Die letzten Tage hatten sich quälend langsam hingezogen, doch nun war es endlich Dienstag! Jade hatte am Wochenende versucht sich über Opern schlau zu machen und sich heute früher frei genommen, um sich für den Abend schick zu machen und satt und erfrischt aufbrechen zu können. Sie war wahnsinnig aufgeregt, weil sie nicht wußte, was sie erwartete. Den Namen des Stücks hatte sie zwar im Programm der Oper nachschauen können, und sie hatte sich in die Geschichte eingelesen, die sie natürlich rudimentär bereits vorher gekannt hatte. Trotzdem konnte sie sich noch überhaupt nicht vorstellen, wie es in der Oper wäre.
Als es klopfte griff sie sich aufgeregt ihre Handtasche und eilte zur Tür, so schnell es in ihrem Abendkleid eben ging. Sie war fast so aufgekratzt wie vorm Konzert der Lemontrees und sehr gespannt auf den Abend.
Nachdem Caleb bei Jade geklopft hatte, um sie abzuholen, und sie ihm öffnete, mußte er zunächst ein zweites Mal hinschauen. War das wirklich seine Jade Sparkle?! Ihr Kleid war umwerfend! Es war aus rosafarbenem Satin, schulterfrei und extrem figurbetonend. Wie eine zweite Haut umschmeichelte es ihre Kurven, weitete sich erst auf Höhe der Knie wie der Schwanz einer Meerjungfrau und strich beim Gehen fast über den Boden. Die Vorderseite war auf ganzer Höhe mit unzähligen schillernden Pailletten bestickt. Dazu trug Jade lange, weiße Handschuhe und eine unaufdringliche Kette mit violetten Steinen. Außerdem hatte sie sich erneut für Kontaktlinsen entschieden und eher dezentes Make-up aufgelegt, das dennoch kräftiger war als ihre übliche Schmink-Routine.
Nur ihre Zöpfe störten das Bild der klassischen Dame, doch das hatte sich sicher nicht auf die Schnelle ändern lassen, und es blitzten dennoch Ohrringe dazwischen hervor.
"Guten Abend, Caleb! Nun, was meinst du? Ich finde es ein wenig zu bombastisch, aber die Verkäuferin meinte, das trägt man heute wieder so."
"Jade, ich weiß, du möchtest keine Komplimente hören, aber ich muß es einfach sagen: du wirst die schönste Frau in der ganzen Oper sein! Am liebsten möchte ich der Verkäuferin, die dich davon überzeugt hat, Blumen schicken zum Dank!"
Jade öffnete den Mund, um etwas zu sagen, vermutlich um ihn zurechtzuweisen, doch sie überlegte es sich anders und schüttelte nur verlegen lächelnd den Kopf. "Vielen Dank, Caleb. Aber wenn ich das sagen darf: du siehst auch blendend aus! Du bist ja immer schick, aber das ist eine Klasse für sich!"
"Ach, das ist doch nur meine Ausgehkleidung!" wehrte er mit einer lässigen Geste ab. "Für einen Frack erschien mir das hiesige Opernhaus nicht exklusiv genug, aber hätte ich gewußt, was für eine Weltklasse-Diva heute an meiner Seite ist, hätte ich mich selbstverständlich auch mehr in Schale geworfen! Verzeih, daß ich nun schäbig aussehe neben dir." In der Tat hatte sich auch der junge Mann dem Anlaß entsprechend herausgeputzt. Heute trug er schlichtere Hosen ohne all die goldenen Ketten, und er hatte auch die Stiefel gegen moderne Lederschuhe getauscht. Vor allem aber trug er sein Jackett nur lose über dem Arm, falls es später kalt würde. Unter einer eleganten, dunkelbraunen Weste mit einer goldenen Taschenuhr trug er ein weinrotes Hemd, welches ein schwarzes Blattmotiv aus Samt und Abnäher aus schwarzem Leder zierten. Nur den Eyeliner hatte er sich auch heute nicht nehmen lassen.
Jade merkte, wie sie unwillkürlich ins Träumen geriet, und riß sich rasch zusammen. "Du siehst keineswegs schäbig aus, das weißt du! Aber du besitzt wirklich einen Frack? Nicht nur einen Anzug, einen echten Frack?" fragte sie ungläubig, woraufhin er jungenhaft grinste. "Natürlich! So wie du nun ein Abendkleid besitzt!" - "Wenn dir der Frack zu schick war, bedeutet das, ich hätte doch eher mein Partykleid tragen sollen? Es erschien mir etwas zu kurz für den Anlaß. Bin ich etwa doch zu fein angezogen?" fragte sie besorgt und nahm seine Hand, die er ihr galant reichte, um ihr in dem ungewohnt langen Kleid mit der Treppe zu helfen.
"Ach, iwo! Dazu hätte es noch mindestens einer Stola, einem Dutzend Diamanten und eines Diadems bedurft!" lachte er.
Sie schüttelte sich kichernd. "Dann hab ich ja nichts zu befürchten!"
"Du bist in der Tat auf der sicheren Seite, atemberaubend, doch nicht übertrieben." In seinen Augen funkelte es vergnügt, doch Jade bildete sich ein, auch ein bißchen Bewunderung zu sehen. Das machte sie unsicher. Sollte sie ihre eigenen Gefühle nun auf ihn projizieren und sich das einbilden wäre das schlimm, und wenn es echt war wußte sie nicht, wie sie damit umgehen sollte. Ein bißchen Sorgen um ihn machte sie sich auch, denn er erschien ihr heute noch ein wenig blasser als sonst, trotz seiner hervorragenden Laune. Sie ließ sich aber nichts anmerken. Vielleicht hatte er etwas gegessen, von dem ihm unwohl war. Darüber redete ja keiner gern, und er war fröhlich und ausgelassen ihr gegenüber, also brauchte er offenbar keine Schulter zum Ausweinen. Die beiden plauderten über ihr Wochenende, wobei herauskam, daß Jade nur musiziert und Caleb sich mit so ziemlich jedem getroffen hatte, den sie kannten. Er erzählte ihr von Videospielen, nächtlichem Joggen und Raketen auf dem Spaßfestival und sie ihm von einem Livekonzert, das sie im Fernsehen angeschaut hatte.
Sie nahmen ein Taxi zur Oper, um nicht in der Bahn aufzufallen wie bunte Hunde, und mußten am Eingang auch nicht lange anstehen, da Caleb die Karten bereits dabei hatte. Bald schon betraten sie den pompös geschmückten Opernsaal, über dem ein gewaltiger Kronleuchter blitzte und blinkte. Der Saal war bereits etwa zur Hälfte gefüllt, und alle trugen ihren besten Zwirn zur Schau. Jades Fantasie galoppierte ihr förmlich davon, während sie im Vorbeigehen all die feinen Damen und Herren beobachtete. Hätte sie nicht einige Gesichter sogar aus der Nachbarschaft gekannt hätte sie annehmen können, plötzlich in einem Jane Austsim Roman gelandet zu sein. Ungewöhnlich war es offenbar nicht, ab und zu die Oper zu besuchen, und zu ihrer Erleichterung war sie tatsächlich nicht zu fein angezogen, sondern genau richtig.
Caleb hatte Karten für eine kleine Privatloge, und als sie dort Platz genommen hatten sah Jade ihren Freund unangenehm berührt an. Sie dämpfte die Stimme, um niemanden zu stören.
"Caleb, der Eintritt muß ein Vermögen gekostet haben, gerade für diese Plätze! Bitte laß mich meine Karte selbst bezahlen, ja? Es ist nicht richtig, von dir so teure Geschenke anzunehmen." - "Das ist nicht nötig, Jade!" wehrte er ab, doch sie wollte das nicht so hinnehmen. "Doch, ist es!" - "Ist es nicht, und zwar, weil ich gar nichts für die Karten bezahlt habe!" Der Vampir grinste, während sie verwirrt war. "Eh? Du hast sie umsonst bekommen?" - "Richtig, als Aufmerksamkeit des Operndirektors, der bei uns Kunde ist. Solche Zuwendungen als Werbung sind nicht ungewöhnlich. Im übrigen sind Opernkarten gar nicht viel teurer als ein Konzert oder Theater, denn die Stadt subventioniert fast alle Kulturveranstaltungen. Wußtest du das nicht?" - "Nein, aber es beruhigt mich, daß wir somit ein halbes Jahr Freundschaft so stilvoll feiern können." Die Erleichterung war ihr deutlich anzusehen.
"Ein halbes Jahr? Du mußt dich verrechnet haben, es muß viel länger sein, daß wir uns kennen!"
Er sah sie glücklich an, und Jade zog verschämt die Schultern hoch, ehe sie fragte: "Wollte deine Schwester denn nicht mit dir herkommen?" - "Lilith? Unter uns - sie haßt die Oper. Damals, in Simsterdam, war da diese..." Er verstummte, als ihm einfiel, daß die unangenehme Begebenheit rund 120 Jahre her war und er etwas derartig unappetitliches nicht ohne weiteres in solch exquisiter Umgebung erzählen konnte. Zudem, Vampir oder nicht, über sein Alter wollte er gerade nun wirklich nicht reden. "Ähm, die Details sind etwas pikant. Belassen wir es dabei, daß Lilith dir die Karte nur zu gern überlassen hat."
Jade blinzelte. Die beiden waren mal in Simsterdam gewesen? Das interessierte sie sehr, aber sie wollte nicht neugierig nachbohren, nachdem Caleb die Geschichte nicht zu Ende erzählen wollte. Wie passend, angesichts des Stücks, das sie sich heute ansehen würden.
"Dann lade nächstes Mal ich dich in die Oper ein." - "Ich schlage vor, wir warten zunächst ab, wie dir das Stück gefällt. In einem Musical waren wir schließlich auch noch nicht, vielleicht sollten wir uns zunächst ein solches vornehmen. Oder ein klassisches Konzert?" - "Woher kommt plötzlich deine Musikbegeisterung?" wollte sie mißtrauisch wissen, lächelte aber bei der Frage.
"Ich bitte dich, Jade, wer könnte Musik nicht mögen? Um jedoch der Wahrheit die Ehre zu geben, dein wunderbares Gitarrenspiel hat mich dazu inspiriert." - "Hm, solltest du je den Drang verspüren deine Musikleidenschaft wieder einzumotten kannst du mir beim Üben auf meiner neuen Geige zuhören. Der reinste Katzenjammer!" - "Oje, so schlimm?" - "Noch viel schlimmer, glaub mir! Bislang quäle ich das Instrument sehr, aber ich habe mich in der Kasbah Galerie für einige Anfängerstunden angemeldet und mir auch ein Lehrbuch gekauft." - "Noch ein Ort, an dem wir bislang nicht waren! Wie ich hörte kann man dort in kleinem Rahmen Aufführungen lauschen. Ich bin sehr beeindruckt, wie ernst du die Musik nimmst. Du..."
Das Licht wurde gedimmt, und er verstummte, leicht verstimmt über das schlechte Timing. Gerade jetzt, wo er sie so wunderbar auf ihre Karriere hätte ansprechen können!
Der schwere Samtvorhang zur Bühne öffnete sich und gab den Blick frei auf das Bühnenbild, mit dem der Fliegende Hollsimmer begann. Das Orchester begann zu spielen und die ersten Sänger betraten die Bühne.
Die beiden Freunde machten es sich in ihren gepolsterten Sitzen gemütlich und genossen die Aufführung.
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