Als Beryl den Nachtclub "Zum Blauen Samt" betrat war es erst kurz vor acht. Es war ein winziger und etwas unglücklich konzipierter Club, in dem sich Tische und Tanzfläche einen zu kleinen Raum teilten, so daß die Gäste wortwörtlich zwischen den Stühlen tanzten. Dennoch war das Ambiente an sich tatsächlich gemütlich. Ein großer Teil des Raums wurde von einem Flügel eingenommen, neben dem ein Mikrofonständer stand, wie sie ihn aus dem Trailer ihres Nachbarn kannte. Thilo war dort jedoch nicht zu sehen.
Genau gegenüber des Eingangs gab eine verglaste Tür den Blick auf einen kleinen, schlecht beleuchteten Hinterhof frei. Rechts daneben führte eine Treppe zu den Toiletten hinauf, und ganz rechts war die Wand von zwei breiten Bogengängen durchbrochen, hinter denen der Barbereich lag. Dort machte Beryl einen Schopf blonder Haare aus, der verdächtig nach Thilo aussah, also lenkte sie ihre Schritte dorthin.


Er war es tatsächlich, und er plauderte gerade mit einer dunkelhaarigen Frau, die auf dem Hocker neben ihm saß. Beryl setzte sich auf den noch freien Hocker zu seiner Linken. "Hallo, Nachbar!" grüßte sie. Der Kopf des jungen Mannes flog herum. "Beryl! Schön, daß du es heute tatsächlich geschafft hast!" - "Ich hab's diesmal fest versprochen, oder nicht?" Sie lachte breit. "Aber was ist mit deiner Show? Ich dachte, du trittst bis 23 Uhr auf?" - "Hab gerade Pause. Magst du etwas trinken?" - "Das schon, aber laß mich zahlen." - "Wie bitte?! Wollen Sie mich etwa betrunken machen, junge Frau?" - "Aber absolut, mein Herr!" Beryl orderte zwei Drinks und freute sich, daß sie vor seinem Auftritt ein wenig plaudern konnten. Vielleicht ergab sich hinterher dann doch noch etwas? "Wie ist der Abend denn bisher so gelaufen? Gutes Publikum?" - "Ach, eher so gut wie kein Publikum bislang, aber ich habe auch nur Gitarre gespielt. Die wenigen Gäste wollen sich erstmal müde tanzen. Nachher, so ab 22 Uhr, werden mir mehr zuhören."

Beryl hatte gerade gezahlt und die Barmixerin war dabei den zweiten Drink anzurichten, als die Brünette neben Thilo sich plötzlich an ihn wandte. "Aw, ich hab dir den ganzen Abend zugehört, Süßer! Hast du mich etwa übersehen?" fragte sie mit einem kindischen Schmollmund. Thilo grinste und lehnte sich zu ihr hinüber. "Natürlich nicht, da müßte ich ja blind sein! Du hast ganz vorn gesessen. Wie heißt du eigentlich?" - "Ich bin Zoe. Hast du nachher schon was vor?" hauchte sie und lehnte sich mit einer lasziven Geste auf den Rand der Theke. - "Ich würde mich auf jeden Fall sehr freuen, wenn du bis zum Ende meines Auftritts bliebest!" - "Oh, du meinst der Abend könnte noch interessant werden?" - "Na, auf jeden Fall! Ich hab ja noch gar nicht angefangen mit der Show!" Der Blondschopf zwinkerte ihr zu und wandte sich zurück an Beryl, die zu seiner Überraschung plötzlich den Tränen nah zu sein schien.


Die Rothaarige war fassungslos. Eisige Wut und Niedergeschlagenheit wechselten sich in ihr ab und sie wollte nur noch nach Hause. Es war ja auch zu schön gewesen.
"Was ist los?" fragte Thilo erstaunt.
"Vergiß es einfach." Sie kippte ihren Drink hinunter und stand auf. "Bye!"

"He, Moment mal!" Er kam ihr hinterher und stellte sich ihr in den Weg. Leise meinte er: "Was hab ich getan?"
"Als wenn du das nicht wüßtest! Mit Zoe geschäkert!" zischte sie traurig und bemühte sich nicht unflätig zu werden. "Hieß es nicht, du hättest keine Groupies?"
Thilo hob abwehrend die Hände. "Eine Sekunde! Das ist doch kein Groupie - die steht einfach auf mich!"
"Toll, das ist ja auch viel besser! Dann mal viel Spaß mit ihr!" Beryl war über alle Maßen gekränkt.
"Whoa, Moment! Hast du etwa erwartet, daß ich nicht mehr mit anderen Frauen spreche in deiner Gegenwart?!"
"Was bist du für ein Vollidiot! Natürlich nicht! Aber du lädst mich ein und machst eine andere klar, während ich danebensitze, und das nach zwei Minuten! Noch respektloser geht es wirklich nicht!"
Der Komiker wollte etwas sagen, doch er sah über Beryls Schulter hinweg, wie Zoe von ihrem Hocker glitt und auf ihn zukam, und fluchte still vor sich hin.
"Ich geh mich mal frisch machen. Bis gleich, Thilo, ich freu mich auf die Show!" zwitscherte die Brünette im Vorbeigehen und er lächelte ihr gezwungen zu.

Beryl schnaubte und stapfte an ihm vorbei. Sie wollte den Club verlassen, doch er lief ihr erneut hinterher und nahm sie an der Hand. "Komm einen Moment mit raus und laß mich erklären, ja?" bat er und zog sie sanft in Richtung Hinterhof. Widerwillig folgte sie ihm nach draußen.
Inzwischen war es dunkel geworden, doch das Licht, das durch die Fenster nach draußen fiel, erhellte den kleinen Platz gut genug. Die Musik und das Lachen drangen nur sehr dumpf hierher, und in einer Ecke des Hofs plätscherte ein romantischer Springbrunnen.
Thilo sah sie eindringlich an und meinte: "Hör mal, Beryl, das Mädel ist ein Fan und schon den ganzen Abend da! Wenn ich nach oben will muß ich nett zu meinen Fans sein!"
"Wie gesagt, dann viel Spaß mit Zoe unter dir auf deinem Weg nach oben!"
"Wie kommst du darauf, daß ich was von ihr will?! Ich bin nur nett zu einem Fan! Ich kann sie doch nicht einfach links liegen lassen, nur weil du dazukommst. Natürlich will ich, daß sie bis zum Ende der Show bleibt, und wenn ich dafür ein wenig den Charme aufdrehen muß ist das nun mal so! Zu diesem Zeitpunkt meiner Karriere läßt sich das nicht immer verhindern."
"Sei zu ihr, wie du willst, es interessiert mich nicht mehr", erklärte sie verbittert. Der Blondschopf konnte ihr nicht weismachen, daß er nicht merkte, worauf die Kleine abzielte, und seine Antworten waren absichtlich zweideutig geblieben. Sie ließ sich nicht dazu herab etwas gemeines über die Brünette zu sagen, schließlich versuchte diese auch nur ihr Glück, aber sie war sich zu gut dafür danebenzusitzen, während Thilo anderen Frauen interessante Nächte versprach.


"Das ist aber sehr schade", flüsterte er und bedachte sie mit einem Blick, der sie vormittags noch hätte hinschmelzen lassen. "Kann ich dich nicht umstimmen doch zu bleiben?" Ihr Nachbar versuchte sie in seine Arme zu ziehen, doch sie stieß ihn von sich. "Laß mich!"
Ihre Augen funkelten zornig. "Du willst jetzt mal eben mit der dummen Beryl im Hof rumknutschen und nach der Show mit Zoe weitermachen sobald ich weg bin, huh? Laß dir eins gesagt sein, Thilo Brighton - ich bin nicht billig genug für dich! Schönen Abend und 'interessante' Nacht noch!"

Sie drehte auf dem Absatz um und marschierte ohne ein weiteres Wort durch den Club und auf die Straße hinaus. Sie gab sich auch gar nicht erst mit der Bushaltestelle ab, sondern rief sich gleich ein Taxi. Jetzt wollte sie nur noch ins Bett und ihr Kissen vollheulen. Da hatte sie einmal Aufmerksamkeit verlangt, sich so sehr darauf gefreut begehrt zu werden, und prompt wurde sie hintenangestellt. Das war mehr, als sie nach der monatelangen Durststrecke verkraften konnte.

Thilo sah dem Abgang seiner Nachbarin verständnislos hinterher. "Was war das denn jetzt?" fragte er sich grummelnd. Er wollte wirklich nichts von Zoe, sie brachte ihn im Gegenteil schon den ganzen Abend aus dem Konzept mit ihrem ständigen angetrunkenen Pfeifen und Johlen. Aber barsch zu Fans zu sein führte zu leeren Clubs und brachte ihn der Kündigung näher, wieso konnte Beryl das nicht verstehen? Und überhaupt, was wollte sie eigentlich? Zwischen ihnen war noch gar nichts gelaufen, sie beschnupperten sich doch nur, und die Rothaarige hatte sich heute sein Programm ansehen wollen. Wenn sie seine ungeteilte Aufmerksamkeit wollte hätte sie nach einem richtigen Date fragen müssen anstatt auf der Arbeit vorbeizuschauen. Thilo atmete tief durch, schüttelte den Kopf und ging zurück an die Arbeit. Im Moment konnte er eh nichts tun.

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