Während Akira und Beryl weiter über das Festival scherzten sah Liberty ihre Chance gekommen. Die beiden verstanden sich doch prima. Da konnte sie ohne schlechtes Gewissen das nächste Level in ihrem Onlinespiel anfangen.
"Das ist nicht dein Ernst! Es gibt echt ein Fest, auf dem sich Scherzkekse und Witzbolde darüber streiten, wer besser ist?"
"Da schwör ich jeden Eid drauf! Es gibt den ganzen Abend nur Witze und Streiche, man wird am laufenden Band von Lachen geschüttelt!"
"Potzblitz! Da muß ich auch mal hin!"
"Klar, aber paß auf versteckte Handschocker auf!"
"Aua!" klang es plötzlich von weiter hinten und ein dumpfes Pochen erklang. "Wieso ist hier die Tür abgeschlossen?! Hab mir voll den Kopf angehauen!"
Auf einen Schlag war Beryl ernst. "Liberty! Sag nicht, daß du schon wieder versucht hast an meinen Computer zu gehen."
"Ähm..."
"Ich hab dir schon tausend Mal gesagt, das ist mein Arbeitsrechner mit jeder Menge sensibler Daten drauf. Du hast nichts an dem Rechner zu suchen, und in meinem Schlafzimmer schon gar nicht, kapiert?! Überhaupt nichts!" Sie hob die Stimme und bemühte sich ihre Wut im Zaum zu halten. Am liebsten wäre sie der Frau an die Gurgel gegangen.
"Aber das nächste Level..."
"Scheiß was auf dein verdammtes Level!" Jetzt riß ihr doch noch die Hutschnur. "Ich dachte, wir wären Freunde, aber offenbar bin ich für dich nur noch ein gratis Internetcafe! Hier steht dein neuer Kumpel, den du mir vorstellen wolltest, und du ziehst wieder so einen Bockmist ab und läßt uns beide hier stehen?!"
"Aber Travis läßt mich doch fast nie..."
"Der wird wohl wissen wieso! Kauf dir ein Tablet, verdammt noch mal! Und sieh zu, daß du raus kommst, Liberty!"
"Du schmeißt mich raus?!" Liberty starrte sie mit offenem Mund an.
Beryl atmete tief ein. "Ja, das tue ich. Wenn du nicht in zehn Sekunden weg bist helfe ich nach."
"Aber..."
"Eins!"
"Wow. Und ich dachte, wir wären Freunde!" machte die junge Frau eingeschnappt.
"Zwei!"
"Ist ja gut, ich geh schon!"
"Drei!" Beryl hielt ihr die Tür auf.
Der Mann stand stocksteif daneben und beobachtete das Drama. Als sich die Tür hinter Liberty schloß holte er tief Luft. "Wow! Das war mal ein krasser Zickenkrieg!"
"Wie war das?" schnappte die Rothaarige.
"Ah, sorry! Ich meine, das war ein Hammer, wie du sie eiskalt abserviert hast!"
"Tut mir leid, daß du das mit ansehen mußtest. Du hast natürlich nichts damit zu tun, Akira, aber es gab eine lange Vorgeschichte."
Er zuckte mit den Achseln. "Manchmal kracht es halt, auch in einer Freundschaft."
"Was willst du jetzt machen? Du kennst Liberty länger als mich, möchtest du lieber mit ihr zum Karaoke?" erkundigte sich Beryl vorsichtig, die sich prompt abgeregt hatte, nachdem ihre sogenannte Freundin das Haus verlassen hatte. Das war sie ihrem anderen Gast schuldig. "Du kannst sie locker noch einholen, sie ist ja nicht von der schnellen Sorte. Ich bin dir auch nicht böse."
"Nein, kein Ding. Ich würde lieber mit dir zum Karaoke gehen."
"Das ist nett von dir!" meinte sie geschmeichelt.
Er zuckte erneut mit den Achseln. "Wenn du nicht mitkommst kannst du ja keine Kritik über mich schreiben!"
"Wie meinen?" Sie erstarrte.
Akira sah sie groß an. "Liberty sagte, du würdest mir mit meiner Bekanntheit helfen, wenn ich dich mit zum Karaoke nehme. Sie meinte, du seist eine ziemlich große Nummer in der Kunstszene."
"Ist das der einzige Grund, warum du mit mir dort hin willst?" fragte sie und fühlte sich plötzlich furchtbar ausgelaugt.
"Naja, wir kennen uns kaum. Aber je mehr Fans da sind, desto besser ist die Party, oder?" lachte er.
Beryl drehte sich alles vor Augen. Liberty hatte nicht nur geplant sie mit Akira abzulenken, um in Ruhe spielen zu können, sie hatte ihn auch noch mit Lügen geködert herzukommen. Das war wirklich der Gipfel der Unverfrorenheit, und das alles nur wegen ihrer Vergnügungssucht.
"Es tut mir leid, Akira, ich fürchte, ich bekomme gerade Kopfweh. Laß uns das ein andermal nachholen, okay?"
"Aber du schreibst eine Kritik über mich?"
"Da muß ich erst mit meiner Chefin sprechen, ob sie Interesse an der Story hat", log die Rothaarige frei heraus. Solange es keinen großen Wettbewerb mit mindestens einem Dutzend Teilnehmern gab wäre eine solche Geschichte niemals interessant genug für ihr Kulturblatt.
"Verstehe. Schade. Na dann, ich muß los, sonst ist die große Bühne gleich schon voller Amateure!"
"Ist gut. Bis dann, Akira." Sie ließ ihn hinaus und verabschiedete sich, ohne nach seiner Nummer zu fragen. Für den Moment hatte sie endgültig genug von Beziehungen aller Art, und sie wollte auch nicht ständig angeschrieben werden, ob sie es sich anders überlegt hätte mit dem Bericht.
Als sie endlich allein war holte sie eine halbe Flasche Wein aus dem Kühlschrank und beschloß, den Abend lieber mit dieser und einem Filmklassiker zu verbringen.
Am nächsten Morgen kam überraschend eine SMS von Liberty, die vorbeikommen wollte. Beryl, die annahm, daß die andere endlich in sich gegangen war und sich entschuldigen wollte, sagte knapp, aber in neutralem Tonfall zu. Sie hatte etwas Zeit vor der Arbeit und war nur damit beschäftigt das Paket mit ihrer neuen Geige auszupacken. Das Instrument war wunderschön. Sie hatte sich für eine weiße Geige entschieden und ließ nun entzückt die Fingerspitzen über das frisch polierte helle Holz streichen. Heute abend würde sie die Geige gleich einweihen.
Auf einmal ertönte von draußen ein lautes Gepolter. "Potzblitz! Was war das?!" dachte die Rothaarige entsetzt, legte das Instrument auf ihr Bett und lief zur Tür, vor der bereits Liberty stand. "Oh. Hi. Hast du gesehen, was hier draußen los war? Ich hab einen üblen Knall gehört!"
"Nein, keine Ahnung", meinte Liberty kühl.
Mit gerunzelter Stirn trat Beryl an ihr vorbei und schaute erst entlang der Straße, dann über ihren Garten hinweg. Ihr Blick fiel auf ihre Mülltonne. Jemand hatte sie mit voller Wucht umgetreten, und der Inhalt hatte sich quer über den Garten verteilt. "Wer hat meinen Müll ausgekippt?!"
"Keine Ahnung."
"Liberty, du lügst. Das sehe ich dir sofort an."
"Und wenn schon! Entschuldigst du dich jetzt endlich wegen gestern?"
"Ich soll mich entschuldigen?! Ich?! Weil ich dachte wir wollten was als Freunde machen, und du mich in deinen perfiden Plan verwickelt hast? Du hast Akira angelogen, und du hast mich angelogen, und das nur wegen diesem bescheuerten Spiel!" Beryl sprach laut, aber beherrscht.
Libertys Augen funkelten wütend. "Wegen dir hab ich mir weh getan! Ich wollte nur ein bißchen Spaß haben!"
"Oh, tut mir leid, daß ich nicht spaßig genug bin!"
"Also läßt du mich jetzt spielen oder nicht?"
"Nein! Du wirst nie wieder an meinen Rechner gehen, Punkt. Und jetzt räum das Chaos auf, das du angerichtet hast!"
"Vergiß es! Das hast du verdient!" Aufgebracht stapfte Liberty davon. "Das Spiel ist nicht bescheuert, und wer das nicht begreift ist sowieso ein Idiot! Nur wegen dir flieg ich jetzt aus dem Highscore!"
"Werd' mal erwachsen!" rief Beryl ihr nach und schlug die Tür zu. Sie ging ein Kehrblech und einen Besen holen. Zwar mußte sie gleich zur Arbeit, aber diese Sauerei würde sie nicht so lassen. Als sie wieder vors Haus trat war Liberty nicht mehr zu sehen. Beryl war stocksauer, während sie den Müll mühsam wieder in die Tonne beförderte. Was dachte diese Idiotin sich dabei! "Wenn sie nur halb so viel Enthusiasmus für ihre Fertigkeiten zeigen würde wie fürs Zocken, wäre sie schon lange nicht mehr Aushilfskraft! Die spinnt doch!" Sie war zwar recht sicher, daß Liberty keine Möglichkeit hatte in ihr Haus zu kommen, aber ihr Schlafzimmer würde Beryl von nun an abgeschlossen lassen, damit auch kein anderer Gast sich dort herumtreiben konnte. Die Einrichtung ihres Heiligtums ging ohnehin niemanden etwas an, der nicht auch ihre anderen Heiligtümer sehen durfte.
Trotz ihrer miesen Laune - oder auch gerade deswegen, Beryl schrieb einige gesalzene Kritiken an diesem Tag - wurde sie zur Kultivierten Kritikerin befördert. Sie ging völlig angespannt heim und stürzte sich in neue Hobbies. In den folgenden Tagen übte sie nach der Arbeit auf ihrer Geige, versuchte sich im Singen, um beim Karaoke nicht völlig abzustinken, ging angeln, arbeitete im Garten und lernte sogar die Grundlagen der Programmierung an ihrem Computer. Sie war oft draußen, genoß die karge und dennoch reizende Umgebung und tat alles, um das Gefühl abzuschütteln gerade die nächste Beziehung beendet zu haben. Zwischendurch ließ sie sich außerdem dazu breitschlagen mit Caleb zu einem Romantikfestival zu gehen, weil er sich in den Kopf gesetzt hatte jemanden für sie zu finden, doch als sie ankamen war das Fest schon fast vorbei und es waren fast nur Pärchen da. Trotz dieser Pleite ließ er sie wieder abblitzen.
Zu ihrer Überraschung stand immer wieder Liberty vor ihrer Tür. Beryl sah sie durchs Küchenfenster draußen stehen, reagierte aber nie auf ihr Klopfen. Es war ihr völlig egal, ob ihre ehemalige Freundin inzwischen doch noch zu Sinnen gekommen war und sich entschuldigen wollte oder ob sie noch mehr Streit suchte, denn selbst nach einer Entschuldigung könnte sie ihr nicht mehr vertrauen. Wer sagte denn, daß sie im nächsten unbeobachteten Moment nicht doch wieder an Sachen ging, an denen sie nichts zu suchen hatte?
Eines Abends - Beryl kam gerade von einer anstrengenden Gala-Veranstaltung mit vielen Prominenten zurück - reichte es ihr. Ihre Arbeitskleidung war peinlich, der Job war dämlich und sie kam sich einfach nur wie der Pausenclown vor, wenn sie mit diesem furchtbaren Sakko zwischen all den elegant gekleideten Damen stand. Sie hatte aus der Not eine Tugend gemacht und für viele Lacher gesorgt, indem sie bei jeder Frau, die nicht in einem Kleid erschien, "Was für ein tolles Kleid!" gerufen hatte. Damit hatte sie sich tatsächlich Ansehen unter den Kritikerkollegen erkauft und sich aus der Masse hervorgehoben. Aber es reichte ihr. Dieser Beruf laugte sie nur noch aus, sie hatte längst den Spaß daran verloren.
Beryl rieb sich die Schläfen, horchte noch einmal tief in sich hinein und setzte sich dann an ihren Rechner, um ihre Kündigung zu schreiben.
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