Es klopfte. Jade war sofort gestreßt. Es war noch heller Nachmittag, also wer konnte das sein? Sie spielte nicht laut, schon gar nicht so laut, daß man es draußen hätte hören können und ein Nachbar Grund zur Beschwerde gehabt hätte. Hoffentlich war es nicht Summer. Sympathisch oder nicht, die konnte sie nur in Maßen genießen und sie war ihr bereits einmal abends in die Arme gelaufen auf dem Rückweg von der Arbeit.
Mit einem Seufzen stellte die junge Frau die Gitarre zur Seite und zupfte die Ärmel ihres Pullis zurecht. Es half nichts, sie mußte nachschauen. Vielleicht war es wichtig.
Erstaunt stellte sie fest, daß es Caleb war, der da bei schönstem Sonnenschein auf ihrer schattigen Veranda stand. Sie machte sich erfreut auf den Weg zur Tür und ertappte sich dabei zu denken, daß er ja doch kein Vampir war. 'Natürlich nicht! Vampire gibt es schließlich nicht.' Sie schüttelte den Kopf über ihre seltsamen Gedanken. Wie kam sie bloß auf diesen Unsinn? Nur weil er aussah, als käme er aus einem anderen Jahrhundert, im Dunkeln zu Besuch kam und etwas seltsame Zähne hatte? 'Oh mann! Blamier dich gleich bloß nicht so, wie du es jetzt in deinem Kopf tust! Vampire mit Handy!' scholt sie sich und machte kichernd die Tür auf.
Caleb war erstaunt, als die junge Frau ihm tatsächlich lachend gegenübertrat. Was für ein Kontrast zu ihrer letzten Begegnung. War sie vielleicht doch nicht so schüchtern, wie er gedacht hatte, sondern war nur müde gewesen? Er war gespannt es herauszufinden.
"Hallo, Jade Sparkle! Ich hoffe, mein Besuch kommt heute weniger ungelegen?"
Sie blieb im Türrahmen stehen und räusperte sich, um sich zu fangen. "Hallo Caleb! Ich weiß nicht wieso, aber ich hatte dich erst abends erwartet."
"Komme ich doch ungelegen?"
"Nein, nein, überhaupt nicht", versicherte sie ihm rasch und rückte ihre Brille zurecht. "Heute hab ich frei, und ich freue mich, daß du wirklich noch mal vorbeischaust!"
"Sollte ich nicht?" kam es verwundert.
"Doch, doch, ach, sorry, ich rede wieder ein Durcheinander!"
"Und darf ich heute hereinkommen?" fragte er höflich.
Ah, das war die falsche Frage gewesen. Sie versteifte sich augenblicklich und zog erneut die Tür hinter sich zu. Das war unglücklich, denn ein rascher Blick an ihr vorbei hatte ihm nicht viel mehr gezeigt als einen ärmlich leeren Flur, an dessen Ende sich ein ärmlich simpler Eßtisch mit gerade mal zwei Stühlen ausmachen ließ, die auch nicht besser zu sein schienen. Nichts persönliches war zu sehen, kein Bild an der Wand, kein Foto im Flur, nicht einmal Kitsch. Wieder kein Anhaltspunkt zu ihrem Charakter. 'Außer, daß sie auf sehr bescheidenem Fuß lebt, aber das scheint mir kein gutes Thema zu sein.' Selbst die merkwürdig monotonen Töne, die er für Musik gehalten hatte, waren verstummt. Vielleicht war es der Fernseher gewesen und sie hatte ihn ausgeschaltet. Hoffentlich machte ihre offensichtlich gute Stimmung sie gesprächiger und sie würden auf diese Weise ein ansprechendes Thema finden.
"Ähm, tut mir leid, aber es ist nicht aufgeräumt. Ich hab den ganzen Vormittag geputzt und muß noch die letzten Sachen einräumen." Jade hoffte, daß ihre Ausrede glaubhaft klang. 'Wieso Ausrede? Ich habe geputzt! Meine faltigen, aufgeweichten Hände sind der Beweis!'
"Verstehe." Er lächelte höflich und deutete auf einen Tisch mit zwei hölzernen Campingstühlen, die in einer Ecke der Veranda standen. "Wie ich sehe hast du das alte Schachspiel von John aufgestellt?"
"Ähm, ja. Das hab ich auf dem Speicher gefunden und dachte mir, das sieht doch gar nicht so schlecht aus, stell es raus, dann kann man wenigstens auch mal hier sitzen. Ich wußte aber nicht, wem es vorher gehörte. Tja..." Die Schwarzhaarige machte eine unbeholfene Geste in die Richtung des Tisches und merkte, wie ihr der Elan ausging. Mehr hatte sie dazu nicht zu sagen. Vielleicht sollte sie ihn mal zur Abwechslung etwas fragen? Aber was nur?
"Spielst du Schach?" kam der junge Mann ihr zuvor. Sie schüttelte den Kopf, und fügte, als sie seine Enttäuschung bemerkte, rasch hinzu: "Bislang nicht. Aber wie eine Nachbarin neulich zu mir sagte: Man kann alles lernen."
'Sieh an, sieh an. Sie kann ja richtig plaudern, wenn sie will', dachte er in stillem Vergnügen. Offenbar deutete sie seine Miene jedoch negativ, vielleicht als von oben herab, denn es sprudelte aus ihr heraus: "Bislang hatte ich nie Interesse an Schach und auch keine Zeit dazu. Es gibt ja schließlich wichtigeres im Leben. Ähm... spielst du denn Schach?"
"Ja, ich finde es sehr vergnüglich und spiele fast jeden Abend mit meiner Schwester eine Partie", berichtete er und rückte einige der Figuren zurecht, die sie an die falsche Stelle gesetzt hatte.
"Du machst viel mit deiner Schwester, huh? Zusammen wohnen, zusammen Schach spielen..." Jade verzog das Gesicht, als hätte sie etwas sehr dummes gesagt, und biß sich auf die Lippe.
Caleb lachte laut auf. "So betrachtet mag es sich seltsam anhören, aber wir tun auch viel getrennt voneinander, versprochen!"
"Oh nein, ich wollte nicht...!"
"Ist schon gut, wirklich", versicherte er ihr und wandte sich wieder ihr zu. "Es ist mir bewußt, daß sich nicht sehr viele in unserem Alter mit ihren Geschwistern das Haus teilen. Es hat sich einfach so ergeben."
Das fröhliche Blitzen in seinen grauen Augen war das einzige, was sie davon abhielt nun ins Haus zu rennen und ihr Spiegelbild anzuschreien. Glücklicherweise schien er ihr Geplapper nur halb so peinlich zu finden wie es ihr selbst vorkam. Jade versuchte tief durchzuatmen und zwang sich, nicht auf den Boden zu schauen. Leider war das nächstbeste, was ihr einfiel, sein Gesicht. Es war ihr vorher nicht bewußt aufgefallen, wie blaß er auch bei Tageslicht ausschaute. 'Das sieht wirklich nicht gesund aus. Ist das so eine Goth-Sache mit Make-up oder eine Sonnenallergie, Blutarmut oder noch schlimmeres?' fragte sie sich, traute sich aber nicht, einem immer noch fast Fremden eine medizinische Frage zu stellen.
Endlich fiel ihr auf, daß sie ihn anstarrte, und ihr Streßlevel stieg erneut. Es wurde ihr langsam zu viel, aber sie weigerte sich so schnell aufzugeben und dem klingelnden Alarm in ihrem Kopf nachzugeben, der sie vor fremder Gefahr warnen wollte.
"Tut mir echt leid, manchmal ist mein Mund schneller als mein Kopf. Was ich eigentlich sagen wollte ist... Es muß schön sein, wenn immer jemand in der Nähe ist, der mit einem redet oder etwas unternimmt."
"Oft ist es das, ja. Manchmal auch nicht. Wie es eben so ist unter Geschwistern, liebgewonnene Tradition wechselt sich mit verbalem Schlagabtausch ab. Hast du Geschwister?"
"Nein, ich bin alleine."
"Verstehe. Wenigstens genießt man als Einzelkind die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Eltern, nicht wahr?"
"Kann sein. Ich hab immer viel gelesen und nicht viel Zeit mit ihnen verbracht. Dann gab es nicht so viel Streit", meinte Jade ruhig. Ihr Blick wurde etwas glasig.
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