Am Sonntag war Jade bereits sehr früh wach. Die Geschehnisse des Vortags ließen sie einfach nicht los. Es tat ihr leid, daß sie Caleb derart angefahren hatte, aber er hatte ihre Nerven völlig zerrüttet. Nachdem die Wirkung des verfluchten Tees nachgelassen hatte war ihr alles peinlich gewesen, was sie an dem Abend gesagt hatte. "Warum konnte er nicht vorher zugeben, daß er Romantik nicht ausstehen kann? Es hätte auch noch andere Orte mit Laternen gegeben."
Immerhin wußte sie nun, daß sie vollkommen chancenlos war, was auf brutale Weise tröstlich war. Vielleicht konnte sie nun heilen. Sie seufzte und blätterte ein wenig die lokalen Neuigkeiten auf ihrem Handy durch. Auf einmal stieß sie auf etwas interessantes.
"Das klingt doch nach einer guten Möglichkeit um zu sehen, ob wir uns wieder vertragen können." Sie war der Meinung, daß sie ein Wiedersehen nicht lange hinauszögern sollte, damit sie gar nicht erst damit anfangen konnte ihm irgendetwas länger nachzutragen oder Blockaden aufzubauen. Außerdem wollte sie testen, ob ihr seine Gesellschaft ohne ständige Komplimente und Umarmungen leichter fiel. Kurzentschlossen rief sie ihren Freund an und nahm all ihre Willenskraft zusammen, um fröhlich zu klingen.
Er nahm erst nach mehrmaligem Klingeln ab, was nicht seiner Art entsprach, und Jades Herz klopfte ihr schon bis in den Hals vor Sorge, daß er nichts mehr mit ihr zu tun haben können wollte. "Ja?" kam es etwas gehetzt aus dem Lautsprecher.
"Hey Caleb, hier ist Jade", grüßte sie vorsichtig und hörte ein Seufzen am anderen Ende.
"Hallo, Jade. Was kann ich für dich tun?"
"Ich habe gerade gesehen, daß einer meiner Lieblingsromane verfilmt wurde und im Willow Creek Kino läuft. Wie wäre es, wenn ich dich einlade, um mich für mein Verhalten von gestern Nacht zu entschuldigen?" Sie gab sich so gut gelaunt wie sie konnte, was relativ einfach war, da sie den Film wirklich gerne sehen wollte, aber auch vorsichtig zerknirscht, um ihn wissen zu lassen, daß es ihr leid tat.
Es war kurz still in der Leitung. "Du willst ins Kino?"
"Wenn du mitkommen magst würde ich mich sehr freuen. Ich verspreche auch, es geht nicht um Kapitän Rosa Rüschen!" Jade lachte, und ihr Freund stimmte tatsächlich leise mit ein.
"An welche Vorstellung hattest du denn gedacht, Jade?"
"Wann paßt es dir am besten? Natürlich würde ich am liebsten heute gehen, um den Drachen zu sehen, aber ich kann auch ein paar Tage warten, wenn es dir lieber ist."
"Ein Drache? Na, den sollten wir nicht zu lange warten lassen!" Nun klang er interessiert. "Um wieviel Uhr läuft die Abendvorstellung?"
"Hier in Willow Creek eine um 18 und eine um 22 Uhr, wobei die mir zu spät wäre. Habt ihr ein Kino in Forgotten Hollow?"
"Nein, nein, 18 Uhr in eurem Filmpalast klingt perfekt!"
"Also heute abend schon? Prima! Hab ich dich gerade eigentlich bei etwas gestört?"
"Meine Schwester scheucht mich nur herum. Wir bauen unseren neuen Fernseher auf."
"Ah, ich verstehe. Da will ich nicht länger stören! Wir sehen uns vorm Kino! Grüß Lilith schön von mir, ja? Bis später, Caleb!"
"Das werde ich gerne tun. Bis später, Jade." Caleb legte auf und starrte sein Handy an. Seine Schwester sortierte gerade die Kabel für den TV und studierte die Aufbauanleitung. "Was ist los?" fragte sie mit hochgezogener Braue. "Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen." - "Ich... soll dich von Jade grüßen." - "Geschenkt." Sie schnaubte und bastelte weiter an den Anschlüssen, um die mitgelieferte DVB-T Antenne zum Laufen zu bekommen. "Das Menschlein hat dich gestern sehr geärgert, oder?" - "Wie kommst du darauf?" fragte er ausweichend und begann die verstreuten Verpackungsmaterialien aufzuklauben und sie in den leeren Karton zu stopfen, um sie später zur Mülltonne zu bringen.
Seine Schwester grinste nur fies. "Na, bei deiner Laune, als du nach Hause kamst..."
"Ach, ist schon gut." Mit einem Seufzen ließ er sich auf der Couch nieder. "Erst war ich wütend, ja, aber wenn ich ehrlich bin war ich alles andere als unschuldig an dem Fiasko." - "So?" - "Ich kann dir nur raten, niemals auf das Romantikfestival zu gehen, Lilith. Es macht Vampire zu Monstern und Menschen zu Drogenzombies." - "Romantikfestival?!" schnaubte sie und saß kerzengerade. "Soll das etwa heißen, daß zwischen dir und dieser Jade doch etwas läuft?!"
"Mitnichten!" - "Und weiß sie das auch?" - "Wie meinen?" fragte er verwundert.
"Na, dein Menschlein - weiß sie, daß du nichts von ihr willst?"
"Unsere Beziehung ist platonisch, in dem Punkt herrscht Einigkeit."
"Ah ja? Wer von euch wollte denn auf dieses Festival? Du oder sie?"
"Zugegeben, sie. Aber schon seit vielen Wochen und nur wegen der Laternen, die ich ihr angepriesen hatte." Er lachte bei dem Gedanken, daß es anders gewesen sein könnte. Zugegeben, Jade hätte unter dem Einfluß des Tees womöglich noch die wildesten Dinge getan, die sie später bereut hätte, aber was sie gesagt hatte trug er ihr nicht wirklich nach. Nichts davon war echt gewesen, so wie keine Sache auf diesem Festival echt war.
Lilith verzog angewidert das Gesicht und zeigte mit dem Schraubendreher auf ihn. "Laternen, sicher. Jede Wette, daß sie darauf gewartet hat, daß du den ersten Schritt machst."
"Schwester, sie hat mir gestern im Gegenteil verboten sie je wieder zu umarmen, und außerdem denkt sie neuerdings ich sei homosexuell", seufzte er, woraufhin seine Schwester spontan Tränen lachte. "Schwul? Du?! Bwahahaha!" Sie mußte das Werkzeug hinlegen, um sich mit beiden Händen die Augen zu putzen, aber das Lachen wollte nicht aufhören. "Ausgerechnet du! Teufel auch, wenn die wüßte..."
"Bist du bald fertig?" fragte er leicht genervt, als sie nicht aufhörte zu kichern. Sie machte eine einlenkende Geste, wischte noch einmal Lachtränen weg und nahm wieder den Schraubendreher zur Hand. "Hat das wasserfeste Make-up doch mal was gebracht... Weißt du, Bruder, ich hab ja nicht viel Ahnung von den Menschen, aber das klingt genauso wie die Sprüche, die Dorothee von der Lind und ihre Freundinnen damals immer drauf hatten", meinte sie belustigt und sprach damit eine Vampirin an, die sie vor etwa 100 Jahren gekannt hatten und mit der Lilith recht gut befreundet gewesen war. "Immer, wenn ein Graf nichts von ihr oder einer ihrer Freundinnen wissen wollte, meinten sie kollektiv, er stehe bestimmt auf Männer. Ein 1A Abwehrmechanismus gegen Herzschmerz."
"So ist das bei Jade aber nicht", verteidigte er seine Freundin automatisch, konnte den Gedanken aber nicht gleich ganz von sich schieben. Die Vorstellung war, gelinde gesagt, verstörend.
"Klar, bei deiner Jade ist es gaaanz anders!" Die Vampirin grinste wölfisch. "Wenn du dich in deiner Ehre gekränkt fühlst setz deinen Vampircharme ein und zeig ihr, wie die Dinge richtig liegen."
"Lilith!"
"Dann halt nicht, es war ja nur ein Vorschlag. Die Verkabelung ist so weit. Hilf mir, den Fernseher auf den Tisch zu stellen, und dann wird sich zeigen, ob wir in diesem Tal Empfang haben."
Jade beschloß, daß es an der Zeit war ihre E-Gitarre auszuprobieren. Sie nahm sie aus dem Ständer und legte den Gurt um. Das Instrument war schwer, lag aber hervorragend in der Hand. Die Marke nannte sich 'Kreischgitarre des Sensenmanns' und hatte dementsprechend einen aufmodellierten Totenkopf mit Hörnern und Flammen als Motiv. Seltsamerweise glühten die Augenhöhlen des Schädels manchmal rot, obwohl es keinen Schalter dafür gab. Hoffentlich war das kein Batteriefresser.
Die junge Frau spielte die ersten Akkorde und war vom Klang begeistert. "Wow, das ist echt nicht schlecht!" Sie begann eins ihrer Lieblingslieder zu spielen, dann noch eins und ein weiteres. Die Musik war Balsam für ihre Seele, und Jade gab sich ihr wie üblich ganz hin.
Bis zu ihrer Verabredung hatte sie noch viele Stunden. Jede Menge Zeit, sich abzureagieren.
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