Wieder einmal war Freitag, und wieder einmal ging somit für Thilo Brighton die Arbeitswoche erst so richtig los. Als Offenes Mikro-Sucher hatte er mittwochs und donnerstags frei und arbeitete dann das ganze Wochenende durch, wenn in den Clubs Hochbetrieb herrschte.
Den gestrigen Abend hatte er bei Beryl verbracht. Sie war schon wieder befördert worden, doch ihre neuen freien Tage deckten sich weiterhin nicht mit seinen und bescherten ihnen somit nicht mehr gemeinsame Zeitfenster. Zur Feier des Tages hatte die Rothaarige tatsächlich für ihn gekocht, und was auch immer es gewesen war, es hatte ausgezeichnet geschmeckt. Außerdem hatte sie ihm einige ihrer Gemälde gezeigt und ein Buch mit erotischen Kurzgeschichten, das sie während ihrer Kritikerkarriere geschrieben und unter Pseudonym veröffentlicht hatte. Ab und an bekam sie tatsächlich noch Tantiemen dafür, was sie sehr amüsierte. Anschließend waren sie in ihrem Bett gelandet.


Nun saß Thilo auf seinem eigenen Bett und seufzte. Er war nicht ehrlich zu Beryl, aber es fiel ihm schwer daran etwas ändern zu wollen. Er war zu ehrgeizig, um zuzugeben, daß nicht alles war wie es schien, und wollte lieber die Wahrheit der Lüge anpassen. Wie es der Zufall und ihre Arbeitszeiten so wollten war Beryl nun noch kein einziges Mal zu einer seiner Shows erschienen, und er war inzwischen ganz froh darüber, da sie ihn höher auf der Karriereleiter zu sehen schien, als er war. Um das zu ändern arbeitete er in jeder freien Minute, wie er es auch schon getan hatte bevor er sie getroffen hatte. Trotzdem änderte all sein Fleiß nichts daran, daß er arm war. Das war nicht immer so gewesen, ganz im Gegenteil. Aber es war der Preis, den er für seinen Traum letzten Endes gern bezahlt hatte, nachdem er es seinen Eltern eh nie hatte recht machen können.
Er hatte Beryl nicht in sein Schlafzimmer gelassen, weil er nur ein Einzelbett besaß. Darauf Sex zu haben war zwar machbar bei entsprechender Motivation, aber es hätte das Bild des Charmeurs, das sie von ihm hatte, ebenfalls zerstört. Ehe sie bei ihm aufgetaucht war hatte er über Mädels gar nicht nachgedacht, seit er die Uni abgebrochen hatte. Dafür hatte es ihm an Zeit und Interesse gefehlt, er mußte zunächst seinen Lebensunterhalt sichern.


Der junge Mann wanderte in die Küche hinüber und suchte sich in seinem Kühlschrank einige Zutaten fürs Frühstück zusammen. Daß er oft vegetarisch aß lag schlicht daran, daß er nur selten Geld für Fleisch hatte und zudem noch gar nichts anderes hinbekam als einen einfachen Salat. Und selbst den bereitete Beryl um Längen besser zu als er, sie hatte irgendwelche Tricks mit dem Dressing und Kräutern, die er einfach noch nicht nachvollziehen konnte.

Als sein karges Frühstück angerichtet war setzte er sich vor den Fernseher und verfolgte zur Abwechslung mal eine Kochshow statt einer Komödie, darauf hoffend, daß auch ein nicht so schwieriges vegetarisches Gericht an die Reihe käme. Denn ein weiterer Punkt, in dem er zu Beryl nicht ehrlich gewesen war, war diese ganze 'Freunde mit gewissen Vorzügen' Sache. Er hatte Zoe nicht grundlos gleichgültig gegenübergestanden. Seit dem Zeitpunkt, an dem er sie zum ersten Mal hatte lachen hören, war er in seine Nachbarin verschossen, und bei jedem Treffen mit ihr wurde das Gefühl stärker. Auf den schnellen Sex hatte er sich eingelassen in der Hoffnung sie dann besser kennenlernen zu können. Sie war der Wahnsinn. Erfolgreich, klug, gebildet, selbstbewußt, lustig und eine richtige Wildkatze im Bett. Genau der Typ Frau, auf den er abfuhr, und dazu noch super sexy mit ihrem roten Haar und ihren Kurven.
Allerdings war sie auch deutlich wohlhabender als er, obwohl auch sie wohl nicht viel gehabt hatte bei ihrer Ankunft. Die Kluft hatte sie wohl wesentlich schneller überbrückt als er. Ihr Doppelbett war ein Traum, ihre Dusche herrlich und sie besaß viele Bücher und einen Computer. Ihre Wände waren voller selbstgemalter Gemälde, die auf dem Markt inzwischen einen hohen Preis erzielt hätten.
Er hingegen war kein reicher Schnösel mehr, seit er sich gegen seine Eltern aufgelehnt hatte. Damit kam er zwar im Alltag gut klar, aber er mochte Beryl nicht um ein echtes Date bitten, solange er ihr nichts bieten konnte. Wenigstens auf der Augenhöhe sie mal auf Drinks in einen ordentlichen Pub und ins Kino einladen zu können wollte er schon sein mit ihr. So, wie er sie einschätzte, würde sie sich eh nicht mit weniger zufrieden geben. Ihre Karriere war ihr wichtig, da paßte ein Date mit einem armen Schlucker nicht ins Bild.

Erstaunlicherweise war er nach dem Essen tatsächlich der Meinung, von der Kochshow etwas gelernt zu haben. Die sollte er sich öfters ansehen, vielleicht könnte er dann bald auch mit einer Pfanne umgehen. Andererseits ging die Zeit dafür wieder von seinen Studien der Comedy ab.
Thilo seufzte und schnappte sich seine Gitarre, um zu üben. Zwar mochte er das Spielen, aber er hoffte dennoch, daß sich sein Programm mit der Zeit von der Musik weg entwickeln dürfte. Witze zu erzählen lag ihm mehr als Musiker zu sein, doch als Offenes Mikro-Sucher hatte er keine andere Wahl als beides zu verbinden.
Als er davon genug hatte schnappte er sich sein Mikrofon, um an seinem Auftritt zu arbeiten. Die richtige Betonung, die Gestik, die scheinbare Spontanität - all das war wichtig, und auch wenn er vor einer Wand übte half das Mikrofon sehr. Seit ein paar Tagen arbeitete er an einem kurzen zusammenhängenden Auftritt, von dem er hoffte ihn nach seiner nächsten Beförderung aufführen zu dürfen.



Mittendrin geriet er ins Stocken. "Hm. Wollte ich an dieser Stelle von dem Geist erzählen oder von dem Eichhörnchen?" Der Blondschopf grummelte und versuchte aus den Notizen auf seinem Handy schlau zu werden. Es half alles nichts, früher oder später würde er sich auch einen einfachen Computer zulegen müssen, um seine Auftritte geordnet aufzuschreiben, zu planen und zu perfektionieren. Er seufzte. Die Rechnungen für sein Haus waren bereits sehr hoch, und sowohl ein Computer als auch ein Doppelbett oder eine bessere Dusche würden sie noch weiter in die Höhe treiben, und er konnte sich eh nur eins davon auf einmal leisten. Für einen kurzen Moment wünschte er sich, er hätte Beryl nie getroffen, denn dann wäre ihm die Entscheidung leichter gefallen. Selbst abgesehen vom Sex war ihr Bett jedoch dermaßen bequem, daß ihm seine eigene harte Pritsche nun noch schlimmer vorkam als sonst. Mal richtig gut zu schlafen wäre nicht schlecht, gerade bei seinem ungewöhnlichen Tagesrhythmus. Aber auch die anderen ersehnten Dinge wären mehr als willkommen.
Es half alles nichts, er mußte sich anstrengen, nach oben kommen und versuchen das Geld für alles relativ gleichmäßig zusammenzukratzen. Zur Not mußte er auswürfeln, was er zuerst anschaffen würde.
Hauptsache Beryl bekam weiter nichts mit, bis er so weit war.

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