Nachdem Caleb gegangen war hatte es lange gedauert, bis Jade sich wieder halbwegs beruhigt hatte. Doch auch als die Tränen der Enttäuschung und Wut versiegten blieb das elende Gefühl in der Magengegend, und es war weder in der Nacht abgeflaut noch im Laufe des neuen Tages endlich verschwunden. Es war Samstag, der Tag, an dem ihr Freund sie traditionell besuchte, doch er tauchte heute nicht auf. Jade hatte den ganzen Tag zu Hause verbracht und gewartet. Aber er kam nicht. Nun war der Tag fast vorbei und sie fühlte sich weiterhin verloren und traurig. Sie wusch sich das Gesicht und ging ein wenig am Flußufer spazieren, um den Kopf klar zu bekommen. Leider erwies sich das als keine gute Idee, denn es erinnerte sie nur daran, wie sie mit Caleb hier entlang gelaufen war. 'Ob er jemals wieder mit mir redet?' fragte sie sich wieder und wieder, denn sie hatte noch nie mit jemand anderem als ihren Eltern gestritten. Darüber hinaus hatte sie gedacht, daß die Arbeit sie bereits ein wenig abgehärtet hätte, was das Treffen von fremden Menschen anging. Offenbar arbeitete sie noch nicht lange genug. Sie ärgerte sich maßlos darüber, daß sie ihrem Freund den Gefallen nicht getan hatte. Ob er sich darauf einlassen würde mit ihr etwas weniger beängstigendes zu unternehmen? Ein Besuch im Museum vielleicht oder ein Abstecher zur Bibliothek. Da war bestimmt weniger Publikumsverkehr. Ja, das könnte sie schaffen. Ein Testlauf für größere Menschenansammlungen sozusagen.
Die Idee gab ihr neuen Mut. Die Unruhe, ihn zu sehr verärgert zu haben, ließ sie dennoch weiterhin nicht los. Jade beschloß, Caleb am nächsten Morgen eine SMS zu schicken. So hatten sie beide Zeit ihre Gemüter zu beruhigen, und er konnte selbst entscheiden, wann er antwortete.
Inzwischen war es tiefe Nacht und Jade lenkte ihre Schritte gen Heimat. Vor ihrem Haus angekommen erschrak sie, als sie eine dunkle Gestalt auf der Veranda wahrnahm. Das war nicht Caleb, soviel war sicher. Ein Einbrecher? War es nicht viel zu auffällig auf dieser belebten Straße durch die Eingangstür einzubrechen? Beim Näherkommen erkannte sie, daß es eine Frau war, die offenbar auf jemanden wartete.
"Ähm... hallo? Willst du zu mir?" fragte sie und stapfte extra laut ihre Stufen hoch.
Die Frau wandte sich ihr zu. Sie war jung und schön, mit langem schwarzem Haar und einem extrem durchtrainierten Körper. Ihre Kleidung schien aus einem Fetisch-Katalog zu stammen, mit hohen Stiletto Stiefeln und Lederhosen, beides mit strategisch angebrachten Löchern und Schnürungen verziert. Sie trug ein gelbes, ärmelloses Shirt, und ihren Hals zierte eine ausladende Kette mit vielen großen Steinen und einem Medaillon. Auch an ihren Handgelenken zeigte sich Schmuck. Ihr Gesicht war stark geschminkt, und sie musterte Jade ebenso kühl wie neugierig.
"Wenn du hier wohnst, dann schon", sagte sie mit einer dunklen, leicht rauchigen Stimme und verstummte gleich wieder.
Jade wußte die Besucherin nicht einzuordnen. Von ihrem Körperbau her könnte diese Frau unterwegs sein, um Mitglieder fürs örtliche Fitneßstudio zu werben, und genausogut könnte sie Messerwerferin oder Löwenbändigerin im Zirkus sein. Inzwischen wußte Jade es allerdings besser als anzunehmen, daß Leute vor ihrer Tür für etwas Werbung machen wollten. Also, was wollte die hier? Jade beschloß sich zusammenzureißen und extra freundlich zu sein. Für heute hatte sie für genug schlechte Stimmung gesorgt, und immerhin hatte sie all ihre Bekanntschaften bislang auf diese Weise gemacht.
"Ja, ich bin Jade Sparkle und das ist mein Haus. Kann ich etwas für dich tun?"
"Ich bin Lilith."
"Sehr angenehm, freut mich dich kennenzulernen", sagte die junge Frau mit einem gezwungen freundlichen Lächeln, obwohl die Fremde sie gruselte. Ihr Starren war so intensiv.
"Das wird sich erst noch zeigen müssen", entgegnete die Besucherin plötzlich, was Jade ein unwillkürliches "Was?" entlockte. Ein kleines, fieses Grinsen stahl sich in die Mundwinkel der Fremden. "Ob dieses Kennenlernen angenehm ist."
"Wie meinst du das?" fragte die junge Frau, die inzwischen tatsächlich so etwas wie Angst in sich aufsteigen fühlte, diese aber mit Entschlossenheit zu überspielen versuchte. "Du tauchst hier einfach so auf und störst fast zur Schlafenszeit an meiner Tür! Wenn dir das unangenehm ist, dann komm gefälligst morgen wieder, wie normale Leute!"
"Ist es mein Problem, daß du dich fast zur Schlafenszeit, wie du sagst, in der Gegend herumtreibst anstatt Gäste zu empfangen, und hier schließlich völlig ungehobelt herumpolternd aufschlägst, kein bißchen wie normale Leute?"
"Was willst du hier, wenn du nichts netteres zu sagen hast?"
"Ich wollte mich vorstellen. Inzwischen bereue ich das."
"Oh, da geht es mir sehr ähnlich!" schimpfte Jade und ballte panisch die Hände zu Fäusten.
"Reg dich nicht auf. Du hast gefragt, ich habe geantwortet. Also, Sparkle, erzähl was."
"Wüßte nicht, was ich einer Fremden wie dir zu erzählen hätte."
Lilith betrachtete sie schweigend von oben bis unten und seufzte schließlich. "Bislang finde ich diese Zusammenkunft sehr langweilig. Man sagte mir, du seist lustig, aber damit kann wohl nur dein Aussehen gemeint sein. Die Mütze ist tatsächlich sehr zum Lachen."
"Wie bitte?!"
"Oh, habe ich dich beleidigt? Das tut mir leid." Das gehässige Grinsen in ihrem Gesicht blieb, nur ihre Augenbrauen wanderten ihre Stirn hinauf, was die Fremde noch hochnäsiger wirken ließ.
Jade blieb glatt die Spucke weg bei so viel Unverfrorenheit. "Was soll das hier bitte? Ist das ein dummer Scherz?"
"Fast alle deine Sätze beginnen mit einem Fragewort, ist dir das bewußt? Ich wiederhole: ziemlich langweilig." Lilith stemmte die Hände in die schmalen Hüften. "Sowas unscheinbares will mit Caleb in die Stadt? Wie kann er sich davon Spaß versprechen?"
Nun ging Jade ein Licht auf. "Du kennst Caleb! Dann... du bist seine Freundin?" meinte sie entgeistert. Das war die einzige Erklärung für die Feindseligkeit, die ihre späte Besucherin an den Tag legte.
Diese brach in lautes Gelächter aus. "Seine Freundin! Was für ein Witz!" Sie lachte schallend und wischte sich dann, immer noch kichernd, Tränen aus den Augen, wobei ein silberner Ring an ihrem Finger glänzte. "Du kannst ja doch lustig sein, Sparkle."
"Ääh..." Wenn sie nicht die Freundin war mußte sie die Ex sein. Das war noch viel schlimmer. Vielleicht war sie sogar seine Stalkerin, die sich jetzt mit ihr anlegen wollte? Das war ihr zu heikel. "Ich gehe nicht mit ihm in die Stadt!" versicherte sie schnell.
Die andere starrte sie an. "Du gehst... nicht... mit?"
"Nein!"
"Wow. Wie kann man nur so feige sein!" fauchte die andere. Plötzlich stand unterdrückter Zorn in den Augen der Besucherin.
"Ich bin nicht feige!" rief Jade. 'Doch. Bist du wohl', widersprach ihr Hirn.
"Er will sich freiwillig in Gesellschaft eines langweiligen Pferdes wie dir in der Öffentlichkeit zeigen und du bist zu feige?! Er hat bessere Freunde verdient als dich!" Liliths Gesicht nahm einen ungläubigen Ausdruck an. Sie spuckte die Worte förmlich heraus.
"Pferd?!" Der jungen Frau drehte sich alles. Sie war gestreßt, verängstigt und wurde am laufenden Band beleidigt, und nun wurde sie auch noch als Pferd bezeichnet?
Die andere blickte bezeichnend auf ihre Stiefel hinab. "Solche Schuhe lassen deine Beine noch dicker erscheinen als sie sind, vor allem wenn man damit Treppen hochstampft wie ein Trampeltier."
"Jetzt reicht's mir aber! Mir ist schnurzegal, wer du bist und was du willst, du verläßt auf der Stelle mein Grundstück!"
Lilith starrte sie an. "Willst du mir drohen, Mädchen?"
"Ich hab den Notruf auf der Kurzwahl, ich warne dich!" rief Jade und zückte ihr Handy.
"Na schön. Bis dann, Feigling." Die unverschämte Besucherin warf ihr einen letzten düsteren Blick zu und verschwand.
Vor Wut kochend betrat Jade ihr Haus und schlug die Tür hinter sich zu, daß das Glas nur so klirrte. Sie schnaubte und stürmte ins Wohnzimmer. Dann stürmte sie zurück, schloß energisch ab und bog in ihr Schlafzimmer ab, wo sie in ihr Kopfkissen schrie.
Was war denn das gewesen?! So eine unverschämte Person war ihr ja noch nie begegnet! Sie konnte sich nicht vorstellen, daß Caleb mit so einem Biest Kontakt pflegte, geschweige denn, daß er mit so jemandem zusammen gewesen war. Sie konnte nicht seine aktuelle Freundin sein, dann hätte sie sich doch nicht darüber aufgeregt, daß Jade nicht mit ihm weggehen wollte.
Das ganze war ihr so unangenehm und peinlich, daß sie ihn nicht einmal darauf ansprechen wollte. Ohnehin hatten sie gerade andere Probleme miteinander als so eine Wahnsinnige.
"Ich bin nicht feige!" schimpfte die Schwarzhaarige die Wand an. "Was glaubt die eigentlich, wer sie ist, mich einfach so zu beurteilen! Die kennt mich ja nicht mal!" Sie schmiß das Kissen an die leere Wand, als müßte sie den Leibhaftigen im Völkerball abwerfen.
'Und wie feige du bist.' Da meldete sich schon wieder ihr Gehirn, und ihr Magen stimmte auch noch zu.
Das machte sie noch zorniger. "Euch werd' ich's allen zeigen, na wartet!" Sie holte ihr Handy hervor und begann eifrig zu tippen.
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