Am Freitag nach der Arbeit hatte der Vampir genug von der Ungewißheit und klopfte abends energisch an Jades Tür. Volle vier Wochen ging sie ihm nun aus dem Weg. Sie textete und textete, erzählte von neuen Büchern, Anekdoten von der Arbeit und dem Wetter, doch wann immer die Sprache darauf kam mal wieder einen Filmabend zu veranstalten oder sich sonstwie zu treffen blockte sie seine Vorschläge ab. Dabei war ihr keine Ausrede zu schade. "Wenn sie heute immer noch nicht fertig ist mit ihrem Großputz, dem Unkraut jäten, der Steuererklärung und all dem anderen Unfug, den sie mir aufgetischt hat, werde ich wahnsinnig", knurrte er und tat sein möglichstes sich zu beruhigen. Während er mit Atemübungen darauf wartete, daß sie ihn hereinließ, überlegte er was er sagen konnte, um einen lockeren Einstieg in den Abend zu finden. Die Frage beantwortete sich von selbst.
"Jade Sparkle, wie kann es eigentlich sein, daß du immer einen Teller mit Essen in der Hand hast, wenn ich vorbeikomme?" fragte Caleb spitzbübisch, als die junge Frau ihn mit vollen Backen kauend mit einem Kopfnicken hereinbat. Er ließ sich nicht zweimal bitten und ging an ihr vorbei ins Wohnzimmer, wobei er sich mißtrauisch umsah. An der Hauswand war nichts gewesen, doch es stank auch in ihrem Haus kein bißchen nach Knoblauch, dabei hatte er sich mental darauf vorbereitet schnell wieder gehen zu müssen.
Sie schluckte den Bissen herunter und konterte: "Oh, ich weiß nicht! Es könnte vielleicht daran liegen, daß ein gewisser Jemand immer hier aufschlägt, wenn es gerade Zeit für Frühstück, Mittagessen oder Abendbrot ist!"
Er grinste entschuldigend und sah zu, wie sie ihren Teller seufzend in den Kühlschrank stellte.
"Mal ehrlich, Caleb, du weißt doch inzwischen, daß ich um diese Zeit normalerweise erst seit 30 Minuten von der Arbeit zurück bin. Kannst du dir nicht denken, daß ich zunächst einmal esse?"
"Ich wollte dich nicht davon abhalten! Iß dein Rührei gerne weiter, ehe es kalt wird." In der Tat vergaß er das häufig, weil zu essen nicht zu seinen Gewohnheiten zählte. Außerdem hatte er sich heute nur zu diesem spontanen Besuch entschieden, um sie zu überraschen und so vielleicht herauszufinden, was ihr so zu schaffen machte in letzter Zeit, denn sie hatte seit dem Besuch im Fitneßstudio jedes Telefonat kurz gehalten und sich beim Texten auf oberflächliches beschränkt. Beryl wimmelte ihn seit einiger Zeit ebenfalls ständig kurz angebunden ab, so daß auch aus ihr nichts herauszubekommen war und er sich langsam fragte, ob er etwas schreckliches angestellt hatte und alle wütend auf ihn waren.
"Weiter essen? Damit ich gleich noch so einen Spruch reingedrückt bekomme? Nein, danke! Wenn du findest, daß ich zu fett werde, kannst du es auch direkt sagen statt dich über mich lustig zu machen!" schimpfte sie und ließ sich aufs Sofa fallen. Das war ihr nach genauerer Betrachtung der Lage noch nicht gut genug, sie rutschte nachträglich noch in die entfernteste Sofaecke weg.
Der Vampir stellte rasch das Buch weg, das er sich kürzlich geliehen und inzwischen ausgelesen hatte, und setzte sich zu ihr. Was war denn das für eine Laune? So hatte sie noch nie mit ihm gesprochen. "Deine Eßgewohnheiten zu diffamieren war ganz und gar nicht meine Intention!"
"Nein, natürlich nicht." Grummelnd nahm sie selbst ein Buch zu Hand, das auf der Couch gelegen hatte, offenbar in der Absicht ihn erstmal zu ignorieren.
Jetzt war er in seiner Ehre gekränkt. "Jade Sparkle! Sieh mich an!" sagte er in normaler Lautstärke, aber streng.
"Was?" Sie ließ das Buch sinken und schaute genervt auf, konnte seinem gekränkten Blick innerlich allerdings kaum standhalten.
"Jade, was ich gesagt habe war wirklich nur als kleines Geplänkel unter Freunden gemeint. Necken wir uns nicht ständig?"
"So, und du meinst nicht, daß ich dicker geworden bin?" hakte sie in einem Tonfall nach, der deutlich machte, daß sie anderer Meinung war.
Caleb blieb bei seinem ruhigen Ton. "Um ehrlich zu sein fand ich dich bei unserem Besuch im Fitneßstudio eher etwas abgemagert und bin froh, daß du nach der Erkältung wieder richtig ißt."
"Soll heißen, ich bin dicker als letztens!"
"Was stört dich an deinem Gewicht? Du kannst inzwischen gut kochen, du treibst Sport, du streßt dich nicht mehr so sehr. Das Ergebnis ist dieser wunderbar weibliche, gesunde Körper, den du nun hast!"
"Ich... hab... Oh, du meine Güte!" Jade lief purpurrot an und steckte krampfhaft die Nase wieder in ihr Buch.
Er machte es sich bequem und sah sie stur weiter an. War das etwa ihr ganzes Problem? Warum mußten Frauen nur immer so ein Drama um eine unbedeutende Sache wie ihr Gewicht machen? Die zwei oder drei Kilo, die sie vielleicht zugenommen hatte, seit sie sich kannten, waren doch kein Grund in einer öffentlichen Dusche in Tränen auszubrechen! "Also bitte! Du willst mir doch nicht weismachen, daß dir noch kein anderer gesagt hat, wie sehr du in letzter Zeit von innen heraus leuchtest?"
"Caleb, hör bitte auf damit! Das ist mir peinlich."
"Es sollte dir aber nicht peinlich sein gut auszusehen."
"Caleb!" Ihre Lippen zitterten.
"Soll ich gehen? Störe ich dich so sehr?"
"Nein! Ich will dich sicher nicht rauswerfen." Die Aussage ging gegen Ende in ein Murmeln über.
Der Mann rollte mit den Augen und schaltete den Fernseher ein. "Na schön. Wegen was auch immer du wirklich aufgebracht bist, ich wasche meine Hände jetzt in Unschuld. Melde dich, wenn du doch darüber sprechen möchtest, was dich bedrückt."
Eine Zeitlang saßen sie stumm beieinander, sie lesend, er mit dem öffentlich-rechtlichen Sender beschäftigt. Jade versteckte sich hinter ihrem Buch, nahm kein einziges Wort des Gelesenen auf und kämpfte gegen die Tränen. Es war so ein Schock gewesen, ihm die Tür zu öffnen und ihr Herz fast aus ihrer Kehle springen zu fühlen bei seinem Anblick. Ihre Verliebtheit war kein bißchen abgeschwächt, selbst nach einem Monat nicht. Was sollte sie bloß tun? Sie hatte ihn dermaßen angefahren aus Angst und Schock, daß er nun verständlicherweise verletzt und selbst ein wenig wütend dreinblickte. Es tat ihr wahnsinnig leid, und in ihr brodelte unbändiger Zorn auf sich selbst. Zu allen Überfluß mußte er ihr dann natürlich auch wieder Komplimente machen, bei denen ihr fast das Herz aussetzte, weil sie sie so gerne von ihrem Liebsten gehört hätte und nicht von jemandem, der nur ihr Freund sein wollte. Daher war sie auch wütend auf ihn, aber er konnte ja nicht wissen, wie es ihn ihr aussah.
Schließlich ließ Jade mit einem Seufzen das Buch sinken und klappte es lautstark zu.
"Tut mir leid. Charlotte Rox hat mich heute als fettes Lama bezeichnet, deshalb bin ich gerade etwas überempfindlich."
"Charlotte wer?" fragte er und wandte sich ihr zu, den Ellbogen auf die Rückenlehne der Couch gestützt und das Kinn auf seine Hand.
"Eine Kundin. Sie ist Besitzerin eines Clubs, und ich muß sie bedienen, weil reguläre Kundenbetreuer unter ihrer Würde sind."
"Ich wette, sie ist im fortgeschrittenen Alter, verbraucht, verbittert und allein, und außerdem hatte sie eigentlich nach einem jungen Mann als Betreuer verlangt." Caleb zuckte mit den Schultern, um zu unterstreichen, wie unbedeutend die Meinung dieser Person war.
"Sie war mal eine der schönsten Frauen der Stadt!"
"Wie ich mir dachte. Früher sind alle Männer nach ihrer Pfeife getanzt und haben ihr Ego gestreichelt, und um alle Optionen offen zu halten hat sie sie alle zappeln lassen. Kaum hatte sie den ersten Krähenfuß und die oberflächlicheren unter ihren Anhängern verschwanden, kam die Angst bald ersetzt zu werden, und ihre Forderungen und Allüren wurden so überzogen, daß es auch die wenigen Verehrer, die es vielleicht ernst meinten, in die Flucht geschlagen hat. Jetzt hat sie nur noch fünf Katzen und ihren Club und ist neidisch auf junge, schöne Frauen, die Karriere machen und den Männern der heutigen Generation den Kopf verdrehen."
"Da deutest du aber eine Menge in sie hinein nur wegen zwei Sätzen von mir", machte Jade erstaunt und spürte erneut, wie ihre Wangen glühten.
Caleb sah sie mit hochgezogenen Brauen an. "Glaub mir, ich bin nicht nur einer Charlotte begegnet im Leben. Viele davon könnten trotz ihres Alters reizend und attraktiv sein, wenn sie ihre Seele nicht so vergiftet hätten."
"Hm." Jade sah auf ihre Hände hinab. "Ich weiß ja, aber es tat trotzdem weh."
Er zog sie sanft in seine Arme und drückte sie tröstend an sich. "Nimm dir das nicht zu Herzen. Keiner deiner Freunde hält dich für ein Lama, schon gar nicht für ein dickes."
Sie erwiderte die Umarmung dankbar, machte sich aber trotzdem nach ein paar Sekunden los, weil sie seine Nähe im Moment weiterhin schlecht ertrug. "Tut mir leid, daß ich das an dir ausgelassen habe."
"Ich habe meine Lektion gelernt! Nie wieder ein Kommentar zu deinem Essen, versprochen."
"Nein, du mußt dich nicht zurückhalten. Ich muß lernen mit solchen Deppen wie Charlotte umzugehen." Ehe sie ihren Mut zusammennehmen und ihn bitten konnte, sie stattdessen nicht mehr mit Lob zu ihrer Figur oder Ausstrahlung zu verwirren, fuhr er bereits fort: "Das ist die richtige Einstellung! Ich verstehe ohnehin nicht, warum dich eine substanzlose Beleidigung deines Körpers mehr ärgert als die beabsichtigte Beleidigung deiner Intelligenz durch den Begriff 'Lama'. Warum investieren Frauen stets so viel Energie in die Überwachung und Verteidigung ihres Gewichts?!"
"Findest du dünne Frauen denn nicht attraktiver?"
"Nein." Darüber mußte er wirklich nicht lange nachdenken. "Ich finde Frauen attraktiv, die interessant und sportlich sind und die sich selbst mögen."
"Ist sportlich nicht dasselbe wie schlank?"
"Ganz und gar nicht! Was meinst du wohl, wie viele schlanke Personen wir im Betrieb haben, die es während einer Aufzugswartung kaum die Treppe hinauf schaffen, weil sie unsportlich sind? Beryl zum Beispiel ist sportlich. Würdest du sie als dünn bezeichnen?" fragte er schlicht.
Jade sah zu Boden. "Du findest also, Beryl ist attraktiv?"
"Ja, schon, schon allein ihr Selbstbewußtsein läßt sie strahlen, andere Reize mal außen vor gelassen. Bist du anderer Meinung?" Er blickte sie aufmerksam an und hoffte darauf, doch noch etwas von ihrer üblichen Schlagfertigkeit oder ihrem neu gewonnenen Charme in ihr wiederzufinden. Bislang war sie nur traurig oder wütend und wich ihm die ganze Zeit über aus. Sie sah ihn kaum an, auch jetzt nicht, als sie erwiderte: "Darüber habe ich noch nie nachgedacht."
Ihr Magen grummelte hörbar. "Dann esse ich jetzt mal mein eiskaltes Rührei."
"Klingt fantastisch", meinte er und bemühte sich nicht einmal, seine Stimme nicht vor Sarkasmus triefen zu lassen.
"Oder ich mache mir einfach einen Obstsalat. Magst du auch einen?"
"Nein, aber vielen Dank für das Angebot."
"Nie möchtest du etwas. Kein Wunder, daß du so ein Strich in der Landschaft bist", murmelte Jade, als sie vom Sofa aufstand.
"Das habe ich gehört, Teuerste. War das eine Retourkutsche?"
"Ich frage mich nur, wann du überhaupt mal ißt oder schläfst. Du bist so oft hier, daß es sich schon so anfühlt als hätte ich einen Mitbewohner!"
"Einen Mitbewohner, der weder das Bad im Chaos zurückläßt noch den Kühlschrank leert. Was kann man sich besseres wünschen?" Er warf triumphierend die Arme in die Luft, fragte sich im Stillen jedoch, ob sie das wirklich ernst meinte, so selten wie sie sich in der letzten Zeit sahen. War sie etwa doch dermaßen extrem einzelgängerisch, daß er ihr auf die Nerven ging, und das war der Auslöser für alles?
Sie schüttelte nur den Kopf und seufzte theatralisch.
Sims4 0078 Von Erdbeeren und Feuerwerken <- # -> Sims4 0080 Verkrampfte Konversation