Der Mittwoch begann mit zwei SMS und einer Sprachnachricht von Thilo, die Beryl verpaßt hatte, weil sie ihr Handy im Wohnzimmer hatte liegen lassen, als sie sich dort wütend ausgezogen hatte, ehe sie ins Bad gestapft und anschließend ins Bett gefallen war. Kurzentschlossen löschte sie alles, ohne sich seine Nachrichten anzuhören, und ging sich ein verspätetes Frühstück machen. Sie hatte keine Lust, sich den wichtigen Arbeitstag von blöden Ausreden verderben zu lassen. "Wenn es ihm nicht genug ist mit mir etwas zu trinken hätte er es einfach sagen sollen, dann hätte er in Ruhe anmachen können, wen immer er wollte!" schimpfte sie, während sie zwei Eier in die Pfanne schlug. Es war ihr völlig egal, ob er auch mit anderen Frauen rummachte, aber nicht so! Nein, sie mußte sich erst einmal ganz genau überlegen, ob sich an dieser Beziehung etwas retten ließ, und wenn ja, auf welche Weise.
Ab und zu fuhr ihr für einen winzigen Moment der Gedanke durch den Kopf, daß sie sich falsch verhalten hatte, doch sie verdrängte ihn jedesmal wieder.

Irgendwann fing sie an sich zu wundern. Beryl war sich recht sicher gewesen, daß Jade ihr Angebot zu reden annehmen würde, aber sie hatte sich am Dienstag tatsächlich nicht mehr gemeldet. Als auch an diesem Tag nicht einmal eine Textnachricht zwischendurch kam wurde am späten Nachmittag aus der Verwunderung langsam Besorgnis. Meinte Jade es wirklich ernst, daß sie ihren Kummer in sich hineinfressen wollte? Beryl prüfte ihr Handy. Nur eine weitere SMS von Thilo, die sie ebenfalls ungelesen löschte.
Sie überlegte, ob sie abends einfach nach Willow Creek fahren und ihrerseits das Gespräch suchen sollte, verwarf den Gedanken jedoch, als ihr Arbeitstag sich immer mehr in die Länge zog und sie daheim nur noch die Kraft hatte für eine schnelle Dusche und etwas zu essen, ehe sie ins Bett fiel. Bei Thilo war alles dunkel, also war er offenbar unterwegs. Das war ihr nur recht.


Am Donnerstag Abend jedoch klopfte es. War das etwa doch wieder ihr Nachbar? Beryl runzelte die Stirn. Eigentlich hatte es sich zu zaghaft angehört für einen Mann. Sie ging zur Tür, wobei sie auf netten Besuch hoffte, sich aber gleichzeitig dazu bereit machte Thilo anzufahren.
Draußen stand tatsächlich Jade, die sich wohl im Büro umgezogen haben mußte, um nach der Arbeit vorbeizukommen. "Jade! Komm rein, Schatz, ich hab mich schon gewundert, weil du dich nicht gemeldet hast!"
"Hallo, Beryl!" meinte die Schwarzhaarige ohne weitere Erklärung und folgte ihr zur Couch. "Ich hoffe, ich störe nicht." - "Nein, natürlich störst du nicht! Ich hab dir doch gesagt, du kannst vorbeikommen zum Reden!" - "Eigentlich war mir nur langweilig, es gibt gar nicht viel zu erzählen."


Obwohl Beryl anderer Meinung war hielt sie es für besser Jade nicht direkt zu bedrängen, also ließ sie sich nur seufzend neben ihr auf die Couch fallen. "Na schön, vielleicht magst du dir ja anhören, wie zur Abwechslung mal ich mich über mein Liebesleben auskotze?" schlug sie vor und spürte schon wieder diese verdammte Traurigkeit in sich aufsteigen.
"Whoa!" machte Jade überrascht und grinste unsicher. "Ich weiß nicht, ob ich dir da eine große Hilfe sein kann, aber sicher hör ich dir zu! Das ist ja wohl das mindeste, was man für eine Freundin tut!"

"Okay." Beryl holte tief Luft. "Vor ein paar Tagen hab ich einen verdammt heißen Kerl getroffen! Also hab ich mich vorgestellt, und was soll ich sagen? Er war auch noch verdammt interessiert daran mit mir in die Kiste zu hüpfen!"
Jade Grinsen wurde noch eine Spur verzweifelter, aber sie hörte tapfer weiter zu. "Oje..."
"Wir flirten also hin und her, ich besuche ihn, er mich, wir essen zusammen und lernen uns etwas kennen. Er wohnt nämlich auch noch direkt hier in der Straße, weißt du! Und er ist auch noch ein prima Kerl, mit dem man sich gut unterhalten kann! Ich dachte wirklich, ich hätte nach Caleb einen zweiten männlichen Freund gefunden. Er ist so witzig! Und er war mir nicht mal lange böse, als ich ihn gleich bei der ersten Verabredung ungeplant versetzen mußte."

Das war schon eher etwas, bei dem Jade gut mit ihr mitfühlen konnte. Freunde zu finden war wertvoll, und sie direkt wieder zu verlieren war zweifellos ein gräßliches Gefühl. So traurig, wie die Rothaarige dreinschaute, mußte etwas schlimmes geschehen sein. "Was ist passiert?" fragte sie vorsichtig.
Beryl schnaubte. "Wir waren im Club zu Drinks verabredet, eigentlich nach seiner Schicht. Er ist Komiker, weißt du, und tritt in Clubs auf mit Witzen und seiner Gitarre." - "Oh! Das klingt super spannend!" - "Ich sag ja, er ist total witzig! Ich bin extra früher hin, um möglichst viel von seiner Show zu sehen und mir ein Bild zu machen, und treffe ihn in der Pause an. 'Cool!' denke ich, 'Wenn wir uns jetzt einen Drink genehmigen bleibt nachher vielleicht noch Zeit, um mit ihm nach Hause zu gehen!', wenn du verstehst, was ich meine. Ich war so fixiert darauf endlich mit ihm zur Sache zu kommen, daß ich an gar nichts anderes mehr denken konnte."

Jade räusperte sich und bemühte sich, das verlegene Grinsen beizubehalten, denn sonst hätte man ihren Horror gesehen. Für sie war es weiterhin einfach undenkbar, mit jemandem herumzumachen, den sie nur ein paar Tage kannte. "Und dann?"
"Dann wurde er von einer Tussi angegraben an der Bar - während ich danebensaß und ihm gerade einen Drink ausgab!" schimpfte die Malerin, und ihr Gast war entsetzt. "Was?!" - "Ja, und nicht nur das, er flirtete auch noch völlig ungeniert zurück und versuchte noch blöde, das vor mir zu rechtfertigen!"
"Hm. Muß er das nicht machen? Die Rockstars im Fernsehen zwinkern den Mädchen doch auch immer zu."
"Jade! Du willst einen kleinen Provinzkomiker mit einer Gitarre doch nicht wirklich mit einem Weltstar vergleichen, oder?" fragte Beryl, die sich unangenehm an die kurz aufblitzenden Momente von Schuldbewußtsein erinnert fühlte.
"Tut mir leid, Beryl. Ich weiß es doch auch nicht."
"Ja, vielleicht war ich da etwas vorschnell", gab sie in einem kurzen Anflug von Klarheit zu, fügte aber hinzu: "Aber ich war heiß auf ihn, und ich wollte, daß er heiß ist auf mich! Und nicht eine von vielen sein. Verstehst du das?"
"Denke schon..."
"Man wird ja wohl mit einem Fan reden können, ohne der Tussi 'interessante Nächte' und ein heißes Programm zu versprechen, oder nicht? Bei einem Mann hätte er das doch sicher anders ausgedrückt!"
"Whoaaa! Du hast ihn sicher zusammengestaucht?" - "Na, davon kannst du ausgehen! Ich bin sofort ab nach Hause gerauscht, sowas hab ich doch nicht nötig! Seither bekomme ich ständig Nachrichten von ihm!" - "Was, er schreibt dir noch? Was will er denn?" - "Hab keine Ahnung, ich bin nicht in der Stimmung, das zu lesen." - "Soll ich es für dich lesen und dir sagen, ob dich das Lesen aufregen würde?" - "Hab alles gelöscht, es hat mich so aufgeregt." - "Oh..."


Jade schwieg und sah sie nachdenklich an, und Beryl seufzte noch tiefer. "Er ist so süß, aber was soll ich jetzt machen?! So eine Unverschämtheit kann man doch nicht einfach durchgehen lassen! Mir ist ja völlig gleichgültig, mit wie vielen anderen außer mir er rummacht, solange er's verantwortungsvoll tut, damit ich mir nichts von ihm einfange. Aber doch nicht, wenn er mit mir verabredet ist und ich extra wegen ihm nach Willow Creek gefahren bin, um ihn zu sehen!" - "Oh Mann! Das tut mir so leid, Beryl! Ich wünschte, ich wäre dir da eine größere Hilfe..." überlegte die Schwarzhaarige betrübt. "Jemand, der dir gefällt, dir ein Freund ist und auch noch deine, ähm... Bedürfnisse erfüllen will - das klingt eigentlich zu gut, um nicht mehr mit ihm zu reden. Aber wenn man den letzten Teil deiner Geschichte hört... Der müßte sich schon sehr anstrengen, damit ich an deiner Stelle noch mal ein Wort mit ihm reden würde, so verletzt, wie du klingst!"
"Das sehe ich auch so! Ich hatte brandneue Unterwäsche an, verdammt noch mal!" meinte sie bestimmt.
"Aber Beryl... Wenn du seine Nachrichten alle löscht, wie willst du dann wissen, ob er sich anstrengt? Und als was soll er sich eigentlich entschuldigen? Als Freund oder als Liebhaber?" Es war ein Versuch von ihr das Problem genauer zu verstehen, aber die Rothaarige sah interessiert auf und dachte eine Weile darüber nach. "Du hast recht. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht, ob wir uns schon gut genug kennen, daß ich unsere Freundschaft retten will, obwohl es mit der Leidenschaft nicht hingehauen hat."
"Oder umgekehrt!"


"Umgekehrt?"
"Da spricht wohl wieder die völlige Naivität aus mir, aber wenn er dir so gut gefällt könntest du auch mit ihm schlafen und dann nie wieder mit ihm reden, oder?"
"Jade, mir gefällt, wie du denkst!" Sie war beeindruckt von ihrer Freundin und boxte sie spielerisch gegen den Oberarm. Jade wurde rot und wedelte abwiegelnd mit den Armen. "Oh nein, nein, nein! Wie gesagt, ich kann mir nicht mal vorstellen mit jemandem in einem Bett zu liegen, den ich nicht liebe! Ich dachte nur, wenn es dir nur ums körperliche geht, dann kannst du vielleicht ausblenden, daß er ein Depp ist. Ich meine... ich... ich hab ja sowieso keine Ahnung, wie du das kannst, also..."
"Den Versuch wäre es vielleicht tatsächlich wert, bei meiner miesen Männerquote hier in der Stadt."
"Okay, darüber möchte ich aber nicht so viel hören, ja? Bitte!"
Beryl lachte herzhaft, stand auf und schaltete den Fernseher aus. "Schon gut, Schatz. Ich werde das sowieso erstmal ein paar Tage sacken lassen, ehe ich etwas entscheide, aber es tat gut, es jemandem erzählen zu können." Sie machte sich auf in Richtung Küche. "Ich hab einen schönen Salat zum Abendessen, möchtest du auch einen?" - "Nein danke, ich hab in der Stadt gegessen." - "Schön. Stört es dich, wenn ich esse? Ich hab den ganzen Tag gemalt." - "Ach was, nein!"


Nachdem die Malerin mit ihrem Teller am Eßtisch Platz genommen hatte schlenderte auch Jade zu ihr hinüber und setzte sich ans andere Ende. Sie war heute deutlich weniger energetisch als sonst. Beryl versuchte das Gespräch in die richtige Richtung zu lenken. "Wie ich hörte hast du neulich mit Caleb unser Fitneßstudio hier in Oasis Springs ausprobiert. Wie hat es dir gefallen?" - "Och, ganz gut."

Das war nicht sehr ergiebig. "Ich war letztens auch mit ihm da." - "Und, hat er bei dir auch diesen Trick vorgeführt?" fragte Jade und schmunzelte, wobei ihr Gesicht einen seltsam abwesenden Ausdruck beibehielt.
Beryl war verwirrt. "Was für einen Trick?" - "Oh, wenn er ihn dir nicht gezeigt hat will ich nichts verraten. Ich dachte, du hättest ihm vielleicht geholfen ihn vorzubereiten, du weißt schon, mit deinem Paket und so." - "Jade, bitte drück dich klarer aus, ich werde ihm auch nichts verraten. Von was für einem Trick sprichst du?" - "Na, davon, daß er sein Spiegelbild hat verschwinden lassen, um mir weiszumachen, er sei ein Vampir!"
"Oh", machte Beryl und ließ die Gabel sinken. "Du meinst, er sei kein Vampir?"
Nun lachte ihre Freundin zum ersten Mal seit ihrem Eintreffen herzhaft. "Du meine Güte, ihr steckt doch unter einer Decke, huh? Setzt ihr seinen Spitznamen in die Tat um? Es ist ja lustig, daß er mich mit sowas aufheitern will, und es war echt ein toller Trick, aber natürlich weiß ich, daß er kein Vampir ist! Es gibt doch gar keine Vampire!"

Caleb würde nicht erfreut sein zu hören, daß er zum Varietékünstler abgestuft worden war, aber Beryl war sich nicht sicher, ob es an ihr war, das Mißverständnis aufzuklären. Außerdem hatte sie neulich am Telefon wirklich ihr bestes getan Jade über Vampire aufzuklären und war gegen eine Wand gelaufen, insofern war sie sich nicht einmal sicher, ob sie eine Chance hatte irgendetwas zu erläutern. Jades Weigerung die Wahrheit zu akzeptieren war schon beinahe beeindruckend. Beryl wollte den Vampir lieber erst anrufen und Rücksprache halten. "Dann erzähl mir doch mal, wie es mit der Mission 'Caleb angraben' so läuft. Hast du ihn schon um ein Date gebeten?"

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