ist nur so, daß mich mein Weg durch diese Straße führte und ich nicht umhin konnte, diesen... sehr großen... Knoblauchkranz an deiner Hauswand zu bemerken."
"Ja, was ist damit?"
"Nun, ein solcher Kranz ist heutzutage eine sehr ungewöhnliche Dekoration in diesen Breiten. Das hat mich neugierig auf den Besitzer gemacht", erklärte er mit einem schiefen Lächeln.
Beryl dachte sich, daß das wohl ein weiterer Versuch eines Nachbarschaftsbesuchs sein mußte. Ein seltsamer Aufhänger für ein Gespräch, aber ihr sollte es recht sein. Trotzdem konnte sie nicht ganz verhindern, daß die unangenehme Erinnerung an den nächtlichen Überfall in ihrer Stimme widerhallte. "Verstehe. Das Ding würde nicht da hängen, wenn ich nicht neulich von einem verdammten Vampir zur Ader gelassen worden wäre, und das in meinem eigenen Schlafzimmer!"
"Ein Vampir? Tatsächlich?" Bei der Frage schien der junge Mann noch ein wenig bleicher zu werden. Er sah wirklich nicht gut aus. Ein Jammer, wenn er ein Drogensüchtiger sein sollte. Daher fragte sie erneut: "Allerdings, ist noch keine zwei Wochen her! Äh, geht es dir auch wirklich gut?"

"Ja, danke." Caleb fühlte sich, als würden sich seine Eingeweide nach außen stülpen wollen vom Gestank des Knoblauchs. Er hatte völlig verdrängt, wie unirdisch schlimm das Zeug war, aber er mußte wissen, ob hier ebenfalls Straud sein Unwesen trieb oder ob mehrere Vampire gleichzeitig auf derart brutalen Beutezügen waren, daß die Menschen anfingen sich zu schützen. "Ein Vampir also. Kannst du zufällig beschreiben, wie er aussah?"
"Warum interessiert dich das?"
Er entschied sich für eine Halbwahrheit. "Eine liebe Freundin von mir hat ebenfalls Probleme, und ich denke, je mehr ich herausfinden kann über diese... Plage, desto besser."
"Ah, jetzt verstehe ich! Weißt du, ich habe lange darüber gegrübelt in den letzten Tagen. Der Kerl hat mich mit einem Zauber belegt oder sowas, deshalb ist die Erinnerung weiterhin ziemlich verschwommen. Aber ein wenig weiß ich noch. Es war ein hagerer, bleicher Typ in schwarz. Im Prinzip wie mein Ex, der dumme Sack, nur mit glühenden Augen und Fledermausohren oder sowas. Der hat sich bislang aber nicht wieder hergetraut, seit mein Kranz hängt! Also, weder der Vampir noch mein Ex, du verstehst schon." Sie stemmte selbstsicher die Hand in die Hüften und lehnte sich an den Türrahmen.

Gegen seinen Willen mußte der Vampir lachen. Diese dralle Rothaarige hatte Feuer in sich, das mußte er ihr lassen. Wäre ihm nicht so grauenhaft übel gewesen hätten sie ein so nettes Gespräch miteinander führen können. Es war gut zu hören, daß es auch hier Straud gewesen war und sich nicht ein weiterer seines Volkes danebenbenommen hatte, aber gleichermaßen war es auch eine schlechte Nachricht, denn es bedeutete, daß der alte Sturkopf offenbar erst Beryl und dann erst Jade als Opfer auserkoren hatte, vielleicht sogar eben weil hier nun ein Knoblauchkranz hing. Seine Freundin konnte immer noch in Gefahr sein. Vorsorglich erkundigte er sich: "Aber es geht dir wieder gut?"
"Inzwischen ja, danke. Der Überfall ist ja schon ein paar Tage her."
"Das freut mich zu hören." Ihm drehte sich alles. Dieser Gestank... "Entschuldigung, ich brauche wirklich dringend frische Luft..."

Als er die Treppe hinuntertaumelte und sich einige Schritte vom Haus entfernte folgte Beryl ihm mit besorgter Miene. Er wollte doch nicht etwa schon verschwinden, nur weil er alles erfahren hatte, was er wissen wollte? Sie überholte ihn noch vor dem Briefkasten, und sah ihm prüfend ins Gesicht. "Du siehst aber wirklich gar nicht gut aus, Caleb. So kann ich dich nicht gehen lassen. Ein Glas Wasser vielleicht?"
"Danke, es geht schon. Hier ist es besser", versicherte er ihr, nachdem er tief durchgeatmet hatte. Tatsächlich straffte sich seine Gestalt mit jedem Atemzug.
Beryl fand das seltsam. "Komisch. Hier ist es doch genauso 'draußen' wie auf dem Absatz oben, aber wenn du meinst..."
"Hier geht mehr Wind."
"Uh huh!" Sie setzte alles auf eine Karte und säuselte: "Vielleicht lockst du aber auch nur junge Frauen abends gerne von ihren Häusern weg."
Ihr Besucher lachte und sah sie mit blitzenden Augen an. "In dem Fall würde ich dich in einen Club einladen, nicht auf den Bürgersteig."
"Soll ich meine Handtasche holen?"

Es war Caleb durchaus bewußt, daß hier zum Teil wieder unwillkürlich sein vampirischer Charme am Werke war, der prompt erneut zu wirken begonnen hatte, als er selbst aus dem Dunstkreis des Knoblauchs entkommen war, aber diese Frau ließ eindeutig nichts anbrennen. Es amüsierte ihn, wie forsch sie zu Werke ging. Jetzt, wo es ihm langsam besser ging, wäre er vielleicht tatsächlich noch mit ihr etwas trinken gegangen, um sie näher kennenzulernen, aber er konnte Lilith nicht schon wieder versetzen und ihren Schachabend ausfallen lassen. Daher ließ er sie möglichst sanft abblitzen. "Leider habe ich gleich noch eine Verabredung."
'Das war ja zu erwarten gewesen.' Die Rothaarige seufzte. "Meine Mutter hat mich stets vor den hübschen Kerlen gewarnt."
"Und hat dich das je aufgehalten?" Er glaubte, die Antwort bereits zu kennen.
"Ganz im Gegenteil", raunte sie, und ihre grünen Augen leuchteten verwegen.

Caleb mußte nun noch lauter lachen. Plötzlich starrte Beryl ihm ins Gesicht, erbleichte und sprang einen Meter zurück. "Whoa! Deine Zähne! Du bist auch einer! Du bist ein Vampir!"
"Ganz ruhig, Beryl. Bitte." Er hob in einer beschwichtigenden Geste die Hände. 'Verflucht! Nicht aufgepaßt!' scholt er sich, momentan nicht sicher, ob sie wegrennen oder ihn gar angreifen würde. Bei dieser Frau schien alles möglich.
"Deshalb versuchst du mich vom Haus wegzulocken? Weil dir vom Knoblauch schlecht wird und du mich so nicht beißen kannst?" schrie sie ihn an.
Der Vampir ging vorsichtig einen Schritt auf sie zu. "Nein, Beryl. Ich beiße nicht", versicherte er ihr, "Ich beiße nie jemanden."
"Ja, klar! Geh weg!"
"Wenn du es willst werde ich gerne gehen, aber... die Straße liegt nun einmal in deiner Richtung." Ganz langsam versuchte er sie zu umrunden, um ihr die Sicherheit ihrer Haustür im Rücken zu verschaffen, sah sie dabei aber unentwegt an.
Beryl warf wütend die Arme in die Luft. "Und? Dann werd' doch zur Fledermaus und hau so ab!"

"Ugh. So ein Vampir bin ich nun wirklich nicht. Die Fledermausform ist eine so lächerliche Spielerei!" - "Eh..." - "Es gibt nur zwei Arten von Vampiren, die sie ernsthaft in Erwägung ziehen - die ganz alten, denen sie früher einmal nützlich war, und die ganz jungen Vampire, die damit nur Blödsinn anstellen. Am Ende hältst du mich gar für einen dieser furchtbaren Exhibitionisten, die es ständig vor den Kameras des Observatoriums miteinander treiben!" Sein angewidertes Gesicht und die hängenden Schultern, als er das sagte, brachen das Eis.
Beryl hielt mitten in der Bewegung inne. Woher sollte er von Libertys dummem Video wissen, oder davon, daß sie es kannte? War das möglich? Hier stand ein echter Vampir vor ihr, der sie nicht gleich überfallen wollte wie der letzte? Sie musterte ihn abschätzend. "Du willst mich also echt nicht beißen?"
"Wie ich bereits sagte, ich beiße niemanden."
"Wie geht das? Bist du ein vegetarischer Vampir oder sowas? Oder verhungerst du einfach so vor dich hin?"
"Das sind aber ziemlich persönliche Fragen für eine erste Begegnung. Wie steht es denn mit dir, würde es dir gefallen das gefragt zu werden?" konterte er mit einer Mischung aus Erleichterung und Unmut in der Stimme, um Zeit für eine Antwort zu haben.
"Hey, um mich geht's hier nicht, aber wenn du es genau wissen willst: Ich bin Vegetarier, und die Leute fühlen sich ständig eingeladen meine Eßgewohnheiten zu kommentieren! Solltest du mich also wirklich überzeugen wollen, daß du nicht so ein Arsch bist wie der Blutsauger neulich, dann spuck's besser aus!" Erneut stemmte sie die Hände in die Hüften und sah ihn streitlustig an.
Der Vampir starrte zurück, dann schüttelte er lachend den Kopf. "Plasmakonserven und freiwillige Spenden. Jetzt zufrieden?"
"Fast. Was wolltest du wirklich hier?"
"Ich habe nicht gelogen. Der Vampir, der dich angefallen hat, ist deiner Beschreibung nach derselbe, der auch meine Freundin Jade bedroht hat, und als ich den Knoblauchkranz sah wollte ich wissen, ob das reine Vorsicht von dir war, oder ob du konkrete Erfahrungen gemacht hast. Eine solche Vorsichtsmaßnahme habe ich seit Jahrzehnten nicht gesehen."
"Verstehe." Alles, was er sagte, ergab Sinn, und Beryl regte sich langsam ab. Mit der Verständnis kam allerdings auch prompt die Enttäuschung. "So, so, deine Freundin Jade also. Damit dürfte ich nun wissen, wer mich meinen Drink gekostet hat", seufzte sie.
"Wie meinen? Oh nein, sie ist nicht meine...", winkte Caleb lachend ab. Er und Jade, was für ein Gedanke!
Sein Gegenüber zog eine Braue hoch. "Uh-huh."
"Wir sind wirklich nur Freunde. Sie ist vor wenigen Wochen erst hergezogen. Ich vermute, für dich gilt das ebenfalls? Dieses Haus stand vor kurzem noch leer, wenn ich mich recht entsinne."
"Das stimmt. Wohnt sie auch hier auf der Straße?"
"Nein, drüben in Willow Creek."
"Ah. Grün und schattig. Wäre meine zweite Wahl gewesen, aber ich mag's lieber heiß." Sie beließ es bei der Zweideutigkeit, schließlich war noch nicht alles verloren, wenn er nicht log.

'Das merke ich', dachte Caleb. Diese Frau war auf ihre eigene Art genauso unterhaltsam wie Jade, aber dennoch völlig anders. Es wäre sicher interessant, sie näher kennenzulernen und mit ihr um die Häuser zu ziehen, wenn er mehr Zeit gehabt hätte. Hauptsache weit entfernt von diesem gräßlichen Knoblauchkranz. Das würde jedoch warten müssen. Seine bisherige Verspätung würde seine Schwester ihm verzeihen, da er neuen Tratsch über Straud zu bieten hatte, doch noch länger konnte er Lilith wirklich nicht warten lassen, wo ihre gemeinsamen Schachpartien in letzter Zeit so oft unter ihren Berufen leiden mußten.
Der Vampir lachte leise, ehe er eine entschuldigende Miene aufsetzte. "Es ist ganz reizend, wie viele hübsche junge Damen in letzter Zeit neu in unsere Stadt ziehen. Doch jetzt muß ich leider wirklich los, sonst reißt mir die Dame, mit der ich heute wirklich verabredet bin, noch den Kopf ab."
"Oh", machte Beryl kurz angebunden. 'Noch eine.'
"Ich würde aber gerne in einigen Tagen noch mal Rückfrage halten, ob der Knoblauch auch langfristig wirkt. Darf ich?"
"Sicher. Du bist mir jederzeit willkommen, Vampir." Diese Bekanntschaft war viel zu außergewöhnlich, um sie nicht weiter zu verfolgen.

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Kommentare   

+1 # mjkj 2018-06-06 15:45
Oh, Konkurrenz für Jade... :o

...und Beryl hat das wirklich gut gemeistert...

...vielleicht kann Caleb ja bei Beryl fragen, wie er es am besten Jade beibringen kann, daß er ein Vampir ist... :sigh:
+1 # Eph 2019-06-28 09:51
Beryls Geschichte fängt zeitlich wohl sogar etwas vor Jades an, denn die ist nun gerade mal einen knappen Monat in der Stadt und Beryl wohl ein bißchen länger. Aber das macht ja nichts, bis sie sich kennenlernen.