Die beiden wechselten aufs Sofa hinüber, und Caleb fiel plötzlich der Fernseher ins Auge. "Oh, du hast einen neuen TV?"
"Ja, ich war den alten leid, das Frühstücksfernsehen war vom Tisch aus kaum zu erkennen. Und jetzt, wo du und Beryl neue Geräte habt, wollte ich auch nicht länger nachstehen. Vermutlich ist er nicht so toll wie eurer, aber..."
"Nein, nein, meine Schwester und ich haben sogar dasselbe Modell!" unterbrach er sie rasch.
"Ach, echt? Dann könnten wir doch mal wieder zusammen einen Film schauen?"

Ihre Frage klang so hoffnungsvoll, daß Caleb prompt ein schlechtes Gewissen bekam, weil er den Fernsehabenden in letzter Zeit ausgewichen war. Er lächelte entschuldigend. "Sicher. Nächste Woche kommt ein weiterer Film mit einem Drachen, wollen wir den anschauen?"
"Oooh, gerne! Ich hab das Comicbuch dazu! Sollte der Film auch nur halb so gut sein wie die Vorlage, dann ist er sehr unterhaltsam!" Ihre Begeisterung war eindeutig echt.
"Du besitzt Comics?" fragte er erstaunt und mußte unwillkürlich daran denken, was der Geek Travis wohl dazu sagen würde, daß seine 'seltsame' Nachbarin eines seiner Hobbies teilte.
"Neuerdings, ein paar! Aber es sind alles dicke Bücher, keine Heftchen wie Simmie Maus und so. Der Film hat also ordentlich Story, die er nutzen kann!"
"Darf ich das Buch einmal sehen?"

"Klar! Hm, wo hab ich den Band nur hingelegt?" Jade zog die Stirn kraus, während ihr Blick nachdenklich durchs Zimmer strich. "Ach, ich erinnere mich! Komm mit!" Sie führte ihn ins Schlafzimmer und bedeutete ihm sich aufs Bett zu setzen. Caleb folgte der Bitte mit verwunderter Miene und sah neugierig zu, wie sie sich auf den Boden kniete und eine flache Kiste unter dem Bett hervorzog, in der sich zwischen einigem Krimskrams wenigstens zwei Dutzend Bücher und Softcover stapelten. Neben mehreren Comics entdeckte der Vampir auch Notenhefte, Magazine mit Rezepten und Lehrbücher über Charme und Reparaturen im Haushalt.

"Meinst du nicht, daß es langsam doch angebracht wäre über ein größeres Bücherregal nachzudenken?" fragte er belustigt und fischte die Schneekugel, die sie damals auf dem Spaßfestival gekauft hatte, zwischen den Romanen heraus, um eine dünne Staubschicht abzuwischen. Er schüttelte sie leicht und sah dem Schneetreiben im Glas zu, wobei er ein wenig Wehmut empfand. Damals hatte Jade ihm zum ersten Mal richtig gute Komplimente gemacht. Das waren noch lustige Zeiten gewesen, doch sie hatten viel zu schnell ein Ende gefunden. Zwar mochte er die gemeinsamen Treffen wieder, seit seine Freundin nicht mehr ständig diese furchtbare Laune hatte, aber sie waren einfach nicht mehr so witzig.

"Weißt du, Caleb, ich möchte dir schon seit längerem etwas sagen", meinte Jade plötzlich und setzte sich mit dem Comic auf dem Schoß neben ihn, wobei ihr Blick auf dem funkelnden Glas ruhte.
Er drehte das Souvenir zwischen seinen Händen. "Nur immer heraus damit."
"Oft vermisse ich den frechen Caleb mit den koketten Sprüchen. Doch gleichzeitig mag ich die Wendung, die unsere Gespräche in letzter Zeit genommen haben, sehr. Es läßt sich wirklich hervorragend mit dem ernsthaften Caleb über tiefsinniges diskutieren."
"So? Welcher Caleb ist dir denn lieber?" fragte er und wunderte sich, ob es auch bei ihr an der Schneekugel lag, daß ihre Gedanken den seinen so ähnlich waren.
"Ich weiß nicht... Sie haben beide ihren Charme, wie ich zugeben muß."
"Schön, daß es dir gefällt", sagte er ruhig und behielt eine neutrale Miene.
"Dir nicht?" hakte sie vorsichtig nach, als sie den ungewöhnlichen Unterton in seiner Stimme hörte.

Der Vampir zögerte mit seiner Antwort. "Um ehrlich zu sein ist der ernsthafte Caleb oft eher ein trauriger Caleb. Ich komme mit dem Kerl nicht immer so gut zurecht." Er schüttelte die Schneekugel erneut und sah den Flocken beim Rieseln zu. "Wie gerne ich ab und an wieder mit dem anderen tauschen würde." Wie oft hatte er damals ignorieren können, daß er ein Vampir war. Jade hatte ihn stets, ohne es selbst zu ahnen, von allen düsteren Gedanken abgelenkt. Seit der Sache mit Lilith und den Ganoven im Modeviertel und dann dem Eklat mit Beryl hatte er wieder häufiger Alpträume, und er hätte sich unheimlich gern von jemandem in den Arm nehmen lassen oder einfach mal wieder einen Abend mit Blödelei und einem zweideutigen Schlagabtausch mit Jade verbracht. Aber er mochte mit seiner Freundin nicht darüber sprechen, da er sie nicht in die Zwickmühle bringen wollte ihn trösten zu wollen ohne dabei körperlichen Kontakt einzugehen. Sie würde ihn umarmen, und anschließend würden sie sich beide schlecht fühlen.

Die Schwarzhaarige sah ihn lange und ernst an, wie er krampfhaft in die kleine Kugel starrte und ihr auswich. Es war sehr selten, daß ihr Freund sich dermaßen öffnete und Einblick in sein Inneres gewährte. Er sah tatsächlich sehr betrübt aus und sie fragte sich, warum ihr das nicht eher aufgefallen war. Angesichts seiner perfekten sozialen Maske und seines stets betont freundlichen Auftretens hatte sie noch nie daran gedacht, daß auch sein Leben vermutlich nicht perfekt war. Was war es, das gerade heute seine sorgsam aufgebaute Fassade bröckeln ließ? Sie hoffte, daß nicht sie der Auslöser für seine gedrückte Stimmung war. Hatte sie heute gegrübelt? Ihn ignoriert? Sich seltsam verhalten? Hoffentlich nicht.
Es bedurfte keiner tieferen Selbstreflektion ihrerseits um zu wissen, wie sehr sie ihn ebenfalls vermißte. Den frechen Caleb mit den blitzenden Augen, der nach jedem unanständigen Spruch die Hände in die Luft warf und unschuldig tat, wenn sie ihn in die Ecke schickte. Und die Umarmungen des lustigen und umsichtigen Caleb.
Außerdem wurde ihr soeben klar, wie egoistisch ihr Handeln war. Immer dachte sie nur daran, was sie ertragen konnte. Aber was war mit ihm? Jade hatte den Eindruck, daß ihr Freund nicht immer so stark war wie er tat, sondern selbst auch manchmal Trost in einer Umarmung suchte, die auf den ersten Blick nur freundlich wirkte.

Egal, wie sehr sie es bei jedem Treffen versuchte - trotz seiner tapferen Bemühungen, ihrer Bitte zu entsprechen und ihr nicht zu nahe zu kommen, verebbten die bittersüßen Gefühle in ihr kein bißchen. Im Gegenteil, sie liebte ihn immer mehr, seit sie auch über so viele ernste Dinge sprachen. Daß er sich die Umarmungen zurückwünschte nährte in ihr die unkluge Hoffnung, daß er sie vielleicht tatsächlich ein wenig so mochte, wie sie es sich ersehnte, und immer wenn er davon sprach, mit Beryl gesprochen oder sie getroffen zu haben, wurde sie irrational eifersüchtig, weil sie wußte, daß ihre Bekannte ihn wollte und so viel Erfahrung darin hatte zu bekommen, was sie begehrte.
Jade blieb nur noch eine Möglichkeit - doch noch ins kalte Wasser zu springen und ihm ihre Gefühle zu gestehen, und danach entweder einen Freund zu verlieren oder eine Beziehung zu beginnen. Noch hatte sie jedoch nicht den Mut gefunden es ihm zu sagen, beziehungsweise immer dann, wenn sie gerade ihren ganzen Mut zusammengekratzt hatte, verabschiedete Caleb sich plötzlich, als würde er etwas ahnen. Vielleicht sollte sie zunächst doch den alten Status Quo wieder herstellen, um ihm erneut näher zu kommen und ihre Begegnungen nicht mehr so... seltsam zu machen.

"Okay", sagte sie schließlich schlicht.
"Hm?" Er schreckte aus seinen eigenen Gedanken auf.
"Sag dem frechen Caleb, daß er zurückkommen darf. Meine Grenzen... gelten nicht mehr."
"Jade..." Ihr Freund sah sie seltsam an. "Wieso sagst du das?"
Sie rutschte ein wenig unbehaglich herum und suchte nach den richtigen Worten, um ihren Entschluß nicht wie eine billige Ausrede klingen zu lassen. "Summer umarmt mich inzwischen auch, weißt du. Und ich glaube, Travis wird das auch irgendwann tun, so wie er auch Summer und Liberty zur Begrüßung drückt. Auch wenn er mich eigentlich nicht sehr zu mögen scheint. Das werden sie mit dir auch so handhaben, sobald du sie mehrmals getroffen hast. Ich käme mir reichlich blöd vor, wenn alle anderen dich so grüßen und ich mich als einzige quer stelle."
"Du mußt dich nicht der Herde anschließen wegen mir", meinte er eindringlich und schnaubte leise, doch Jade schüttelte den Kopf. "Die Sache ist die... Von Summer will ich gar nicht umarmt werden. Von dir aber schon. Du bist mein liebster Freund."

Der Vampir legte die Schneekugel zurück und sah seinem Gegenüber in die Augen. Der plötzliche Sinneswandel kam ihm ein wenig spanisch vor, und sie schien sehr verlegen. "Darf ich dich etwas sehr persönliches fragen?"
"Natürlich, Caleb." Das Herz pochte ihr bis in den Hals und ihre Wangen schienen zu glühen.
"Hat derjenige, dem du dein Herz geschenkt hast, dich abgewiesen, so daß dir deine Grenzen nicht mehr wichtig sind?" fragte ihr Vertrauter sanft und mit deutlicher Besorgnis.
"Ich hab dir doch gesagt, daß es diesen Jemand nur in der Zukunft gibt!" sagte sie trotzig und ärgerte sich ein wenig darüber, daß schon wieder dieses Thema aufkam.

Caleb schüttelte den Kopf. "Das sagst du zwar, ich bin mir jedoch nicht sicher, ob ich es glaube. Wenn es kein Mann ist, was beschäftigt dich dann so sehr in den letzten Wochen? Du bist so oft abwesend und traurig."
"Das bildest du dir nur ein, Caleb Vatore."
"Nein, das tue ich ganz sicher nicht", beharrte er. Diesmal, wo er sie in der Ecke hatte, würde er sich nicht so einfach abspeisen lassen. Wenigstens den einen Nutzen mußte der ernste Caleb doch haben. "Das ist nicht nur Streß von der Arbeit. Da ist so viel Sehnsucht und Kummer in deinen Augen, daß es manchmal kaum zu ertragen ist."
"Selbst wenn es so wäre - und ich sage dir, daß es nicht so ist - gäbe es wohl kaum etwas, das du deswegen tun könntest, oder?"
"Wir sind Freunde, Jade. Ein Freund hört sich die Sorgen des anderen an und spendet Trost."

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