"Das hat er nicht gesagt!" rief Caleb ungläubig und hielt sich den Bauch vor lachen.
"Doch, hat er wirklich!" beteuerte Beryl und äffte die Stimme eines Galeriebesitzers nach. "Das ist kein Müll, das ist Kunst, und der Schimmel auf den Kuchenstücken macht sie nur wertvoller, Sie Kamel!"
Sie lachten gemeinsam, als Beryl plötzlich einen Alarm auf ihrem Handy bekam. "Ups, jetzt hätte ich fast die Kurzbesprechung für morgen verpaßt. Moment, muß mal eben meine Chefin anrufen!" Sie sprang auf und rannte in die Küche, um das Gespräch in Ruhe zu führen.
Gut gelaunt stand auch Caleb auf und trat an ihr Bücherregal heran, um sich die Titel anzusehen. Bücher konnten so viel über Menschen verraten. Er fand einen Stapel schwerer Bildbände über Kunst vor, ebenso Biographien einiger alter und neuer Meister. Offensichtlich hatte Beryl tatsächlich Interesse an Kunst, und sie nahm ihren Beruf sehr ernst. Darüber hinaus mochte sie auch das Kochen sehr, denn sie besaß eine erkleckliche Sammlung von vegetarischen Kochbüchern. Erstaunt fand er allerdings auch eine nicht geringe Anzahl an Kriminalromanen vor. "So, so, Mord und Totschlag mag sie also. Das paßt irgendwie zu ihr", kicherte der Vampir und blätterte in einigen Büchern, bis auch sein Handy anschlug und ihm die Ankunft einer SMS mitteilte.
"Nanu, ist Lilith doch zu Hause?" wunderte er sich und öffnete die Nachricht. Sein Erstaunen wuchs ins Unermeßliche, als er die SMS las.
'Würde gerne doch zum Flohmarkt mitkommen, wenn ich noch darf. Sag mir nur wo und wann! :) Jade'
"Was zum..." Seine erste Reaktion war, sich zu freuen. Die zweite war der Gedanke, daß ihm das nicht ganz geheuer vorkam. Was hatte diese radikale Meinungsänderung bewirkt? Dann gesellte sich noch ein dritter Gedanke dazu. "Wenn ich noch darf", wiederholte er halblaut. Glaubte sie, daß er wütend auf sie war? War er wütend auf sie? Er war sich weder beim einen noch beim anderen sicher. Ob er selbst wütend war, darüber mußte er erst nachdenken, ob sie es glaubte würde wohl erst ihre nächste Begegnung zeigen.
'12 Uhr in San Myshuno, Haltestelle Lautenplatz?'
Oh, hatte er das getippt? Dann war er wohl nicht nachtragend. Er schickte die Nachricht ab und wartete.
Es kam keine Antwort, dabei hatte er nicht mal zwei Minuten zum Antworten gebraucht. Hatte Jade sich etwa schon wieder umentschieden? Jetzt war er doch ein wenig genervt.
"Na, alles okay?" fragte Beryl, die gerade rechtzeitig zurück ins Zimmer kam, um ihn mit gerunzelter Stirn auf sein Handy starren zu sehen.
"Ich denke, ich muß jetzt los."
"Oh. Okay. War nett mit dir zu plaudern." Die Rothaarige war vermutlich froh, endlich ins Bett gehen zu können, um für ihren Termin ausgeschlafen zu sein.
"Das finde ich auch. Danke, daß du dir Zeit genommen hast."
"Dann bis zum nächsten Mal, Caleb!"
"Auf bald!"
Dank seiner Vampirkräfte brauchte Caleb keine zehn Minuten, um wieder bei Jades Haus anzukommen. Vor der Tür prüfte er vorsichtshalber erneut seine Nachrichten. Sie hatte immer noch nicht geantwortet. Na, der würde er jetzt aber mal etwas erzählen, wenn sie nur mit ihm spielen wollte! Er hob die Hand, um zu klopfen - und hielt inne. Das Haus war dunkel.
Sie hatte doch nicht geschrieben und war dann direkt eingeschlafen? Jade hatte explizit nach einer Uhrzeit gefragt, da wartete man doch auf Antwort, ob weitere Fragen auftauchten. Und wer schlief in zwei Minuten ein? Verwundert ging Caleb ums Haus herum. Im Bad brannte Licht und das Fenster war beschlagen. Anscheinend duschte sie.
"Oh", machte er und wartete ein wenig länger. Es dauerte nicht lange, bis das Fenster auf Kipp gestellt wurde und das Licht ausging. Kurz darauf flammte die Deckenlampe in ihrem Schlafzimmer auf. Da dieses eine breite Fensterfront hatte war der Lichtkegel nicht zu übersehen.
"Na schön!" Der Vampir machte sich erneut auf den Weg zu ihrer Tür, als sein Handy piepste. Er sah auf den Bildschirm.
'Okay! Ich freu mich! :) :) :) Jade'
Caleb fing an zu lachen, hauptsächlich über sich selbst. Gut, daß er nicht geklopft hatte! Wäre das peinlich geworden!
Zufrieden steckte er das Handy weg. Es sah so aus, daß er morgen eine Verabredung zur Stadterkundung hatte! Gut gelaunt machte er sich auf den Weg nach Hause.
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