Sie starrte ihn an. "Du bist... der Chef von meinem Chef?!"
Nach kurzem Überlegen korrigierte er: "Ich denke, ich bin eher der Chef vom Chef deines Chefs."
"Du meine Güte!" Für einen Bürohengst hätte sie ihn bei seinem Aufzug wirklich nie gehalten.
"Die Welt ist ein Dorf." Sinnierend sah Caleb die Straße entlang, ehe er sich an den Anfang des Austauschs erinnerte und fragte: "Also, was will dein Vorgesetzter von dir?"
"Ich soll..." Sie holte tief Luft, aber es regte sie immer noch auf, "Ich soll an meinem Charme arbeiten, hat er gesagt! Kann man das glauben?!"
Der Vampir atmete erleichtert auf, was schnell in ein Lachen überging. Das empörte Jade. "Lachst du mich aus?!"
"Teuerste, Charme gehört nun einmal zu diesem Beruf wie das Atmen zum Leben. Wie soll dein Vorgesetzter dich jemals in Beratungsgespräche schicken, wenn du nicht professionell und souverän mit Kunden umgehen kannst?"
"Aber ich WILL doch gar nicht mit Kunden umgehen! Ich will nur die Post austragen und meine Ruhe haben!" rief sie entnervt.
"Und für immer Frösche verkaufen als Zubrot?"
"Wenn's sein muß, ja!" Sie stemmte die Hände in die Hüften.
Sie sahen einander ins Gesicht, die eine erregt, der andere verwirrt. Caleb war extrem ehrgeizig. Beruflich auf der Stelle zu treten kam für ihn überhaupt nicht in Frage, und seine nächste Beförderung würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Ihre Reaktion betrübte ihn, und er hoffte, daß sie nur jetzt im Eifer des Gefechts so dachte und es sich später noch einmal überlegen würde, denn Menschen völlig ohne Ambitionen wirkten auf ihn sehr unattraktiv. Wie groß mußte ihre Aversion gegen Menschen sein, daß ihr selbst Frösche lieber waren?
Plötzlich wandte Jade den Blick ab. Ihre Wangen leuchteten Rot vor Scham. "Nicht jeder hat es so leicht wie du, aus sich herauszugehen."
"Jade Sparkle, du machst dir keine Vorstellung davon, wie viele Abende ich hart daran gearbeitet habe mein Charisma zu trainieren", belehrte er sie sanft.
"Echt jetzt?"
"Selbstverständlich. Wer erfolgreich sein will muß auch etwas dafür tun. Talent allein genügt nicht, selbst wenn man so blendend aussieht wie ich." Sein Gegenüber schien mit sich selbst zu hadern, daher fügte er aufmunternd hinzu: "Wenn du meinen Rat hören willst: Du kannst fürs erste vor dem Spiegel üben und dich selbst beobachten. Mit der Zeit wird es immer einfacher, auch gegenüber echten Personen so aufzutreten, wie du es willst."
Auf ihrem Gesicht arbeitete es eine Weile. Schließlich sagte sie schlicht: "Danke, Caleb. Ich werde drüber nachdenken."
Jade sah auf ihr Handy hinab, das sie noch immer in der Hand hielt. "Sag mal... Wenn wir unsere Nummern austauschen würden, könnte ich dir nächstes Mal bescheid geben, wenn ich meinen lahmen Hintern nicht pünktlich nach Hause bekomme."
"Ich bin zwar zweifelsfrei davon überzeugt, daß dein Gesäß weder lahm noch mit einem anderen Makel behaftet ist, aber das ist eine sehr gute Idee!"
Der Vampir war entzückt davon, wie gut es heute lief. Er war sich nicht sicher, ob es ihr selbst auffiel, aber die junge Frau hatte bislang noch kein einziges Anzeichen von Streß ihm gegenüber gezeigt. Gewöhnte sie sich so schnell an die Gegenwart anderer oder nur an seine? Er wagte sich einzubilden, daß es Option Nummer zwei war. Zudem hatte sie ihn als Freund bezeichnet, und nun bekam er auch noch ihre Handynummer.
Die beiden tauschten ihre Nummern aus. Er sah erneut auf ihr Display. "Du hast ja gar kein Hintergrundbild."
"Du hast doch auch nur einen Mond", konterte sie nach einem raschen Blick auf seins.
"Laß uns an diesem unhaltbaren Zustand direkt etwas ändern! Ein Selfie von uns, zur Feier des Tages?"
"Okay", lachte sie und trat dicht neben ihn, den Arm mit dem Handy ausgestreckt. "Sag Käsekuchen!"
"Was?"
"Schon gut, du lachst breit genug!" Vergnügt drückte sie auf den Auslöser.
"Ein tolles Foto. Schickst du es bitte an mich weiter?" bat er und bemerkte, wie sie mit gerunzelter Stirn auf ihr Handy sah. "Was ist, Jade?"
Die junge Frau schrak auf, bemerkte, wie nah sie beieinander standen, und trat prompt einen Schritt zur Seite, um nicht wieder rot zu werden. Dann meinte sie verwirrt: "Das ist ja komisch. Du bist irgendwie... ein bißchen unscharf, oder? Ich hingegen gar nicht. Wie kann das sein?"
"Das ist mein eingebauter Weichzeichner", scherzte er, "Sonst würde meine Attraktivität das Display sprengen."
"Ehrlich, Caleb, wie lange muß man vorm Spiegel üben, um so eingebildet zu werden?" bohrte sie nicht ganz ernst nach, da ihr klar war, daß er einen Witz machte. Zumindest hoffte sie das.
Er zuckte mit den Schultern und zwinkerte. "Das ist keine Einbildung, nur mein hübsches Gesicht und gesundes Selbstvertrauen. Laß es dir Ansporn sein!"
"Mannomann, wir sollten aus der Sonne raus, ehe dein Sonnenstich noch schlimmer wird", meinte sie kopfschüttelnd, steckte ihr Handy weg und öffnete die Tür. "Wir wollten uns eigentlich Bücher ansehen, nicht wahr? Die hab ich hier hinten im Wohnzimmer", erklärte sie und trat in den Flur. Nach einigen Schritten fiel ihr auf, daß Caleb nicht hinter ihr war. Verwirrt wandte sie sich um. Er stand immer noch draußen vor der Tür und sah sie an. "Was ist?" fragte sie.
"Darf ich hereinkommen?" erkundigte er sich förmlich.
"Sicher, oder willst du da Wurzeln schlagen? Jetzt komm schon!" Wieso fragte er überhaupt, die Tür war doch offen?
Endlich! Ohne ihre Erlaubnis konnte er ihr Haus nicht betreten. Zufrieden überquerte der Vampir die Schwelle und folgte ihr ins Wohnzimmer.
Das Haus war sogar noch trostloser als es gewesen war, als John noch hier gewohnt hatte. Im Wohnzimmer bot sich ihm dasselbe Bild wie im Flur. Die Wände waren frisch gestrichen in einem langweiligen Eierschalenweiß, und nicht ein einziges Bild durchbrach die Einöde. Ein simpler heller Tisch mit zwei Stühlen, eine schlichte karamellfarbene Couch, ein kleiner Beistelltisch mit einem billigen Fernseher und an der Wand hing ein winziges Bücherregal. Durch einen Durchbruch in der Wand war die billige Küche mit der undefinierbaren Farbe zu sehen, die der Mann von früheren Besuchen kannte. Es gab hier so gar nichts, was für eine junge Frau typisch war. Kein Foto, keine Pflanze, kein Andenken oder kleiner Schnickschnack. Keine Farbe. Caleb sah nur einen einzigen Gegenstand, der nicht überlebenswichtig war: eine Gitarre.
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