Den Salat anzurichten lieferte ihr eine gute Ausrede sich für einige Minuten in die Küche zu verziehen. Jade war erneut völlig verwirrt, sowohl von all den netten Sachen, die er über ihr Aussehen gesagt hatte, als auch von ihrer Reaktion. Innerlich war sie vollkommen zerrissen. Sie bemühte sich so sehr, Caleb gegenüber nur eine Freundin zu sein und ihre Gefühle endlich zu begraben, doch gleichzeitig wollte sie nichts mehr als sich einfach in seine Arme zu werfen. Nun hatten sie sich einen Monat lang nicht gesehen und es hatte nichts gebracht. Wie lange würde es dauern, bis sie nichts mehr für ihn empfand, und würde sie überhaupt jemals an diesen Punkt kommen, wenn er nicht aufhörte sie ständig zu umarmen und ihr Komplimente zu machen? Mit ihm darüber sprechen zu müssen löste in ihr ebensoviel Panik aus wie ihm ihre Zuneigung zu gestehen. Beides konnte ihre Freundschaft ruinieren, denn sie konnte ihn nicht darum bitten sich zurückzuhalten, ohne ihm zu erklären, warum sie Abstand wollte.
Sie seufzte.
Eigentlich schade, daß er nie etwas von ihrem Essen wollte. Wie wollte er wissen, daß sie inzwischen kochen konnte, wenn er nie probierte? Sie war in der Tat der Meinung, ziemlich gut in der Küche geworden zu sein, und hätte gerne zur Abwechslung mal etwas für ihn getan.
Die junge Frau bemühte sich ihr Obst möglichst akkurat zu schneiden, damit der Obstsalat wenigstens optisch ein Zeichen setzen konnte.

Als sie damit ins Wohnzimmer zurückging sah Caleb fern. Es war ihr nur recht ein wenig zu schweigen, aber grinsen mußte sie doch, als sie ihn vor sich hin schimpfen sah. Ihr war noch nie aufgefallen, daß er gerne den Sportkanal schaute, aber er verfolgte soeben ein Baseballspiel und schien mit dem Team mitzufiebern. Kaum saß sie sprach er sie allerdings an. "Sag mal, Jade, was ist aus dem Knoblauchkranz geworden, den Beryl dir geschickt hat? Ich kann ihn nirgendwo entdecken."
"Ach, der." Jade verzog das Gesicht. "Sag es Beryl nicht, aber den hab ich weggeworfen."
"Was?! Wieso denn das?" fuhr er unwillkürlich auf. Er sah sie mit großen Augen an. "Wie willst du dich dann gegen Vampire schützen?!"

Sie rollte mit den Augen. Ach ja, er wollte ihr ja einreden ein Vampir zu sein. Gehörte das etwa immer noch zu seinem Streich? Hatte er vorgehabt todkrank zu tun in der Nähe des Kranzes? Sie seufzte. "Sei doch froh! Als Vampir solltest du erleichtert sein, nicht damit gequält zu werden, oder? Ich hab das Ding in eine Plastiktüte gesteckt und diese in einer Kiste versenkt, und das Zimmer muffelte immer noch danach! Tut mir leid, aber so ein Kranz kommt mir nicht noch einmal ins Haus!"
"Du hättest ihn draußen aufhängen können!"
"Wie ich Beryl schon sagte ist mir das zu doof! Und davon abgesehen spielen wir auf der Veranda Schach, oder nicht? Dann stinkt es da auch!"
"Ich halte jeden Knoblauch mit tausend Freuden aus, wenn im Gegenzug du sicher davor bist gebissen zu werden, Jade!"
"Ja, ja, ich kenne das Risiko... Dann werde ich halt gebissen, ist nicht so schlimm wie eine fiese Erkältung, glaub mir - ich habe ja Erfahrung!" Sie tätschelte ihm beruhigend die Hand und schob sich den ersten Bissen in den Mund. Prompt klingelte ihr Handy. "Oh, sorry... Das ist Beryl."

"Geh ruhig ran", winkte Caleb ab und schüttelte fassungslos den Kopf. Er benötigte jetzt eh erst einmal ein paar Minuten, um sich abzuregen. Es war zum aus der Haut fahren! Wie konnte sie nur so dickköpfig sein?! Kein Wunder, daß ihm nicht schlecht geworden war. Tat sie das in Wirklichkeit doch für ihn?
Es machte wohl keinen Sinn zu versuchen, sie in dieser bedrückten und irgendwie aggressiven Stimmung zum Reden zu zwingen, also würde er das Thema schweren Herzens noch einmal ruhen lassen, ehe sie sich ernsthaft in die Haare geraten würden. Aber das letzte Wort in dieser Sache war noch lange nicht gesprochen! Seine Kiefer mahlten.


"Danke. Ja, hallo Beryl, was gibt's?" Die junge Frau versuchte gleichzeitig zu essen und ihre Bekannte möglichst schnell abzuwimmeln. Aus den Augenwinkeln registrierte sie, wie Caleb in die Küche huschte. Holte er sich jetzt etwa doch etwas aus dem Kühlschrank? Kurzerhand wechselte sie auf seinen Platz, damit ihr Freund vom Nebenraum aus einen besseren Blick auf den Fernseher hätte. Beryl erzählte ihr begeistert davon, daß einige ihrer Bilder als Meisterwerke angesehen wurden und einen hohen Preis erzielt hatten, daher mußte Jade sich auf das Telefonat konzentrieren.

Plötzlich fühlte sie jedoch einen kalten Luftzug. Sie sah auf und bekam gerade noch mit, wie die Haustür zufiel. Es kam ihr vor, als hinge eine rauchige Schliere im Flur. "Was zum... Caleb?"
"Ja, Teuerste?" Zu ihrer Überraschung stand er hinter ihr.
"Was war das?"
"Ich habe nur den Müll draußen entsorgt."
"Wieso bringst du meinen Müll raus? Und was... wieso bist du so schnell?"
"Das ist nicht ungewöhnlich für einen Vampir."

"Caleb ist bei dir?" kam es aus dem Handy.
"Ja, der will mich hier gerade veräppeln. Beryl, hör mal, was deine Bilder angeht..."
"Es geht nicht nur um die Kohle für die Bilder, ich wurde daraufhin auch befördert! Man bot mir an später entweder Vollzeit im Museum zu malen und Kurse zu leiten oder Kunst-Mäzenin zu werden! Ich hätte ja gerne die erste Karriere verfolgt, aber die Arbeitszeiten wären fürchterlich gewesen, und das für einen regelrechten Hungerlohn! Nein, da habe ich lieber die andere Schiene eingeschlagen und male weiterhin in meiner Freizeit! Deshalb bin ich jetzt erstmal Kesse Kunstschöpferin! Das sind fünf Stunden weniger arbeiten pro Woche bei mehr Gehalt, ist das nicht super?! Und sobald ich Farbtheorie-Kritikerin werden kann bin ich bei einer 30 Stunden Woche angekommen! Sei ein Schatz und grüße Caleb auch lieb von mir, ja? Und denk dran: Miau, miauuuuu!"
Beryl schwatzte ohne Pause weiter und Jade blieb nichts anderes übrig als ihr weiter zuzuhören.

Als sie endlich auflegen konnte saß Caleb neben ihr und verfolgte stur das Ende der Sportveranstaltung. Immerhin hatte sie ihren Obstsalat vertilgt, da die andere fast pausenlos geredet hatte und ihr so Zeit zum Kauen geblieben war. "Na endlich! Caleb, schöne Grüße von Beryl, sie ist nun Kesse Kunstschöpferin und ein hohes Tier in der Kunstwelt."
"Ach, tatsächlich? Das freut mich für sie!" meinte er ohne rechte Begeisterung, da es ihn ein wenig ärgerte, daß Beryl Zeit hatte Jade ausgiebig anzurufen, bei ihm aber die ganze Woche über taubstumm getan hatte. Und natürlich nervte ihn auch Jades Reaktion bezüglich des Knoblauchkranzes weiterhin, und daß sie ebenfalls länger mit Beryl in der Leitung geblieben war als mit ihm in letzter Zeit.
"Ja, ihre Bilder sind wirklich toll." Die junge Frau wollte nur schnell die Schale in die Küche bringen - und blieb dort wie angewurzelt stehen. "Was ist denn hier passiert?!"
"Hm?"
"Caleb, hast du meine Theke geputzt?"
"Sie war schmutzig."
"Das ist mir klar, ich habe schließlich gerade Essen zubereitet. Wieso putzt du meine Theke?!"
"Ich hatte nichts zu tun und dachte mir, so haben wir später mehr Zeit", meinte er lapidar und rief die Programmübersicht auf seinem Handy auf. Putzen war hervorragend geeignet, um Frust abzubauen.
"Du kannst doch nicht einfach anderer Leute Küchen putzen!"
"Oh, Verzeihung, ich wußte nicht, daß das für dich eine so intime Angelegenheit ist!" Er klang verwundert und ein wenig bissig.
Jade ließ sich neben ihm auf dem Sofa nieder. "Das ist es nicht, aber es ist peinlich für mich."
"Mach einfach keine große Sache daraus und laß uns jetzt einen Film anschauen, ja?"

'Ein simples Danke wäre nett gewesen', dachte der Vampir gereizt. Da versuchte er ihr das Leben leichter zu machen und sie nörgelte nur. Was konnte er denn nur tun, damit sie endlich wieder lachte und mit ihm scherzte? Wo kam nur diese grauenhafte Laune her? Er hatte extra eine romantische Komödie ausgesucht, die interessant klang, aber anstatt zu lachen und mal wieder einen lockeren Spruch von sich zu geben hockte Jade nur stumm neben ihm, die Beine angezogen und mit den Armen umschlungen.

'Wooooow!'  schwärmte Jade traurig, als die Heldin des Films impulsiv von ihrem Freund geküßt wurde. Unwillkürlich machte sie sich noch kleiner, denn es war ihr unangenehm, nun auch noch so etwas neben ihm ansehen zu müssen, zumal ihr Besucher sich gut zu amüsieren schien.
Sie fragte sich, ob sie jemals so geküßt werden würde, und ob es sich so wahnsinnig gut anfühlen würde, wie sie es sich vorstellte. Und schon stellte sie es sich wieder mit ihm vor, ob sie wollte oder nicht, und das Herz wurde ihr schwer.

In der ersten Werbepause sah sie ihren Freund an. "Danke fürs Putzen, Caleb."
"Gern geschehen."
Erneutes Schweigen.
Caleb suchte verzweifelt nach einem Thema, auf das sie anspringen würde. Seinem aufmerksamem Blick war ihre kürzlich neu erstandene Fernsehbank natürlich nicht entgangen, und obwohl es weder ein besonders hochwertiges Möbelstück war noch die kunterbunten Figuren, die sie darauf ausstellte, sonderlich seinen Geschmack trafen, freute es ihn doch, daß sie ihrem Budget entsprechend ab und an nun doch Akzente in ihrem Haus setzte. Das klapprige Tischchen, auf dem ihr winziger Fernseher vorher gestanden hatte, diente nun als Ablage für Bücher und noch mehr Figuren.


Irgendwie gefielen die Figuren ihm besser, je länger er sie ansah. Ihre verspielte Machart paßte perfekt zu Jades Wesen, und dieses Haus konnte wirklich jeden Tupfen Farbe gebrauchen, der sich nur finden ließ.
"Was sind das für Figuren, Jade?"
"Hm? Ach, die! Das sind MySims Sammelfiguren. Man bekommt sie, wenn man eine Kapsel mit einem Code findet, und sie sind unterschiedlich selten."
"Du sammelst sie?"
"Nicht wirklich. Die meisten, die ich bislang gefunden habe, hab ich verkauft, aber die drei da und eine Handvoll anderer habe ich behalten. Die anderen sind in einer Kiste im Schlafzimmer."
"Und wieso sind gerade diese drei aufgestellt?" fragte er neugierig.

"Nunja, der linke Junge erinnert mich an dich."
"An mich?!"
"Ja, schau doch hin! Er trägt einen roten Mantel, hat die Haare schick geschnitten und den Kopf genauso zur Seite gelegt wie du, wenn du etwas wissen möchtest."
"Wie nett, mich in deiner Einrichtung verewigt zu wissen!" Caleb lachte. "Und die beiden anderen?"
"Der böse Knilch da war der erste, den ich gefunden habe, und die lesende Frau mit dem Buch, der Brille und dem Dutt bin dann wohl ich."
"Du trägst aber glücklicherweise keinen Dutt!"
"Und du hast keine pinken Augen. Genauer ans Wunschaussehen heran kommen wohl nur die Geeks, die ihre Figuren neu bemalen oder umbauen." Jade zuckte mit den Achseln. "Wenn ich eine besser passende Figur finde ersetze ich sie vermutlich, aber im Moment paßt sie ganz gut zu den Büchern auf dem Tisch."

Das Gespräch versiegte erneut. Obwohl die Werbung vorbei war und der Film weiterging fiel dem Vampir schnell auf, daß Jade ins Leere starrte.
"Möchtest du lieber etwas anderes machen als fernzusehen, Jade? Wir könnten ausgehen, in den Nachtclub oder die Lounge."
"Mir ist nicht nach Alkohol, um ehrlich zu sein." Allein die Erwähnung eines Clubs ließ sie wieder an Beryls Beispiel mit angetrunkenen Frauen auf seinem Schoß denken.
"Wir könnten uns auch den Sonnenuntergang vom Park aus ansehen, oder das Museum bei Nacht besuchen und unseren so rüde unterbrochenen Rundgang von neulich nachholen."
Jade schreckte auf. Nur nichts romantisches! Und schon gar nicht das Museum! Der Film war schon schlimm genug! "Dann lieber den Nachtclub. Also, möchtest du?"
"Nein, nein, Teuerste, die Frage war, ob du möchtest!"
"Sicher, wenn du ausgehen willst, dann am ehesten dorthin." Ohne ein weiteres Wort stand sie auf und ging los, um ihre Schuhe anzuziehen.
Caleb seufzte und hoffte, daß sie wenigstens genug trinken würde, um ein wenig lockerer zu werden.

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