Als sie endlich Feierabend hatte, nach einem raschen Abstecher zum Buchladen nach Hause kam, ihre Mütze und sich selbst aufs Bett werfen konnte und tief durchgeatmet hatte griff Jade nach ihrem Handy und rief Caleb an, der nun auch langsam daheim sein sollte. Er meldete sich beim zweiten Klingeln.
"Caleb! Ich bin gerade von meinem ersten Arbeitstag zurück!" rief sie aufgeregt ins Telefon.
"Schön zu hören, daß du es überlebt hast, Jade! Erzähl schon, wie war es?" lachte der Vampir.
"Ooooh, es war beängstigend! Fast wäre ich vor dem Club auf den Absätzen umgedreht und nach Hause gerannt!"
"Nicht doch, meine Spinnerin ist mutiger als das!"
"Ja, ich hab dann auch fest meine Gitarre umklammert und bin doch rein. Der Club war vollkommen leer, bis auf den Barmixer und meinen Chef, der sich ein Bild von mir machen wollte."
"Aw, es war kein einziger Besucher anwesend? So ist es doch hoffentlich nicht geblieben?"
"Doch! Es kam den ganzen Nachmittag niemand! Aber für mich war das okay! Es war ein prima Testlauf, und meine beiden Zuschauer waren soweit zufrieden. Mein Chef meinte, die Musik sei klasse, aber ich müsse noch an meinen Witzen arbeiten, und der Barkeeper hat mich für morgen erneut gebucht. Er meinte, mit meinen Beinen locke ich ja vielleicht Gäste an." Bei den letzten Worten klang sie nicht sehr glücklich.
Caleb war es auch nicht. "Das Bürschchen soll sich bloß in Acht nehmen! Meine liebste Freundin ist kein Objekt zum Anstarren! Hast du Angst vor ihm?"
"Nein, nein. Ich fand den Spruch etwas flapsig, aber er hat sich nicht schleimig verhalten oder so. Ich bin schon gespannt, ob ich morgen weniger stottere!"
"Das wird schon, Jade! Ich glaube fest an dich! Es ist allerdings ein Jammer, daß ich es nicht schaffen werde, mir deine Show anzusehen. Du bist schon daheim, wenn meine Schicht beendet ist!"
"Ist nicht schlimm! Wirklich nicht. Die haben mir schon in Aussicht gestellt, daß ich demnächst später arbeiten muß, wenn ich mich nicht zu blöd anstelle für eine Beförderung."
"Ist das schlecht für dich?"
"Nein, ich bin eh eine Nachteule", lachte sie, "Und dann kannst du bestimmt mal gucken kommen."
"Aber ich bin doch so neugierig! Noch dazu, wo ich dir das alles eingebrockt habe! Laß dich bloß recht schnell befördern!" Sein Lachen klang nicht danach, als sei es ihm unangenehm sie zu der Stelle gedrängt zu haben.
"Doof ist allerdings, daß ich später als Offenes Mikro-Sucher das ganze Wochenende durcharbeiten werden muß, und das fast bis Mitternacht. Dann können wir an den Wochenenden nur morgens etwas unternehmen."
"Das ist wirklich schade zu hören, aber wir werden das beste daraus machen, Jade. Da ich an allem Schuld bin wäre es nur recht und billig, wenn ich dich an den Wochenenden begleite."

Jade lächelte. "Ich bin dir sehr dankbar dafür, daß du mich dazu gebracht hast, Caleb."
"Es war mir ein Vergnügen, Teuerste."
"Mir auch." Einen Moment lang trat Stille ein, während die junge Frau gegen ihre Verlegenheit ankämpfte. Ihr Herz wummerte wie wild. "Caleb... war das vorm Club wirklich in Ordnung für dich?"
"Was meinst du?" erkundigte er sich sanft. "Unsere Aussprache? Genau darum hatte ich dich doch gebeten."
"Nein, ich meine... das Küssen auf offener Straße. Wenn dir das zu schnell geht, dann..."
"Wieso sollte es mir widerstreben eine wunderschöne Frau zu küssen? Da muß ich mich für gar nichts schämen!"
"Die Leute konnten uns sehen!"
"Na und? Was scheren mich deren Blicke, wenn es doch nur deine Augen für mich gibt?"
"Oh, wow!" Ihre Wangen glühten vor Freude und sie hatte Mühe, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. "Das ist so lieb von dir."
"Ach Jade... Ich kann mir das Gesicht, das du jetzt machst, so lebhaft vorstellen, daß es mich betrübt es zu verpassen."

Sie überlegte kurz. "Warte mal eben... Ich melde mich gleich wieder, ja?!" Rasch legte sie auf, strich sich die Zöpfe zurecht und machte ein Selfie, das sie ihm schickte. Dann rief sie ihn erneut an.
"Danke, Teuerste!" meldete er sich vergnügt. "Mein erstes Selbstportrait von Jade Sparkle! Das kommt in meine Sammlung!"
"Ach, du!" Insgeheim freute sie sich, aber sie war immer noch verlegen. Am Telefon zu flirten war ja noch viel schwieriger, als wenn sie ihm gegenüberstand!
"Darf ich dieses schöne Antlitz am Wochenende denn in Natura sehen oder wirst du nach der Arbeit zu beschäftigt damit sein an deinem Auftritt zu feilen? Unsere freien Tage stimmen ja nicht mehr lange überein, wenn ich dich recht verstehe. Diese Chance sollten wir nicht ungenutzt verstreichen lassen."
"Solange ich nicht unerwartet befördert werde hab ich Zeit! Nach der Arbeit könnte ich dich auch treffen, ich habe ja eine Stunde früher frei als du und kann mich entspannen. Ich würde es mir niemals nehmen lassen dich zu sehen! Deine Umarmung vermisse ich jetzt schon wie verrückt!"
"Das beruht auf Gegenseitigkeit, meine liebe Spinnerin!"
"Dann texten wir uns einfach, wenn einer von uns abends noch etwas unternehmen möchte oder uns etwas fürs Wochenende einfällt, ja?"
"So machen wir es! Ich wünsche dir viel Erfolg beim Überarbeiten deines Programms."
"Danke! Ich habe mir gerade extra noch ein Buch über Witze gekauft, ich hoffe, das wird helfen."
"Bestimmt wird es das! Du kannst das, Jade!"
"Danke, Caleb! Dann spätestens bis Samstag! Ich... ich hab dich lieb!"
"Ich dich auch, Jade. Viel Erfolg! Bis Samstag!"
"Bye!"

Sie quietschte auf vor Freude und ließ sich hintenüber aufs Kissen fallen. Lange hielt sie es jedoch nicht so aus. Jade setzte sich wieder auf und drehte sich zu ihrem Fisch um. "Oh, Melvin! Was ist bloß mit meinem Leben passiert?! Es ist alles so aufregend!" Ein neuer Job, ihr erster Freund, so viele neue Leute! "Boah! Laß uns schnell dieses Witzebuch lesen! Ich will ganz bald befördert werden und dann hoffentlich mehr Gitarre spielen dürfen! Auch wenn ich dann viele Stadtfeste mit Caleb verpassen werde. Herrje, ich hoffe, er hat Lust mit mir auch andere Sachen zu machen! Nicht, daß ich ihm zu langweilig bin! Verflixt, muß ich vielleicht doch zum Karaoke, um ihn glücklich zu machen?"
Ihre Gedanken überschlugen sich schon wieder, und sie versuchte lieber, sich auf das Buch zu konzentrieren.

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