"Irgendwo hier muß es doch sein..." sagte Beryl keuchend zu sich selbst, mindestens zum fünften Mal in der letzten Viertelstunde. Sie joggte über einen Zebrastreifen in einer Sackgasse am Fluß und sah sich um. Sie hatte versucht sich durchzufragen, wo genau in der letzten Zeit eine junge Frau namens Jade eingezogen war, doch nur im Supermarkt hatte sich endlich jemand an eine Kundin erinnert, die zu der Beschreibung paßte. Selbst die Verkäuferin wußte aber nur die ungefähre Richtung, und schon war Beryl wieder auf Passanten angewiesen.
Die Rothaarige blieb auf dem Bürgersteig stehen und sah sich um. "Wohnt am Kanal. Na super. Hier wohnen doch alle am Kanal!" Sie spähte umher. Auf der anderen Straßenseite war nur ein Haus. Es war einfach, im Stil identisch zu vielen anderen Gebäuden in dieser Siedlung, und die letzte Renovierung lag wohl schon eine Weile zurück. An der Rückseite des Hauses, zum Fluß hin, machte Beryl plötzlich eine Bewegung aus. "Na, da trifft mich doch der Schlag! Wenn das nicht die türkisfarbene Mütze von dem Foto ist! Endlich!"
Sie setzte sich wieder in Bewegung und joggte wie zufällig zum Flußufer. Neben der Frau blieb sie stehen und dehnte sich. Eindeutig, das war Calebs 'nur eine Freundin'.
"Hallo!" grüßte sie fröhlich, "Schönes Wetter zum Rausgehen heute, nicht wahr?"
Die Frau, welche anscheinend die Fische im Kanal studiert hatte, wandte sich zu ihr um. "Wie? Ja, wirklich schön heute, das stimmt! Vielleicht sogar zu schön."
"Wieso meinst du das?"
"Ich versuche mir einen Fisch zu angeln, aber sie beißen überhaupt nicht. Ich glaube, ich versuche es nachher noch mal weiter die Straße runter, da ist es schattiger."
"Ach. Du möchtest wohl dein Abendessen aufpeppen, huh?" sagte Beryl ohne rechte Begeisterung. Zwar ging sie auch ab und an angeln, als Vegetarier ließ sie die Fische aber wieder frei. Zu ihrer Überraschung schüttelte die andere den Kopf. "Eigentlich möchte ich einen schönen Fisch als Haustier. Ich hab ein super süßes Aquarium gekauft!"
'Potzblitz!' dachte die Rothaarige überrascht und fügte laut hinzu: "In dem Fall denke ich auch, daß deine Chancen im Schatten besser stünden."
"Oh, du angelst auch?"
"Manchmal."
"Ich habe dich noch nie hier in der Gegend gesehen. Bist du neu hergezogen?" fragte die Schwarzhaarige vorsichtig.
"Nein, ich komme aus Oasis Springs und wollte mal eine neue Route zum Joggen ausprobieren. Ich bin übrigens Beryl. Beryl Landon."
"Freut mich, ich bin Jade Sparkle. Ich wohne hier in diesem Haus, hab es also nicht weit zum Angelplatz." Sie lächelte. "Oasis Springs... Ist das nicht dieser wüstenartige, heiße Ort, durch den der Bus auf dem Weg nach San Myshuno fährt?"
"Ja, bei uns ist es mollig warm und sehr exotisch! Komm doch mal vorbei und sieh dich bei uns genauer um, Jade!" Bislang konnte Beryl nicht sehen, wo Calebs Problem lag. Ihr Gegenüber war sehr umgänglich und weit davon entfernt eine Panikattacke zu bekommen, weil eine Fremde sie angesprochen hatte. Sie schaute vielleicht ein bißchen schüchtern drein, aber sie war sogar hübscher als auf dem Selfie.
Jade grinste. "Vielleicht tue ich das wirklich mal. Ich versuche eh öfters rauszukommen."
Ihr Handy piepte. "Oh, entschuldige bitte kurz!" - "Klar." Beryl sah neugierig auf das Display und erkannte, daß die andere das Selfie mit Caleb als Hintergrundbild benutzte. Sie überlegte, ob sie wirklich diesen Aufhänger nutzen sollte, um eine Beziehung zu knüpfen, doch ihr Gegenüber nahm ihr die Entscheidung ab. "Das gibt es doch nicht, wieso hat Liberty meine Handynummer?!" grummelte sie.
"Hm?" machte die Rothaarige, woraufhin die andere aufschreckte. "Entschuldigung, ich hab nur eine SMS mit einer Einladung bekommen." - "Ja, aber... Du sagtest Liberty... Das ist nicht zufällig Liberty Lee?"
"Doch! Kennst du sie?"
"Oh ja! Die kenne ich bestens! Sie war mal meine beste Freundin. Die Betonung liegt auf 'war'." Beryl versuchte ihren Tonfall bewußt locker zu halten, doch Jade machte ein gequältes Gesicht, das auf ihre eigenen Erlebnisse mit Liberty hindeutete. "Was die Welt doch für ein Dorf sein kann! Liberty ist meine Nachbarin, sie wohnt mit zwei anderen in dem großen Haus dort schräg gegenüber. Ihre Mitbewohner sind ja nett, aber ich kann Liberty nicht so gut leiden. Ich weiß gar nicht, was sie hat, in den letzten Tagen steht sie andauernd vor der Tür oder spricht mich auf der Straße an, und jetzt schickt sie mir schon eine SMS, ob sie bei mir abhängen darf!"
"Hast du einen Computer oder eine Spielkonsole?"
"Hm? Nein, wieso?"
"Ach, dann laß sie doch einfach mal vorbeikommen. Ich garantiere dir, sobald sie sieht, daß es bei dir keine Elektronik gibt, mit der sie sich vergnügen kann, taucht sie kein zweites Mal auf!"
"Wow. Du scheinst ja übles mit ihr erlebt zu haben."
"Wenn du mal nach Oasis Springs kommst kannst du gerne bei mir Halt machen und ich erzähle dir alle Details bei einem kühlen Getränk", versprach Beryl breit lächelnd, die zufrieden darüber war nun ganz nebenbei auch die Adresse von Summer zu haben. "Wie es scheint haben wir eine Menge gemeinsame Bekannte! Die netten Mitbewohner sind doch wohl Summer und Travis?"
"Ja! Die zwei kennst du auch?"
"Ihn nicht so sehr. Summer sehe ich ab und an für einen Plausch auf dem Bürgersteig."
"Genau wie bei mir", lachte Jade, schien sich aber langsam etwas unwohl zu fühlen. Vielleicht hatte sie auch nur Angst, daß Liberty aus dem Haus kommen und sie sehen könnte.
Beryl entschied sich dafür mit offenen Karten zu spielen. Sie fand Jade eigentlich recht nett bislang, und die gemeinsame Abneigung gegen Liberty hatte sie spontan miteinander verbunden. "Wir haben sogar noch mindestens einen weiteren gemeinsamen Bekannten."
"Ach ja? Wen denn?"
Sie zog ihr Handy aus der Tasche, suchte das Selfie heraus und hielt es ihrem Gegenüber vor. "Den guten alten Caleb. Wie ich hörte wart ihr Montag zusammen weg."
"Du kennst Caleb?" Jades Gedanken rasten. War das etwa eine weitere Stalkerin? Sie hatte ein gemeinsames Foto mit ihm, also mußte sie ihm nahestehen oder es zumindest mal getan haben. Spontan mußte sie an diese gruselige Lilith denken, und ihr Streßbarometer kletterte rasant in die Höhe. "Was willst du von mir?" fragte sie unwirsch.
Der plötzliche Stimmungswechsel kam überraschend für Beryl, doch sie lächelte stur weiter. "Ich wollte dich nur kennenlernen! Caleb ist ein netter Kerl, und er spricht nur gut von dir. Ich wohne erst seit einigen Monaten in der Stadt, und neue Freunde kann man nie genug haben, besonders wo ich Liberty abschreiben mußte!"
"Beryl... Beryl... Warte mal! Bist du diejenige, mit der er auf dem Romantikfestival war?"
"Ha ha, davon hat er dir erzählt? Ja, der Spinner glaubte mich verkuppeln zu können, das war irgendwie süß."
"Dann... bist du nicht seine Freundin oder seine Ex?"
"Mal im Vertrauen - ich wünsche es wäre so! Aber nein, ich kann dich beruhigen."
"Wieso beruhigen?! Wir... Ich... Caleb und ich sind nur Freunde!"
"Du hast auch nichts mit ihm laufen? Wirklich gar nichts?" hakte Beryl nach.
Ihr Gegenüber lief rot an. "Nein! Und selbst wenn, über solche Dinge spreche ich nicht mit Fremden! Entschuldige mich bitte!"
"Whoa, tut mir leid! Ich dachte nur so unter Frauen..."
"Vielleicht klappt das auf dem Romantikfestival, aber nicht hier! Bis dann!"
Die Schwarzhaarige ging strammen Schrittes davon und ließ sie einfach stehen. Beryl lachte. "Die ist ganz eindeutig nicht nur seine Freundin, auch wenn das Vampirchen es noch nicht weiß." Sie war sich sicher Miss Sparkle wiederzusehen, eher früher als später, und sei es nur, weil sie mehr Dinge über Herrn Vatore in Erfahrung bringen wollte.
Zufrieden joggte sie Richtung Heimat, überlegte sich aber doch die Strecke abzukürzen und am Rand von Willow Creek den nächsten Bus zu nehmen.
Jade war empört. Sie hatte gedacht Calebs Flirtsprüche seien schlimm, aber diese Frau war ja noch viel offener in ihren Themen. Sowas neugieriges war ihr noch nie begegnet! Was erzählte Caleb der bloß, daß sie auch nur auf die Idee kam zwischen ihnen würde 'etwas laufen'?! Sie überlegte und biß sich dann auf die Lippe.
Sie mußte diese Frau wiedersehen. Zum einen wollte sie wissen, ob Beryl tatsächlich hinter Caleb her war, und zum anderen mußte sie einfach erfahren, was er ihr so erzählt hatte, sonst könnte sie nie wieder frei mit ihm sprechen ohne Sorge, daß er ihre Geheimnisse weitertratschte. Ein kleines Stimmchen in ihrem Kopf hoffte auch, daß ihr gemeinsamer Freund auch das eine oder andere zu Beryl gesagt hatte, aus dem sich herleiten ließ, ob er Interesse an ihr, Jade, hatte. Gleichzeitig hatte sie jedoch auch Angst davor, Dinge zu erfahren, die sie lieber nicht wissen wollte. Außerdem kam das Vorhaben Spionage gleich, und dabei fühlte sie sich nicht wohl. Das war eine knifflige Entscheidung. Sie mußte genauer darüber nachdenken, ob und wann sie Oasis Springs einen Besuch abstatten würde.
Sims4 0034 Vampirgeheimnisse <- # -> Sims4 0036 Daichi und andere Hindernisse