Nachdem er in Oasis Springs auf dem neusten Stand der Dinge war flitzte Caleb nach Willow Creek, wo er hoffte Jade anzutreffen. Da Lilith heute ein Buch lesen und sich danach die Haare machen lassen wollte war er mit ihr erst am frühen Morgen zum Schachspiel verabredet. Zwar hatte er am Abend noch einige Geschäftsanrufe zu tätigen, aber bis dahin galt es noch mehrere Stunden Langeweile auf möglichst angenehme Art zu füllen. Außerdem sah er Jade viel zu selten in letzter Zeit. Sie hatten sich nun geschlagene drei Wochen nicht gesehen, und so schön die moderne Technik in vielen Punkten auch war, sich immer nur zu schreiben oder zu telefonieren genügte nicht, um seine sozialen Bedürfnisse zu befriedigen. Er wollte mit seiner besten Freundin Zeit verbringen. Vielleicht hätte sie Interesse an einer Partie Schach, oder sie hatte ein interessantes Buch gelesen, von dem sie berichten wollte.
Auf sein Klopfen antwortete niemand, also fragte er per SMS an, ob Jade in der Nähe war. Prompt kam die Antwort, daß sie joggte und in wenigen Minuten daheim sei.
Er wartete geduldig und sah sie bald die Straße entlangrennen. Diesmal war sie nicht so sehr außer Atem wie noch vor einigen Wochen, also hatte sie entweder an ihrer Kondition gearbeitet oder sie war nicht lange fort gewesen. So blieb dem Vampir heute auch mehr Zeit, sie in Augenschein zu nehmen, während sie sich begrüßten. Das Outfit war für ihre Verhältnisse sehr gewagt. Er kannte sie nur im Schlabberpulli und mit massig Rüschen um die Hüften, wobei er nie ganz sicher war, ob das nun ein Rock oder eine Hose sein sollte. Bauchfrei in hautengen Trainingsklamotten, die weit genug ausgeschnitten waren um ihren schwarzen BH hervorblitzen zu lassen, bot sie einen ungewohnten, doch nicht unattraktiven Anblick. Trotzdem war das, was seinen Blick am meisten anzog, ihr Gesicht. Ohne ihre Mütze und mit teilweise zurückgebundenen Zöpfen war sie ein ganz anderer Mensch. Endlich lag einmal kein Schatten über ihren blitzenden Augen, sie stand gerade und versteckte sich nicht. Und da war noch etwas anderes...
"Du trägst deine Brille heute gar nicht."
"Kontaktlinsen. Die brauche ich für die Arbeit eh schon ständig." Sie lächelte, und es kam ihm sehr seltsam vor. Lag es wirklich nur an der fehlenden Brille, daß ihr Blick so anders war?
Jade versuchte, sich ein Herz zu fassen. Erst war es ihr peinlich gewesen, daß er sie in ihren knappen Sachen sah. Das Shirt war ihr mindestens zwei Nummern zu klein, aber der Trainingsanzug war einfach zu warm bei diesem Wetter. Daher versuchte sie das beste aus der Sache zu machen und ein bißchen... irgendwie gut auszusehen. Innerlich schwitzte sie sich tot vor Nervosität. Sie hatte keine Ahnung, was sie hier tat. 'Steh gerade! Schieb die Hüfte vor! Sieh selbstbewußt aus!' Sie schluckte. "Sieht sicher ungewohnt aus, wie?"
"Du siehst hervorragend aus! Dein Gesicht ist viel strahlender ohne deine Mütze."
'Jetzt oder nie, Jade!' Die junge Frau probierte es mit einem für ihre Verhältnisse gewagten Anmachspruch. "Danke! Du siehst auch wieder einmal blendend aus heute. Aber wann tust du das nicht!?"
Caleb starrte sie mit großen Augen an. Dann fing er an zu kichern. Jade wäre am liebsten im Boden versunken, aber jetzt gab es nichts anderes als ihre Frau zu stehen und das durchzuziehen. 'War das so lächerlich?'
Zu ihrer Beruhigung schien der junge Mann es ihr nicht übel zu nehmen. "Jade Sparkle! Du hast wohl heimlich von dem Spaß-Tee mitgenommen?!"
Er sah die versteckte Panik in ihrem Blick und winkte grinsend ab. Umarmen wollte er sie in ihrem Aufzug lieber nicht, das wäre ihr sicher nicht recht. Der Vampir hatte keine Ahnung, was in sie gefahren war, aber es gefiel ihm gut. "Deine Charme-Offensive ist herrlich, ich mag das! Das muß wohl an deinem guten Lehrer liegen."
"Natürlich!" Mehr als das brachte sie nicht heraus, aber sie lächelte stur weiter, innerlich halb ohnmächtig.
"Eigentlich wollte ich dich besuchen, aber du willst jetzt sicher erst einmal duschen, nicht wahr?"
"Schon, aber du kannst gerne warten. Ich beeil mich auch, mich in andere Klamotten zu schmeißen." Jetzt, wo er wieder normal dreinschaute, fiel es ihr auch leichter zu antworten.
Caleb grinste verschmitzt. "Da hätte ich aber eine ganz andere Idee!"
"Ähm... Und die wäre?" Ihr Herz versteckte sich sofort erneut in ihrem Hals und pochte so stark, daß sie kaum ein Wort herausbekam.
"Ich habe noch einen Freischein für einen Museumsbesuch mit dir, und deine Beförderung haben wir auch noch nicht gefeiert! Wie wäre es, wenn du dir Zeit läßt und das Kleid anziehst, das du neulich gerne getragen hättest? Ich bekomme meinen Ausflug und du kannst dich schick machen. So vereinen wir zwei Wünsche in einem Rutsch! Obwohl... Moment. Da fallen mir aber deutlich mehr als nur zwei Wünsche ein, die dabei erfüllt würden! Du wolltest das Ausgehen in der Öffentlichkeit üben, und ich brenne darauf einmal mit einer schön zurechtgemachten Dame unterwegs zu sein!"
Sie wollte ihn darauf hinweisen, daß er keineswegs einen solchen Schein hatte, aber sie wäre eh mitgegangen. Sie wollte nie wieder riskieren, daß er statt mit ihr mit Beryl an einen romantischen Ort ging. Etwas unwohl war ihr trotzdem. Sicher hatte sie ohne darüber nachzudenken neulich davon gesprochen, aber zuletzt hatte sie ein Kleid in der Öffentlichkeit getragen, als sie ihren Schulabschluß machte. Paßte sie überhaupt noch in ihr Partykleid hinein? Sie hatte ein bißchen zugelegt in den letzten Monaten. "Ich soll mich schick machen?"
"Natürlich nur, wenn du die Gelegenheit ergreifen magst, aber ich würde mich freuen!"
"Wieso?" schob sie frech hinterher und hoffte darauf, ein Kompliment zu bekommen.
"Weil dein Selbstbewußtsein erblühen wird, wenn du in deiner besten Version unter Leute gehst und bewundernde Blicke einheimst statt dich zu verstecken. Als dein Mentor in Charmefragen möchte ich das zu gerne sehen."
Das kang mehr nach einem Experiment als nach einem Kompliment, aber Jade nahm es mal als positiv hin. "Also gut, ich versuch's. Ein schicker Ausflug, zur Feier des dreimonatigen Bestehens der anonymen Freundesucher!"
"Sehr schön, dann lese ich derweil in dem Fantasyroman, den du damals nach dem Flohmarkt erworben hast. Den hast du doch hoffentlich inzwischen ausgelesen?"
"Klar, okay. Komm mit rein, Caleb."
"Dankesehr! Laß dir Zeit, Jade Sparkle!"
Nachdem er es sich mit besagtem Buch auf ihrer Couch bequem gemacht hatte und hörte, wie im Bad die Dusche zu laufen begann, fing der Vampir erneut an zu kichern. "Zwei Komplimente von Jade Sparkle in einem Monat! Das sollte ich mir im Kalender anstreichen!" Es war wundervoll, wie sie immer mehr an Selbstbewußtsein gewann. Wenn es so weiterging würden sie schon bald die schönsten Komplimentduelle führen. Drei Monate kannten sie sich erst? Ihm kam es viel länger vor! Wie lustig, daß sie die Dauer so genau nachhielt. Menschen war Zeit einfach viel wichtiger als ihm, und wieder an solche Details der Menschlichkeit herangeführt zu werden war genau das, was er sich von Freundschaften erhofft hatte.
Das Buch war sehr spannend, aber genauso spannend war es zu lauschen, wie weit sie war. Er war auf Seite 17, als endlich auch das Geräusch des Föhns verstummte. Eine Tür. Tippelschritte. Besser nicht in den Flur schauen, sie würde es nicht lustig finden, wenn er sie nur mit einem Handtuch bekleidet erwischen würde. Eine weitere Tür. Jetzt wurde es wirklich spannend.
Auf Seite 21 ging die Schlafzimmertür wieder auf. "Ich weiß nicht, Caleb... Anscheinend hab ich mein Schminktäschchen im Büro liegen lassen. Sieht das nicht blöd aus, wenn ich aufgetakelt, aber ungeschminkt rausgehe?" ertönte es zögerlich.
Der junge Mann hielt sich nicht lange mit der Frage auf, wieso diese Frau nur einen Satz Make-up zu besitzen schien. Schließlich ging es um Jade Sparkle, die er selten mit mehr als vielleicht einem dezent gefärbten Lippenbalsam sah. Energisch klappte er das Buch zu. "Ganz gewiß nicht, doch ich übernehme gerne als Fachmann die genaue Beurteilung!"
"Na schön. Moment, nur noch kurz die Schuhe..."
Als Caleb in den Flur abbog stand sie ausgehfertig vor der Schlafzimmertür. Jade sah ihn an und zog verschämt die Schultern hoch. Sie trug ein schulterfreies grünes Satinkleid mit einem gekräuselten Stufenrock und einem schwarzen, schmalen Stoffgürtel mit Schleife um die Taille, dazu elegante, hochhackige Sandalen in roter Lackoptik und weiterhin Kontaktlinsen. Das Outfit war ein bißchen mädchenhafter, als er erwartet hatte, doch ihm blieb dennoch die Spucke weg angesichts ihrer Verwandlung. "Jade Sparkle! Du siehst mich entzückt! Vergiß das Make-up, du bist auch ohne eine Augenweide! Bitte dreh dich einmal, ja!"
Sie kicherte verlegen, tat ihm aber den Gefallen. "Ist das hinten auch nicht zu weit ausgeschnitten für einen Besuch im Museum?" fragte sie besorgt. Besagter Rückenausschnitt reichte bis knapp oberhalb ihrer Mitte hinab und machte deutlich, daß sie keinen BH trug.
Die ehrliche Antwort wäre 'Vermutlich schon' gewesen, aber auf keinen Fall sollte sie heute wieder in ihren Schlabberpulli steigen, und das Kleid war weit davon entfernt unangemessen zu sein. Gegen den Pullover hatte der Vampir nicht einmal etwas, doch die Mütze wollte er heute nicht mehr sehen müssen. Ihr Lachen war ohne die Kopfbedeckung herrlich frei, und das Kleid wirkte bereits, denn ihre Augen blitzten und ihre Wangen leuchteten. Etwas fehlte allerdings.
"Nein, nein, das ist perfekt so! Eine so makellose Haut muß man auch zeigen dürfen. Eine Kette würde gut dazu aussehen", plauderte Caleb und fragte: "Hast du gar keinen Schmuck?"
"Nein, leider nicht. Das wenige, das ich hatte, dürfte noch in der Schmuckschatulle meiner Mutter liegen." Sie seufzte, und er überspielte die unangenehme Wendung gekonnt.
"Was soll's! Junge Frauen wie du strahlen auch ohne Steine, es wäre nur ein winziges Detail gewesen. Mir gefällt auch deine Frisur ausnehmend gut. Das solltest du öfters so tragen! Gehen wir?" Er hielt ihr galant den Arm hin, und diesmal hakte sie sich errötend ein.
"Du scheinst wesentlich besser auf diese Gelegenheit vorbereitet zu sein als ich."
"Wie kommst du zu der Ansicht, Jade?"
"Sieh es bitte nicht als Beleidigung an, aber..." Sie deutete zaghaft auf seinen Ohrhänger. "Du trägst Schmuck, und das ist Eyeliner, oder?!" Anfangs hatte sie sich nicht viel dabei gedacht, aber Calebs Augen waren jedesmal dick schwarz umrandet, wenn sie ihn sah, also schien er seinen Gothic Look sehr ernst zu nehmen. Seine Antwort war ein gutmütiges Lachen.
"Ah! Ja, so betrachtet bin ich allzeit für jede Schandtat gerüstet!"
"Gehst du eigentlich auch so ins Büro?" fragte sie neugierig, woraufhin er ein abwägendes Geräusch machte. "Sagen wir einfach 'nicht ganz' so. Wieso fragst du?"
"Reine Neugierde. Ich dachte daran, daß meine Arbeitskleidung vorgeschrieben ist, und schminken muß ich mich auch dafür. Aber ich habe keine Ahnung, wie ein CEO bei uns aussieht. So hohe Tiere wie dich bekomme ich auf der Arbeit nicht zu Gesicht." Sie lachte, und er gab zurück: "Tja, ich fürchte, um das Geheimnis zu lüften mußt du dir noch mehr Beförderungen verdienen!"
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