Am Mittwoch Abend war Beryl wie erwartet erneut befördert worden, und ihre neue Stellung als Leinwand-Kreateurin, die mit einer schönen Gehaltserhöhung verbunden gewesen war, beflügelte sie an diesem Donnerstagmorgen dazu, sich noch mehr anzustrengen mit ihren eigenen Gemälden. Inzwischen konnte sie in fast jedem gewünschten Kunststil arbeiten, und es machte ihr viel Freude sich quer durch die Bank auszutoben bei Stilen und Motiven. Sie hatte den ganzen Vormittag über gemalt, bis Travis vor ihrer Tür gestanden hatte, um einen Krimi vorbeizubringen, den Summer sich vor einiger Zeit von ihr ausgeliehen und nun ausgelesen hatte.
Erneut war die Rothaarige nicht schlau geworden aus dem dunkelblonden Geek. Er war überaus freundlich gewesen, hatte mit ihr über die Nachbarschaft und später auch über Sims Forever geplaudert, nachdem sie erwähnt hatte es gelegentlich zu spielen. Bei diesem Thema war er sogar regelrecht aufgeblüht. Auch die eine oder andere Frage zu ihrem Beruf und ihrer Malerei hatte er gestellt und im Gegenzug ihre Fragen zu seinem Faible Computer beantwortet und sich ihr System auch bereitwillig angesehen und auf den neusten Stand gebracht. Abschließend hatte er ihr erklärt, wie sie selbst Updates einspielen konnte und ihr noch einige andere Ratschläge gegeben.
Aber er hatte keinerlei Versuch unternommen mit ihr zu flirten, dabei hatte sie ihn sogar gefragt, ob er Single sei.
Was wollte er auf einmal, nachdem sie ihn all die Zeit nicht gesehen hatte? War das ein Anflug nachbarschaftlicher Freundlichkeit, obwohl sie gar keine Nachbarn waren, eine persönliche Quest Freunde zu finden wie es bei Caleb der Fall war, oder war er schlicht zu sehr Geek, um zu wissen wie man flirtete, und traute sich nicht? Hätte er seine Mitbewohnerinnen angesprochen hätte sie ja vermuten können, daß er Informationen zu deren Gefühlen suchte oder vielleicht sogar den Vermittler im Streit zwischen ihr und Liberty spielen wollte, aber er erwähnte die beiden Mädels von sich aus mit kaum einem Wort.
Summer Holiday zuliebe hatte sich Beryl auch dieses Mal auf Smalltalk beschränkt und ihn nach einer knappen Stunde gebeten zu gehen, weil sie sich langsam für die Arbeit fertig machen mußte.
Als sie nun aus dem Haus trat und gewohnheitsmäßig den Blick über ihre Umgebung schweifen ließ erstarrte sie. Zum ersten Mal, seit sie hier wohnte, bemerkte sie Bewegung in dem Trailer ihr gegenüber. Noch nie hatte sie dort jemanden gesehen, weder im Garten noch im Haus, und nur weil abends gelegentlich das Licht brannte war sie überhaupt überzeugt davon, daß dort jemand wohnte. Nun hatte sie den Beweis, denn die Haustür öffnete sich und ein hellblonder, schlanker Mann hüpfte beschwingt die Stufen in den staubigen Garten hinab.
"Was zum..." machte die Frau ungläubig und kniff die Augen zusammen, um gegen die Sonne mehr zu erkennen. Sie trat an ihr Geländer heran und beobachtete ihren Nachbarn, der es offensichtlich eilig hatte, da er weder nach links noch rechts schaute und schnurstracks den Bürgersteig entlang marschierte. Er mußte in etwa in ihrem Alter sein, trug sommerliche Kleidung in gedeckten Farben mit einem leuchtend gelben Halstuch, das er locker um den Hals geschlungen hatte, und hatte fast platinblondes Haar, das ihm im Nacken beinahe bis auf die Schultern hinabreichte und auch ansonsten nicht gerade kurz war. Sie war sich nicht ganz sicher, meinte jedoch auch einen Bart zu erkennen.
"Aber hallo!" Beryl blieb der Mund offen stehen und sie ärgerte sich prompt. Warum waren auf dem Romantikfestival keine Typen wie der da gewesen? Und wieso bemerkte sie ihn erst jetzt, nachdem sie bereits mehrere Monate hier wohnte? Hätte sie das gewußt wäre sie schon längst hinübergegangen, um sich vorzustellen. In allen anderen Häusern auf ihrer Straße, bei denen sie im Laufe der Zeit aus Höflichkeit und Neugier vorbeigeschaut hatte, lebten nur Senioren oder Familien mit Kindern, und so hatte sie es irgendwann aufgegeben wirklich jeden Nachbarn kennen zu wollen.
"Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah..." murmelte sie und beschloß mehr über diesen attraktiven Mann herauszufinden.
Kaum war er außer Sichtweite flitzte sie über die Straße und warf einen Blick auf das Namensschild auf seinem Briefkasten. 'T. Brighton' stand da. Das mußte für den Moment genügen. Immerhin war nur ein Namenskürzel gelistet und kein Paar, also lebte er vermutlich allein. Beryl machte sich auf den Weg zur Arbeit und beschloß, in der Mittagspause ihr Handy mit einigen Internet-Suchanfragen zum Glühen zu bringen. Mal sehen, ob im Telefonbuch nicht auch sein Vorname stand, und vielleicht fand sie ihn ja auch auf Simstagram oder Simbook.
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