"Ich brauche keine Schulter zum Ausheulen, Caleb. Die Arbeit ist einfach so anstrengend, das ist alles", blockte sie ihn ab, erschrocken darüber, sich so auffällig verhalten zu haben, daß er selbst zu grübeln begonnen hatte.
"Das kann doch nicht alles sein..."
"Dann fehlen mir vielleicht einfach deine Umarmungen, und ich kann den Streß deshalb nicht hinter mir lassen! Freu dich doch, daß alles wieder beim alten ist!" Sie bemühte sich glücklich auszusehen. "Und du spendest mir bereits Trost, mein lieber Vampir! Der Caleb, den du als so traurig bezeichnest, hat mir ganz neue Seiten an dir aufgezeigt, die ich sehr, sehr schätze. Wir hatten so viele faszinierende Gespräche in letzter Zeit, die ich für nichts in der Welt missen wollen würde!"
Die Lippen des Vampirs wurden schmal. Er glaubte ihr nicht, daß dieses Verhalten allein durch Streß von der Arbeit ausgelöst worden sein sollte, aber er konnte sie nicht zum Reden zwingen, auch wenn er sie am liebsten an den Schultern gepackt und geschüttelt hätte. Was blieb ihm anderes übrig, als ihr weiter Zeit zu geben?
Er lächelte zurück. "Danke, Jade. Natürlich bin ich froh, dich wieder umarmen zu dürfen, und daß ich dir wenigstens ein bißchen helfen kann mit meinem Geplapper."
"Du ahnst gar nicht, wie sehr ich dein sogenanntes Geplapper zu schätzen weiß." Sie berührte ihn sanft am Arm. "Aber was ist mit dir? Magst du mir erzählen, wieso du traurig bist?"
"Lieber nicht, Jade."
Jades Augen weiteten sich erschrocken, als er nicht einmal abstritt bedrückt zu sein. "Warum nicht?"
"Aus denselben Gründen, die du für dein Schweigen anführst. Du kannst mir nicht dabei helfen. Es muß dir genügen zu wissen, daß auch ich mich bereits durch unsere Freundschaft besser fühle."
Die junge Frau war sich nicht ganz sicher, ob das eine Retourkutsche von ihm war. Bislang hatte sie immer den Eindruck gehabt, daß er sich um Offenheit bemühte, aber seine Erklärung erschien ihr nun sehr abgehackt. "Bist du sicher?"
"Es tut mir leid es angesprochen zu haben, ich wollte dich nicht in Sorge versetzen. Manchmal... bin ich einfach zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Es muß dich wirklich nicht kümmern."
"Okay... Aber falls du doch mal ein offenes Ohr brauchst, dann denk an mich, ja? Ich bin nicht zu gestreßt, um dir zuzuhören, wirklich nicht!"
"Na schön, Jade Sparkle. Darf ich dann jetzt den Comic sehen?"
"Hm... Ich weiß nicht. Willst du dir wirklich im Voraus den Film verderben?" fragte sie frech, zweifellos um die Situation aufzulockern.
"Das ist nicht fair, du kennst das Buch schon und ich darf nicht schauen?!" ging er auf ihr Spiel ein.
Jade blätterte den dicken Band durch. "Ach herrje! Ich hab ja ganz die Nacktszenen vergessen! Das kann ich dir nun wirklich nicht zeigen, noch dazu in meinem Schlafzimmer!"
"Dir ist klar, daß ich das Buch jetzt erst recht sehen möchte, ja?"
"Du Lüstling!" Sie grinste, was er erwiderte. "Von wegen, ich will nur überprüfen, was Jade Sparkle mit roten Ohren unter der Bettdecke liest!" Caleb griff nach dem Buch, doch sie wandte sich ab und drückte es an ihre Brust. "Das hättest du wohl gern!"
"Genau das sage ich ja!" rief er und versuchte es ihr zu entwinden.
"Whoa! Ich glaube nicht, daß ich einen solchen Film mit einem Wüstling wie dir ansehen sollte!" wehrte sie nicht ganz ernsthaft ab und krümmte sich, woraufhin er anfing sie zu kitzeln, um die Deckung zu durchbrechen.
Jade lachte unfreiwillig und versuchte ihm zu entkommen, doch beim Versuch aufzustehen rutschte sie prompt auf ihrer Bücherkiste aus und kippte mit einem erschrockenen Aufschrei zurück aufs Bett. Instinktiv fing Caleb sie auf und fiel mit ihr um, da sein Arm unter ihr aufkam. Die junge Frau landete weich auf der Matratze und blieb kichernd und heftig atmend liegen. Insgeheim genoß sie den kurzen Moment, in dem sie ihn warm in ihrem Rücken spürte und förmlich von ihm umarmt wurde.
Der Vampir richtete sich auf, so gut es ging, und fragte erschrocken: "Ist alles in Ordnung?"
"Mhmmm!" Sie giggelte immer noch.
"Dich zu kitzeln ist wirklich brandgefährlich! Das sollte ich mir endlich merken. Entschuldige bitte, Jade."
"Ist schon gut." Sie drückte sich so weit hoch, daß er seinen Arm befreien konnte, und rollte sich dann auf den Rücken, um ihn anzusehen, wodurch sie ihm noch näher kam. Ihre Augen blitzten, feucht vom Lachen.
Als sie ihn nur stumm und auf unbestimmte Weise erwartungsvoll ansah wurde dem Mann bewußt, wie nah sie einander plötzlich wieder waren. Das gefiel ihm zwar, doch was war das im tiefen Braun ihrer Augen? Wieso sah sie ihn erneut so an, als warte sie nur darauf ihm zu gehören?
Er warf einen kurzen Blick zum Fenster. Draußen hatte es zu dunkeln begonnen. Er hatte heute noch nichts getrunken. Waren wie nach der Oper sein Durst und der verfluchte Vampircharme die Auslöser? Was stimmte in letzter Zeit nicht mit ihm, daß die Schwarzhaarige seinem Zauber zu unterliegen begann? Der Vampir hatte nicht vor von ihr zu trinken, das mußte doch langsam zu seinem Unterbewußtsein durchdringen. Oder beeinflußte er sie tatsächlich wegen Beryls dummer Anmerkungen?
Ruckhaft setzte er sich auf und schnappte sich dabei den Comicband, der ihr entglitten war, um sich abzulenken. "Wollen wir doch mal sehen, was Jade Sparkle derart die Schamesröte ins Gesicht treibt, daß sie es verstecken will."
"Nur zu", lachte sie vergnügt, "Aber ich warne dich gleich: es ist nur der Mann, der ständig nichts an hat."
"So? Das erklärt endgültig, wieso du das Buch unter deinem Bett lagerst. Jade Sparkle steht auf blanke Männerpos, ich verstehe", neckte er sie weiter, während er übertrieben forschend das bunte Buch durchblätterte. Seine Freundin sah ihm schmunzelnd dabei zu. "Für den Film haben sie ihm mehr angezogen, damit sie den teuren Schauspieler auch mal von vorne zeigen können, habe ich gelesen."
"Sehr zu deinem Bedauern?"
Sie lachte. "Nein, wirklich nicht! Selbst im Comic hätte das Adamskostüm nicht sein müssen, obwohl es für viele urkomische Situationen zwischen den beiden Hauptfiguren sorgt, die im Film vermutlich verloren gehen werden. Aber der Drache und der Urwald sind genial gezeichnet, und die Feen sind super witzig!"
Caleb beobachtete sie aus den Augenwinkeln und schaffte es dennoch, sich in den Zeichnungen zu verlieren. Insofern die Filmstudios nichts grundlegendes verändert hatten stand ihnen ein Liebesfilm vor exotischer Kulisse bevor, mit einem sarkastischen Drachen, einigen Feen und zwei menschlichen Helden, die sich selbstredend am laufenden Band stritten bis zu ihrer spontanen Einsicht sich zu lieben gegen Ende der Geschichte. Das war so wenig überraschend, daß es kaum als Spoiler bezeichnet werden konnte, also trübte es nicht die Vorfreude auf den Film.
Als Jade sich endlich wieder ins Sitzen hocharbeitete und dabei ein wenig Abstand zwischen sich und ihn brachte, sah der Vampir vom Comicbuch auf.
"Und?" fragte sie, "Schauen wir uns den Film noch an oder schreckt dich die Geschichte ab?"
"Natürlich sehen wir ihn uns an! Du weißt doch, wie sehr ich Liebesgeschichten mag."
"In Ordnung. Ich glaube, er läuft am Donnerstag Abend."
"Hervorragend", meinte er ohne rechte Überzeugung. Eigentlich war ihm gar nicht mehr wohl bei dem Gedanken abends mit der jungen Frau zusammen zu sein, solange er seine Vampirkräfte nicht recht im Zaum hatte, noch dazu mit einer Romanze. Caleb hatte noch keine Idee, wie er weitere Entgleisungen vermeiden sollte. Doch einfach grundlos abzusagen wäre auch nicht recht gewesen. Für den Fall, daß er sich während des Films verabschieden mußte, sollte er vorher noch etwas schönes mit ihr unternehmen. Am Tag. "Hast du morgen schon etwas vor, Jade?"
"Auf einem Sonntag? Außer Wäsche zu waschen und etwas Geige zu üben nicht, nein. Wieso fragst du?"
"Wie wäre es, wenn wir morgen in den Park gingen?"
"Meinst du den Stadtpark von Willow Creek oder den von Oasis Springs? Oder hat gar Forgotten Hollow auch einen Park?"
"Den von Willow Creek, versteht sich. Oasis Springs ist ja teilweise sehr malerisch, aber deren Park ist mir definitiv zu sandig. Was Forgotten Hollow angeht... unser Park ist nicht gerade eine Augenweide, und zudem derart winzig, daß man ihn in fünf Minuten umrunden kann."
"Okay... meinetwegen können wir gerne gehen, aber wie kommst du plötzlich darauf?"
"Euer Park soll sehr schön sein, und wir könnten dort vor netter Kulisse Schach spielen. Wäre das nicht eine willkommene Abwechslung zu deiner Veranda?"
"Gut, wenn du so darauf aus bist mich mal wieder in Grund und Boden zu spielen, dann machen wir das so."
"Darf ich dich daran erinnern, daß nicht immer ich gewinne?"
"Uh-huh! Ich bin mir sicher, daß du mich gewinnen läßt."
"Das tue ich nicht! Dazu bin ich viel zu ehrgeizig!" rief er und lachte ungläubig.
"Ach so!" Die junge Frau grinste. "Wann sollen wir uns denn treffen?"
"Paßt dir der frühe Nachmittag oder bringt das deine Pläne fürs Mittagessen durcheinander?"
"Das ist mir recht. Zur Not flitze ich zwischendurch schnell in den Supermarkt in der Nähe und grille mir etwas im Park."
"Das klingt nett. Also, halb zwei?"
"Einverstanden!" Jade lehnte sich zu ihm hinüber und umarmte ihn.
Caleb wußte nicht recht, wie er reagieren sollte. Einerseits schrie alles in ihm danach die Geste zu erwidern, andererseits hatte er erneut etwas in ihrem Blick aufblitzen sehen, das ihm Sorgen bereitete. Vorsichtig legte er die Hände auf ihren Rücken. Als Jade wieder von ihm abrückte glaubte er flüchtig etwas feuchtes auf seiner Wange zu spüren, doch das waren sicher nur die letzten Lachtränen. Es wurde Zeit zu gehen. "Ich muß jetzt los, Jade. Danke für den schönen Tag, und bis morgen!"
"Bis morgen, Caleb." Sie sah ihm hinterher und er hätte schwören können, daß sie enttäuscht dreinblickte.
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