Der Vampir starrte sie an. Er hatte sich geistig darauf vorbereitet ihr zu erklären, daß es sich in einem Club nicht immer verhindern ließ, daß Damen versuchten seinen Arm zu streicheln oder ihm anderweitig näher zu kommen, und daß sie auch nicht erwarten könne ständig seine volle Aufmerksamkeit zu haben, zumal die Art ihrer Beziehung noch völlig ungeklärt war. Mit der Wendung, die das Gespräch auf einmal genommen hatte, hatte er hingegen überhaupt nicht gerechnet.
"Jade... Das waren einige angesäuselte Clubbesucher, mit denen ich ein paar Worte und Anekdoten von der Arbeit ausgetauscht habe. Sicher kann man mit Gesprächen, die so flach wie eine Briefmarke sind, einen fröhlichen Abend herumbringen oder zwei, aber das sind doch keine Freundschaften!"
"Aber... du hast mit so vielen Handynummern ausgetauscht", entgegnete sie unsicher.
Er zuckte mit den Achseln. "Das ist halt so Gepflogenheit im Club. Du wirst das als Entertainer aus Höflichkeit auch tun. Es heißt noch lange nicht, daß ich auch nur einen einzigen von denen je anrufen werde, und ganz sicher besuche ich niemanden von ihnen zu Hause."
"Nicht mal die Rothaarige mit dem Minirock?" fragte sie herausfordernd, doch in ihrem Blick lag bereits wieder der Anflug eines besänftigten Lächelns.
Caleb schauderte. "Ganz sicher nicht die Rothaarige mit dem Minirock! Das war eine der Caliente Schwestern, die zweite Tochter der verrückten Nackten im Fitneßstudio neulich, und man sagt allen dreien den gleichen Liebhaber nach, der auch noch bei ihnen im Haus wohnt. Mit derart dramahungrigen Individuen umgebe ich mich ganz sicher nicht." Plötzlich sah er Jade frech an. "An dieser Stelle halten wir fest, daß sich doch eine gewisse Eifersucht in dir regt, oder?"
"Ein bißchen vielleicht", gab sie zu und kratzte sich verlegen am Ohr, was sein Grinsen fast schon ins Selbstgefällige verbreiterte. Dann verfiel sie in Schweigen und ging weiter in Richtung Bushaltestelle.
Unverdrossen folgte er ihr auch diesmal. "Was ist es nun wieder?"
"Caleb, auf welche Art sind unsere Gespräche nicht ebenso flach?"
"Jade Sparkle, ich bitte dich! Es ist lachhaft einfach ein paar Worte mit einem Fremden zu wechseln, und sei es über das Wetter! Auch am zweiten Abend noch Themen zu haben, und am dritten und an jedem weiteren Tag, das macht eine Freundschaft aus! Wir sprechen ständig über tiefgründige Themen! Haben wir nicht über die Existenz von Liebe auf den ersten Blick diskutiert, über Haustiere oder deine Probleme mit deinem korrupten Ex-Vorgesetzten? Du gewährst mir ständig Einblicke in dein Innerstes, seit neustem auch in dein Dekollete."
Sie ignorierte den Witz am Ende und meinte ernst: "Aber du bleibst in vielen Dingen weiter ein versiegeltes Buch. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr stelle ich fest, daß fast immer nur ich von privaten Dingen und Gefühlen erzähle, es sei denn der ernsthafte Caleb gibt mir gerade Ratschläge. Das ist nicht fair, für keinen von uns."
'Dafür ist es noch zu früh', dachte er, sagte aber lieber: "Ich brauche offensichtlich eine Weile, um mich zu öffnen."
"Wenn ich das nach diesem Abend nur glauben könnte. Ich habe eher den Eindruck, daß ich das Problem bin. Wieso auch immer, mir erzählst du fast nichts über dich selbst, nicht mal den Bürotratsch, den du gerade von dir gegeben hast."
"Das interessiert doch auch keinen wirklich."
"Doch, es interessiert mich!"
"Ich soll dich allen Ernstes mit Geschichten darüber langweilen, wie Ines aus der Rechnungsabteilung ihren Tacker in der eigenen Schublade verloren hat und alle anderen des Diebstahls bezichtigte?"
"Wieso denn nicht, wenn es dir so passiert ist? Und was du wirklich denkst und tust, das interessiert mich auch! Anscheinend kenne ich dich überhaupt nicht, wieso sonst konnte mich das gerade eben so überraschen? Wie oft bist du in Bars? Wie viele Freunde hast du? Wieso wohnst du überhaupt mit deiner Schwester zusammen? Was ist mit deinen Eltern? Hast du noch andere Geschwister? Bist du Italiener? Was interessiert dich an deinem Job am meisten? Was hast du noch für Hobbies außer zu lesen? Wieso trägst du so altmodische Kleidung? Was ist dein Lieblingsessen? Deine Lieblingsfarbe? Dein Lieblingstier? Wo möchtest du gern mal Urlaub machen? Wieso..."
"Whoa, das sind aber viele Fragen auf einmal, und das 'altmodisch' will ich überhört haben", lachte er und zupfte demonstrativ die Aufschläge seines Jacketts zurecht, ehe er Jade wieder etwas näher an seine Seite zog. "Die meisten dieser Dinge weiß ich über dich doch auch noch nicht. Also, was können wir tun, um das zu ändern, ohne es in eine langweilige Frage-und-Antwort Stunde oder ein Verhör ausarten zu lassen?"
"Ich weiß nicht... Du wirst den ernsthaften Caleb nicht zugunsten des frechen immer zu Hause einsperren, oder?"
"Ich denke nicht, Jade."
"Das ist gut, denn ich würde mich mit euch beiden gerne noch viel öfters treffen, um unsere Beziehung zu vertiefen."
"Ah ja?"
Jade spürte, wie ihre Wangen wieder einmal ganz heiß wurden, als ihr Begleiter sie schelmisch anfunkelte. "Oder... ist das irgendwie dumm? Geht man nicht miteinander auf Dates, wenn man sich schon kennt? Ich meine... ich möchte einfach weggehen. Sich gegenseitig seine Lieblingsorte zeigen."
"Wir waren schon oft aus, und das ist ein liebgewonnener Teil meines Lebens geworden. Aber du hast mir den Feenbaum bereits gezeigt - Willst du ihn wirklich erneut mit dem ernsten Caleb besuchen und auf andere Antworten hoffen?"
"Was würdest du denn vorschlagen, wie wir uns noch besser kennenlernen können?"
"Oh, ich gehe vollständig konform mit deinem Vorschlag, ich mag nur keinen Aufkleber auf der Stirn haben, wie ich an dem Tag zu sein habe! Laß uns weitermachen wie bisher. Wir gehen aus an Orte, an denen wir bereits waren, wir erkunden neue Teile der Stadt, wir treffen uns bei dir, und jedesmal, wenn du das Gefühl hast, daß ich nicht genug erzähle, schubst du mich einfach. Hab nie Angst davor mir eine Frage zu stellen, ja? Nur nicht in Form eines Platzregens." Er kicherte.
"Vielleicht lädst du mich mal nach Forgotten Hollow ein und wir gehen dort in ein Cafe, wenn du mich schon nie zu dir nach Hause kommen läßt?" schlug sie vorsichtig vor.
Der junge Mann lachte unangenehm berührt. "Es gibt bei uns kein Cafe, aber ich bin mir sicher, es läßt sich dennoch etwas einrichten."
"Ich darf dich besuchen?"
"Natürlich, das ist längst überfällig! Ich bin gerade entsetzt, daß es mir bislang nicht in den Sinn gekommen ist dich einzuladen! Lilith wird sich auch freuen."
"Oh..." machte Jade, die sich plötzlich wünschte nicht danach gefragt zu haben. Dieser streitlustigen Person wollte sie eigentlich nicht so schnell noch mal begegnen. "Verschieben wir das lieber."
Nun lachte er lauter. "Wie du willst, aber ich kann dir versichern, daß meine Schwester nicht so schlimm ist wie du denkst. Die Mißverständnisse zwischen euch lassen sich sicher aus der Welt räumen."
"Können wir vielleicht über etwas anderes reden als deine Schwester?" fragte sie unglücklich angesichts dieses Stimmungsdämpfers, woraufhin er den Kopf in den Nacken legte und gespielt jammerte: "Erst will sie alles mögliche wissen, doch kaum redet man will sie es doch wieder nicht! Verstehe einer die Frauen! Vielleicht solltest du mir doch konkrete Fragen stellen, Jade Sparkle?!"
"Momentan hab ich eigentlich nur eine Frage, ehe ich wirklich nach Hause und ins Bett muß." Sie kratzte allen Mut zusammen, den sie aufbringen konnte.
"Als da wäre?" forderte er sie gespannt zum Weitersprechen auf.
"Wie machst du das nur, immer so verdammt gut auszusehen?"
"Vielen Dank! Die Vokabel 'verdammt' ist passender, als du..." begann er geschmeichelt, ließ sich aber nur allzu gerne davon unterbrechen, daß sie ihn an den Jackenaufschlägen zu sich zog und küßte. Diesmal machte sie es von Anfang an richtig gut, und so fragte er in einer Atempause: "Jade Sparkle, mit wem hast du das bloß geübt?" - "Mit einem ganz tollen Kerl!" flüsterte sie zurück und drückte sich erneut an ihn, um sich Nachschlag zu holen, was ihm mehr als recht war.
Jades Herz hüpfte wie verrückt. Sie küßten sich auf offener Straße, und es war Caleb nicht peinlich, mit ihr so gesehen zu werden! Das war so aufregend! Sie hatte solche Angst gehabt vor dieser Begegnung, und es war alles viel besser gekommen, als sie sich vorgestellt hatte, nur weil sie nicht nachgegrübelt, sondern es einfach zugelassen hatte. Sie hatte eine neue Stelle, hatte eine wundervolle Zeit mit ihrem Schwarm verbracht, und jetzt wurde sie wieder so unfaßbar intensiv geküßt, daß ihr die Knie weich wurden. Glücklicherweise hielt Caleb sie fest.
"Nehmt euch ein Zimmer!" Dieser Ausruf einer vorbeikommenden Passantin riß beide schon nach kurzer Zeit jäh aus dem Moment. Jade schreckte auf, sah an ihrem Begleiter vorbei und konnte die Frau noch von hinten sehen. "War das... Liberty Lee?"
Der Vampir drehte sich ebenfalls nach ihr um und sah die Gestalt mit dem schlurfenden Gang im Honey-Pop verschwinden. "Darauf wetten würde ich zwar nicht, aber dieses Geschöpf sah ihr schon ähnlich."
"Ich bin mir ganz sicher, daß sie das war. Das kriegt sie zurück!" schimpfte die Schwarzhaarige.
"Damit hat sie es endgültig auch auf meine schwarze Liste geschafft", schmunzelte Caleb, für den das die zweite Begegnung mit der Person war, die alle Frauen in seinem Leben so verabscheuten.
"Da kommt mein Bus. Bis bald, Caleb." Sie küßte ihn ein letztes Mal und lief zur Haltestelle.
Er sah ihr nach und fing an sich zu fragen, ob dies nicht doch das richtige war. Den ganzen Abend über hatte er das Gefühl gehabt, daß etwas gefehlt hatte. Bis gerade eben. Wenn es Irrsinn war, sich mit einem Menschen einzulassen, dann schmeckte der Wahnsinn verdammt gut.
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