Sims4 Soap Opera
"Meine Güte, was ist das?!" Als Jade aufwachte war ihr erster Gedanke, daß ein Ameisenstamm in ihr Haus eingebrochen war und nun über sie hinwegkrabbelte, oder eine Armee anderer Insekten. Es juckte überall, selbst die Bettdecke kratzte schmerzhaft über ihre Haut. "Was zum Donner..." Sie blieb benommen auf der Bettkante sitzen und versuchte sich einzureden, daß es nur ein Traum gewesen sei, doch dann fiel ihr Blick auf ihre Arme. "Oh nein!" Sie hatte Ausschlag. Die roten Flecken waren überall verteilt, und sie juckten wie verrückt. Panisch zog sie ihre Hosenbeine hoch, sah in ihren Ausschnitt hinunter. Die Ekzeme waren wirklich überall, bestimmt sah auch ihr Gesicht schrecklich aus. Das war nun nichts mehr, was sich mit Schlaf oder Orangensaft kurieren ließ.
Sie holte ihr Handy hervor und suchte nach Ärzten in der Gegend, aber offenbar gab es nur Online-Sprechstunden und das Krankenhaus für ganz schlimme Fälle. Sie versuchte es zunächst mit einem Arzt im Chat. Nach der Beschreibung der Symptome empfahl dieser ihr eine teure Medizin, die sie bestellen mußte, die aber per Blitzlieferung zu ihr geliefert werden würde. Das war ihr die 50$ wert.
Weniger als eine halbe Stunde später klopfte es an ihre Haustür. Jade spähte vorsichtig um die Ecke, ob es auch nicht Caleb oder Beryl waren. Die sollten sie nicht so sehen. Glücklicherweise war es bereits eine Eilbotin mit einem kleinen Päckchen für sie. Außerdem hielt die Frau ihr lächelnd eine Tüte mit Orangensaft hin, die am Türgriff gehangen hatte.
"Na dann, Melvin. Hoffen wir, daß das Zeug etwas taugt!" sagte die Kranke kurz darauf zu ihrem Fisch, als sie wieder auf der Bettkante saß und den Aufkleber der Flasche studierte. Sie sollte die ganze Flasche auf einmal trinken. "Na gut. Dann mal runter damit!"
Die Medizin war dickflüssig, bitter und kaum zu ertragen, also mußte sie gut sein. Als die kleine Flasche endlich leer war schüttelte sich Jade angewidert. Dann streckte sie sich vorsichtig. Kaum zu glauben, es ging ihr bereits besser!
Sie krabbelte unter die Bettdecke und schlief sehr schnell ein.
Nachmittags ging das Telefon. Jade fingerte erschlagen nach ihrem Handy. "Ja, hallo?"
"Hallo, Jade! Wie geht es dir heute?" ertönte Calebs besorgte Stimme. "Du bist heute Morgen nicht ans Handy gegangen."
"Oh, Mist, das muß ich verschlafen haben! Es tut mir leid!"
"Dir muß nicht leid tun, daß du krank bist! Ist denn alles in Ordnung?"
"Warte mal..." Jade setzte sich auf. Ihr Kopf fühlte sich so leicht an. Mißtrauisch schwang sie die Beine aus dem Bett und stand auf. Auch das ging problemlos.
"Jade? Hallo?" - "Einen Moment, Caleb, ich muß mal kurz etwas überprüfen." Sie ging ins Bad und schaute in den Spiegel. Ihr Gesicht sah normal aus, und selbst im Licht der hellen Lampe sah sie keine Flecken mehr an ihren Armen. "Oh, du meine Güte! Ich glaube, die Wundermedizin aus dem Internet hat mich geheilt!" jauchzte sie.
"Du hast Medizin gekauft?"
"Nachdem ich heute Morgen aussah wie eine Salamipizza war das dringend nötig! Ich habe noch nie eine Erkältung gehabt, die Ausschlag verursacht hat! Aber jetzt ist alles wieder in Ordnung, und mein Kopfweh ist auch weg!"
Ihr Freund atmete hörbar auf, und Jade tat es ihm gleich. "Dann kann ich morgen ja wieder zur Arbeit gehen!"
"Nein, ruh dich noch einen Tag aus, um sicher zu gehen! Vielleicht bist du noch ansteckend für deine Kollegen, und es ist gut genug, wenn du am Montag wieder losgehst. Die Arbeitswoche ist schließlich ohnehin fast vorbei, es ist bereits Donnerstag."
"Du meine Güte... Solltest du als Boss nicht wollen, daß die Drohnen schnell wieder bei der Arbeit sind?" neckte sie ihn, fuhr aber fort, ehe er etwas sagen konnte: "Du hast ja recht. Mir tun alle Knochen weh vom ganzen Liegen. Mich noch etwas auszuruhen klingt gut."
"Darf ich denn heute Abend vorbeikommen?"
"Bist du mir böse, wenn mir morgen lieber wäre? Dann kann ich heute die liegengebliebene Hausarbeit in Ruhe erledigen und bin morgen entspannter."
"Ich könnte dir helfen!"
"Caleb, wenn du auch nur in die Nähe meiner Schmutzwäsche kommst passiert etwas sehr unschönes!" warnte sie ihn fröhlich. "Es ist wirklich lieb von dir, dich so zu sorgen, aber du mußt mich nicht bemuttern."
"Na schön, aber überanstrenge dich nicht, ein Rückfall muß nun wirklich nicht sein."
"Ich versprech's."
"Ich nehme dich beim Wort! Wenn du morgen übernächtigt vom Putzen bist passiert auf meiner Seite etwas sehr unschönes!" konterte er, und beide lachten. "Schön, dann bis morgen, Jade. Geh es bitte langsam an."
Jade bereitete sich einen Obstsalat zu und war begeistert, wie gut der endlich wieder schmeckte. Sie fühlte sich wie ein neuer Mensch. "Nächstes Mal kaufe ich gleich die Medizin! Das war ja ein regelrechter Zaubertrank!" schwor sie sich glücklich und ging duschen. Endlich funktionierte ihr Hirn wieder!
Sie war ein wenig verwirrt, weil Caleb so anhänglich war. Es war doch nur eine Erkältung gewesen, und sie hatten sich oft eine oder zwei Wochen lang nicht gesehen. Wieso machte er jetzt so ein Theater? Auf gewisse Weise fühlte sich das ja gut an, aber es war auch ein wenig besorgniserregend. Hatte er denn noch nie eine Erkältung gehabt? Eigentlich müßte er doch wirklich wissen, daß man sich da am liebsten im Bett verkroch. 'Er muß ja eine eiserne Konstitution haben, wenn ihm das so fremd vorkommt...' Jade schüttelte grinsend den Kopf und genoß das warme Wasser, das auf ihren Körper prasselte. Sie hatte sich seit Tagen nicht so sauber gefühlt.
Apropos Wasser, hoffentlich war ihre Tomatenpflanze in der Zwischenzeit noch nicht eingegangen...
Nachdem sie sich angezogen hatte goß sie die in der Tat nach Wasser schreiende Pflanze, kümmerte sich um ein wenig Hausarbeit und ging dann vorsichtig ein wenig spazieren, um zu sehen, wie sehr die Bewegung sie noch anstrengte. Sie wanderte zum Feenbaum, um ihm guten Tag zu sagen und ihm ein Lob für seine kräftigen Wurzeln auszusprechen, ging ein paar Schritte am Kanal entlang und machte sich auf den Rückweg, als ihr das Klima so nah am Wasser heute doch zu feucht vorkam. Sie traf auf Summer Holiday und Liberty Lee, die ausgerechnet vor ihrer Haustür auf dem Bürgersteig standen und schwatzten. Die junge Frau überlegte, ob sie ihnen irgendwie ausweichen könnte, aber sie konnte ja schlecht durch ein Fenster in ihr eigenes Haus einsteigen, und sie fühlte sich noch nicht gesund genug, um direkt umzudrehen und noch eine Stunde länger fortzubleiben.
Die Überlegungen verflüchtigten sich, als Summer sie bemerkte. "Jade! Hallo! Dich hat man ja seit Tagen nicht gesehen, ist alles in Ordnung?"
Jade seufzte, ging dann aber lächelnd auf die beiden Nachbarinnen zu und gesellte sich zu ihnen, um anstandshalber ein paar Worte mit ihnen zu wechseln und herauszufinden, ob der Saft von der Blondine stammte. "Hallo, Summer! Tag, Liberty. Ich war ein paar Tage krank, aber jetzt geht es wieder."
"Oh nein! Hättest du doch etwas gesagt, wir hätten dir jederzeit Lebensmittel vom Einkaufen mitgebracht, oder was immer du sonst gebraucht hast."
"Danke für das Angebot, aber ich war gut versorgt und hatte schon genug willige Krankenschwestern abzuwehren."
"Den jungen Mann, den du mir mal vorgestellt hast und der so oft bei dir ein- und ausgeht?" fragte Summer verschmitzt. "Ich hab ihn fast jeden Abend an der Kreuzung stehen sehen, wenn ich mich zur Arbeit aufgemacht habe."
"Caleb war hier, obwohl ich ihm gesagt habe, daß ich nur schlafen will? Herrje, dann stammte der Saft jeden Morgen auch von ihm. Er ist zwar mein bester Freund, aber er übertreibt es wirklich mit seiner Sorge!" Jade war völlig baff.
Liberty schaltete sich ein. "Es ist doch schön, wenn man Freunde hat, die sich um einen sorgen. Es gibt viel mehr, die nur an sich selber denken."
"Was meinst du damit?" hakte Jade nach und fragte sich, ob sie gerade dafür abgestraft wurde, daß sie Libertys Anfragen zum Abhängen ausgeschlagen hatte, doch die Angesprochene rümpfte nur die Nase und meinte: "Also, ich hatte ja bis vor kurzem noch eine sogenannte Freundin, für die ich alles getan habe. Zum Dank wurde mir eine Tür gegen den Kopf geschlagen und ich aus dem Haus geworfen. Sei froh, daß du nicht auf solche Freunde angewiesen bist! Wir sollten uns wirklich mal treffen, dann erzähle ich dir gerne mehr!"
"Wow." Bei Jade Sparkle setzte es aus. "Sprichst du von Beryl Landon?"
"Whoa, du kennst die blöde Kuh?!" fuhr Liberty mit weit aufgerissenen Augen auf.
Jade ballte die Fäuste und machte sich nicht die Mühe den Zorn, den sie fühlte, von ihrem Gesicht zu verdrängen. "Allerdings! Sie ist eine liebe Freundin, und diejenige, die sich danebenbenommen hat, warst ja wohl eindeutig du!"
"Also, das ist doch...!"
"Die Tür hast du dir selbst gegen den Kopf gehauen, als du unerlaubt in ein abgeschlossenes Zimmer rennen wolltest. Das ist ganz alleine deine Schuld, aber verdrehe nur schön weiter die Wahrheit, vielleicht glaubst du sie irgendwann ja selbst!"
Liberty starrte sie nur stumm an, und Summers Augen waren weit aufgerissen vor Schreck. Auf ihrem Gesicht stand eine Mischung aus einer Warnung und einer Bitte, und ihre Wangen liefen rot an. Jade war sauer, riß sich aber der Blondine zuliebe zusammen. "Es tut mir leid, Summer. Ich weiß, du kannst nichts dafür und hast es nicht verdient mitten in die Sache hineingerissen zu werden, aber so einen Bockmist höre ich mir einfach nicht an. Entschuldige mich bitte. Und du, Liberty, lösch endlich meine Nummer, ich hab dich eh schon längst geblockt!"
"Toll!" rief Liberty ihr hinterher, "Dann glaub doch die Lügen von Beryl!"
Jade war schon an ihrer Tür, fuhr aber noch einmal herum. "Ob du's glaubst oder nicht, Liberty, daß ich dich nicht leiden kann hat nicht das geringste mit Beryl zu tun, sondern nur mit dir! Normale Leute verstehen den Wink, wenn sie dreimal jemanden einladen und derjenige dreimal ablehnt. Sie fragen nicht weitere 19 Mal in einer Woche an, ob man mit ihnen etwas unternehmen will! Werd mal erwachsen!" Sie ging rein und schlug die Tür krachend hinter sich zu.
Die Begegnung regte sie dermaßen auf, daß sie noch eine Stunde lang schlechte Laune hatte. Das rächte sich leider, als sie den Abwasch vom Abendessen machen wollte. Die junge Frau drehte den Wasserhahn am Spülbecken so energisch auf, daß er glatt abriß. "Oje!" rief sie und starrte auf das sprudelnde Wasser. "Jetzt geht es bei mir auch schon los! Was hatte Beryl erzählt, wie sie das repariert hat?"
Glücklicherweise hatte sie schon vor längerem altes Werkzeug auf dem Speicher gefunden, und durch Beryls Erzählung vorgewarnt war sie direkt so schlau sich eine Anleitung für die Reparatur im Internet zu suchen.
"Hoffentlich hält das länger als bei ihr! Sollte ich doch jemanden kommen lassen oder den Hahn ersetzen?" Jade war schon ganz außer Atem, aber aufgeben wollte sie noch nicht. Sie schraubte fleißig weiter und merkte irgendwann, daß der Wasserschwall nachließ. "Na also, es geht doch!" Stolz erfüllte sie, als der Hahn wieder funktionierte. Ein wirklich großer Tag heute! Sie hatte nicht nur zum ersten Mal jemanden in die Schranken gewiesen, sondern auch etwas repariert! Nein, sie brauchte keine Krankenschwestern! "Hah, das hab ich gut gemacht!"
Sims4 0058 Sport <- # -> Sims4 0060 Geplapper am Fluß
Am Mittwoch nach der Arbeit klingelte Calebs Telefon. Rasch ging er ran, aber zu seinem Leidwesen war es nur Beryl. "Hey, Romeo! Wie geht's Dornröschen, schläft sie noch?" - "Ich weiß gerade nicht, was mehr schmerzt, deine liberale Vermengung von fiktiven Charakteren oder daß du mir schon wieder unlautere Absichten unterstellst", meinte er etwas genervt.
Beryl lachte am anderen Ende der Leitung. "Was heißt 'unlautere Absichten', ihr seid doch beide Single? Du stehst auf ihrer Veranda und würdest gerne zu ihr rein, und mir fiel nicht ein, ob der Prinz im Märchen von Rapunzel einen Namen hatte." Sie lachte noch lauter und fuhr dann fort: "Ernsthaft, du hast doch bestimmt heute schon bei Jade angerufen, oder? Geht es ihr besser? Wenn es ihr noch dreckig geht genügt es, wenn einer von uns sie ständig weckt."
"Heute morgen ging es ihr noch ihr sehr schlecht, und als ich gerade angerufen habe wollte sie mich wieder nicht sehen."
"Das ist natürlich blöd, ich konnte immer noch nicht mit ihr über Knoblauchkränze sprechen. Meinst du, dieser Mistkerl könnte sie gleich noch mal beißen?"
"Kranke Menschen schmecken fürchterlich, von daher denke ich, sie ist sicher. Auf die unbequemste Art überhaupt."
"Ugh, ihr macht tatsächlich Unterschiede beim Blut aus? Erkennst du auch Blutgruppen?"
"Entschuldige, doch Vampircuisine möchte ich nun wirklich nicht diskutieren, während meine beste Freundin mit einer solchen Krankheit ringt!"
"Nun übertreib mal nicht, sie wird weder verhungern noch im Bett sterben. Wenn sie noch ans Telefon geht ist alles im Lot."
"Im Hintergrund lief der Fernseher, also ist sie gar nicht mehr bettlägrig. Wieso will sie dann keinen Besuch?"
"Potzblitz, man kann nicht tagelang liegen! Nur weil sie mal versucht ein wenig zu entspannen und dabei etwas zu essen heißt das noch lange nicht, daß sie dabei gesehen werden will, wie sie müde, krank, ungeduscht, verschwitzt und mit laufender Nase in der Ecke herumliegt. Bist du dir sicher, daß du vor deiner Verwandlung wirklich ein Mensch warst und kein Alien?" Beryl hatte den Eindruck mit einem trotzigen Kind zu sprechen. "Ihr Vampire werdet vermutlich nicht krank, daß dich eine solche Kleinigkeit derart von der Rolle fliegen läßt, huh?"
"Das ist richtig, aber das ganze geht auch schon seit elf Tagen so!"
"Ja, und eine schwere Erkältung kann nun einmal zwei Wochen dauern! Bleibt nur zu hoffen, daß keinem von uns jemals der Blinddarm entfernt werden muß oder so etwas, sonst rastest du noch vollkommen aus vor Sorge!"
"Beryl..."
"Paß auf, Vampirchen, wenn du zuviel Energie hast und dir die Decke auf den Kopf fällt könntest du mich zum Fitneßstudio begleiten. Ich hab heute einiges zu feiern, und mir ist nach Rennen zumute! Magst du Sport?"
"Ich liebe Sport!"
"Na also! Rennen wir uns beide den Frust von der Seele!"
"Wieso Frust? Ich denke, du hast etwas zu feiern?"
"Das eine schließt das andere nicht aus, oder? Und du schiebst eindeutig Frust!"
"Na schön, welches Studio?"
"Das in Oasis Springs, in 40 Minuten?"
"Bis gleich!"
Jade Sparkle saß erschöpft vor dem Fernseher und knabberte appetitlos an ihrem Abendessen herum. Auf dem Klassikkanal lief ein Film über eine Klavierspielerin, aber sie bekam nicht viel von der Geschichte mit. Eigentlich war es ihr heute ganz gut gegangen. Zwischendurch jedenfalls. Der Husten war weg, der Schnupfen ebenfalls und sie hatte bereits ein schlechtes Gewissen gehabt, weil sie nicht zur Arbeit gegangen war, bis sie der erste Anfall von Kopfschmerzen fast im Bad umgehauen hatte. Immer wenn sie gerade dachte, daß es besser geworden sei, kamen die Schmerzen zurück.
Sie war traurig, weil sie ihre Freunde nun nicht sehen konnte, gerade nachdem sie ein Trio gebildet hatten. Nicht mal mit Beryl hatte sie sich unterhalten können nach ihrer Überraschungsattacke auf Caleb am letzten Montag, aber es stand ihr nicht der Sinn nach einem langen Telefonat. Außerdem hatte sie schwer daran zu knabbern die Szene zu vergessen, wie ihre beiden Freunde miteinander geflüstert und sich umarmt hatten. Je länger sie darüber nachgrübelte, desto überzeugter war Jade davon, daß sie gar keine Chance bei Caleb hatte. Er war zu Beryl genauso nett gewesen wie zu ihr. Das tat weh, bei jedem Nachdenken mehr.
Jade war nun ganz froh, daß Caleb ihr nur Grüße von Beryl ausgerichtet hatte, denn das Gespräch mit ihm war schon anstrengend genug gewesen und zwei Telefonate hätten sie überfordert. Als sie ihren Teller in die Küche brachte und im Kühlschrank nach Orangensaft suchen wollte kam die nächste Attacke.
"Ach, das gibt's doch gar nicht! Wo hab ich mir das bloß eingefangen?!" Sie sah in den Kühlschrank und fand nichts. Der Saft war aus. "Na prima", seufzte sie, trank ein Glas Wasser mit einer Kopfschmerztablette dazu und ging dann, von einer Ahnung getrieben, zur Haustür. Tatsächlich hing an der Türklinke eine Tüte mit neuem Orangensaft, dazu Obst und Süßigkeiten. So ging es schon seit Tagen und sie fragte sich, ob das vielleicht auf die Kappe der alles bemerkenden Summer ging oder ob ihre Freunde sich mit dem heimlichen Krankenschwesterdienst abwechselten. Dankbar nahm sie die Sachen mit in die Küche, trank ein großes Glas und schlich wieder ins Bett zurück. Vielleicht war es morgen ja endlich wieder gut.
Beryl und Caleb trafen sich vor dem etwas unglücklich benannten "Verbrennen und Pumpen" in Oasis Springs, das zu jeder Tages- und Nachtzeit gut besucht war, da die Trainer dort sehr gut waren und die Geräte ebenfalls. Nur die gemischte Umkleide sorgte ab und an für Ärger mit dem städtischen Amt, aber offenbar hatte der Betreiber kein Geld oder kein Interesse daran etwas zu ändern, und die Trainer achteten sehr darauf, daß im Studio Sitte und Anstand herrschten.
Die Frau war einfach hergejoggt und trug daher bereits ihre Sportklamotten, und nachdem auch er sich umgezogen hatte gingen sie zu den Laufbändern. "Also, Beryl, was hast du zu feiern?" wollte der Vampir wissen.
Seine Begleiterin maß ihn zunächst mit einem interessierten Blick. Sie wußte nicht, was sie erwartet hatte, aber nachdem seine Alltagskleidung so fest im Zeitalter 'Vampirchic' verankert war, hatte sie definitiv nicht damit gerechnet ihn in Motiv-Shirt und bequemen Trainingshosen zu sehen. Er war auch ungeschminkt und hatte den Schmuck abgelegt. Plötzlich fiel er gar nicht mehr auf zwischen den anderen Sportbegeisterten. Beryl riß sich von dem ungewohnten Anblick los und berichtete: "Gleich mehrere Dinge, wie angekündigt! Zum einen wurde ich erneut befördert! Ich fliege geradezu die Karriereleiter hinauf, es geht Schlag auf Schlag! Jetzt bin ich Schmiererin von Wasserfarben, und als Anerkennung für meine gute Arbeit habe ich eine fantastische neue Staffelei und einen Bonus vom Chef bekommen!"
"Glückwunsch, Beryl! Ich wußte, daß die Kunstkarriere das richtige für dich ist!"
"Ach, naja! Der Chef hat schon unter der Hand angedeutet, daß ich sehr bald noch weiter raufgestuft werde, dann wäre ich Leinwand-Kreateurin. Aber das liegt nicht nur an meinem Talent!"
"Oh bitte. Jetzt sag mir nicht, daß du ihn verführt hast für die Beförderung?" Caleb sah sie ungläubig und ein wenig angewidert an, doch die Rothaarige verzog amüsiert das Gesicht und winkte ab. "Nein, nein! Ich war in Therapie und habe sie abgeschlossen!"
Damit hatte sie ihn überrascht. "Was für eine Therapie?"
"Ich habe gelernt sorglos ans Leben heranzugehen. Seitdem ich das kann bin ich nie wieder angespannt von der Arbeit nach Hause gekommen! Es ist herrlich! Ich genieße meine Abende und gehe mit neuem Schwung in den nächsten Arbeitstag!" schwärmte Beryl und deutete ein Hula-Tänzchen an.
"Whoa!" machte der Mann und stieg aufs Laufband, auf dem er bereits das gewünschte Programm fertig eingegeben hatte. "Das klingt nach etwas, das auch für Jade und mich interessant wäre. Gib mir bei Gelegenheit bitte die Nummer deines Therapeuten!"
"Werde ich gerne tun! Es klappt wirklich! Selbst als gestern mal wieder mein Herd streikte hat mich das nicht aufgeregt, ich bin rundum zufrieden!"
"Und was ist demzufolge dein Streß?" fragte Caleb, der in einen leichten Trab fiel.
"Na, immer noch kein Kerl in Sicht! Hier sehe ich auch nichts interessanteres als dich!" Beryl zuckte mit den Schultern, drehte sich um und machte ein enttäuschtes Geräusch. "Mist, jetzt ist das Laufband nebenan besetzt. Es sieht so aus, als könnten wir erst nachher weitersprechen. Bis später!"
Der Vampir lief sein ganzes Programm durch, während Beryl zwischendurch aufgab. Die Maschine zwischen ihnen war in der Zwischenzeit frei geworden, aber bei einem Wechsel hätte sie neu anfangen müssen. Trotz dem Kung-Fu Film auf dem großen Fernseher war es ihr zu langweilig, ohne ein Gespräch auf dem Laufband zu rennen. Dann doch lieber draußen an der frischen Luft.
Sie schlenderte also zurück zu Caleb, wobei ihr Blick zufällig auf die großen Wandspiegel fiel. Sie stutzte. Der Winkel war zwar etwas komisch, aber... Sie sah sich, jedoch nicht ihn. "He, Vampirchen..." meinte sie gerade laut genug, daß er sie hören konnte. Er atmete schwer und war völlig verschwitzt, aber das war ja Sinn und Zweck des ganzen. Die Erwähnung des ungeliebten Spitznamens war ihm nur ein Heben der Augenbrauen wert.
Beryl lehnte sich etwas zu ihm hinüber. "Du hast kein Spiegelbild."
"Korrekt, und das nervt ziemlich bei der Morgentoilette, soviel kann ich dir versichern." Er lachte, wodurch er ins Straucheln geriet und sich rasch wieder aufs Rennen konzentrierte.
"Gibt es keine Probleme, wenn andere das sehen?"
Calebs Maschine gab einen Piepton von sich, um das Ende des Programms anzuzeigen, und er stieg zufrieden ab. "Im Normalfall sind die Menschen so sehr mit sich selbst beschäftigt, daß es ihnen gar nicht auffällt. Diese partielle Blindheit für Dinge, die nicht sein können, ist sehr nützlich für mein Volk, und Verdrängung wie bei Jade ist kein Einzelfall."
"Jetzt bin ich doch ein wenig froh, daß es mir nicht gelungen ist Jade bei unserem Einkaufsbummel einen Spiegel aufzuschwatzen, um ihren Flur größer aussehen zu lassen."
"Da habe ich wohl, ohne es zu wissen, Glück gehabt." Der Vampir grinste breit, und Beryl schüttelte den Kopf. "Ich glaube weiterhin nicht, daß Jade das nicht auffällt. Solche Zähne kann man doch gar nicht übersehen! Jede Wette, wenn du es ihr irgendwann sagst schaut sie dich nur cool an und sagt 'Das wußte ich doch längst, was machst du hier für einen Aufstand?'!"
"Ich hätte nichts dagegen einzuwenden. Sprichst du noch mit ihr über das Thema?"
"Sobald es ihr wieder gut geht, klar."
"Vielen Dank, Beryl! Ich wäre hier soweit fertig, und du scheinst es auch zu sein. Gehen wir duschen?"
"Zusammen?" machte sie und faßte sich gespielt schockiert an eine unsichtbare Perlenkette. "Wenn das die Trainer sehen!"
Der Vampir schüttelte nur lachend den Kopf. "Du bist unmöglich, Beryl."
"Und du siehst ungewohnt flott aus in den Klamotten, das wollte ich dir schon die ganze Zeit sagen. Die solltest du öfters tragen. Ich jogge gleich einfach zurück und hüpfe daheim unter die Dusche. Aber geh du nur, ich besorge mir einen Saft an der Bar!"
Später auf der heimischen Couch überlegte Caleb, ob er die Sache mit dem Spiegel nicht als Test nutzen konnte. Wenn er mit Jade ebenfalls ins Fitneßstudio ging und sie nichts sagte... Sie hatte selbst das Wappen auf dem Ring seiner Schwester in der Dunkelheit erkannt. Er konnte sich nicht vorstellen, daß jemandem wie ihr sein fehlendes Spiegelbild entgehen würde.
Ob es ihr langsam besser ging? Er trommelte mit den Fingern auf die Sofalehne und widerstand der Versuchung sie anzurufen. Er hatte noch Beryl und Lilith, wieso war ihm also so langweilig ohne Jade? Wenigstens würde sie inzwischen sicher den Orangensaft gefunden haben. Es beruhigte ihn, daß sie die Flasche jeden Tag brav ins Haus holte.
Sims4 0057 Kopfweh beim Schach <- # -> Sims4 0059 Durchsetzungsvermögen
Am nächsten Morgen ging es Jade immer noch dreckig, doch sie schleppte sich zur Arbeit und fiel nach dem wohl anstrengendsten Arbeitstag aller Zeiten ohne Abendessen ins Bett.
Am Mittwoch jedoch war es noch viel schlimmer geworden. Neben dem Kopfweh mußte sie nun auch gelegentlich husten, was jedesmal eine Dampframme in ihrem Schädel losgehen ließ, und ihre Nase war verstopft. Jade biß die Zähne zusammen und machte sich für die Arbeit fertig. Da sie keinen rechten Appetit hatte war sie viel zu früh fertig, besonders da sie früher aufgestanden war, weil sie vom Husten wach geworden war und sich nicht traute wieder ins Bett zu gehen aus Angst, dann zu verschlafen.
An Fernsehen war nicht zu denken, und auch Lesen und Gitarre spielen schienen ihr keine gute Idee zu sein. Sie ließ die Arbeitsuniform noch hängen und setzte sich im Halbdunkel der Morgendämmerung auf die Terrasse vor das Schachspiel. Konzentrieren konnte sie sich allerdings nicht, aber vielleicht würde die frische Luft ein wenig helfen. "Oh Mann, hört das denn gar nicht wieder auf?!" schimpfte sie leise und rieb sich genervt die Schläfen, als sie hinter sich ein Klopfen vernahm.
"Jade?" kam es erstaunt. Sie wandte sich halb um und sah Caleb vor ihrer Tür stehen, der verlegen wirkte. "Ich war so in Gedanken, ich habe dich gar nicht da sitzen sehen, obschon ich doch zu dir wollte", erklärte er mit einem zaghaften Lachen, das schnell einer besorgten Miene wich, als er ihren müden Blick sah. "Geht es dir immer noch nicht besser?"
"Ehrlich gesagt, nein", meinte sie müde und atmete tief ein. "Irgendwer hat einen Hammer in meinem Kopf vergessen. Wenn ich den erwische kann er was erleben... Aber was machst du so früh hier?"
"Du sahst am Montag wirklich schlecht aus und hast dich seither auch nicht mehr gemeldet, so daß ich vor der Arbeit noch vorbeischauen wollte. Ich hätte mich nur allzu gerne geirrt, was den Grund für dein Schweigen angeht."
"Mir wär's auch lieber gewesen, wenn ich mich nur in einen neuen Fantasyschmöker mit 800 Seiten verbissen und dich darüber vernachlässigt hätte, so fies es auch klingt", seufzte sie. "Leider hatte mein Kopf andere Pläne."
"Jade, so kannst du nicht in die Firma gehen. Melde dich krank." Seine Stimme war sanft, aber bestimmt, als er zu ihr herüberkam und kurz ihre Stirn berührte. Sie war glühend heiß.
Die Frau verzog das Gesicht und wandte sich ab, um zu husten. "Das kann ich doch nicht machen. Was wird dann aus meiner Arbeit? Ich habe heute zwei Termine für Kundengespräche." - "Jade, wenn es dir so schlecht geht tust du keinem einen Gefallen, indem du dich ins Büro quälst, nicht den Kollegen und Kunden, die du anstecken kannst, und am allerwenigsten dir selbst. Du scheinst Fieber zu haben, du hustest. Das ist wenigstens eine schwere Erkältung, und wenn du das nicht auskurierst wird es etwas noch schlimmeres." - "Na schön, du hast recht und gibst sonst ja doch keine Ruhe." Jade zog ihr Handy heraus und wählte mit zitternden Finger die Nummer vom Büro. "Ich sag denen, daß ihr Vorgesetzter mich im Bett sehen will."
Er grinste schwach über ihren zugegeben guten Scherz und setzte sich ihr gegenüber. So hatte er sie noch nie gesehen. Caleb war erleichtert, daß es sich um eine simple menschliche Erkrankung zu handeln schien und nicht wie befürchtet um etwas, das sie Straud zu verdanken hatte, aber gleichzeitig tat sie ihm unendlich leid. Vampire erkälteten sich nicht und wurden in der Regel überhaupt nie krank, daher konnte er sich nur sehr verschwommen daran erinnern, wie man sich in dieser Situation fühlte. Das änderte jedoch nichts an seinem Mitgefühl. Menschen waren so empfindlich, so... zerbrechlich. Er wartete geduldig, während sie Meldung machte. Warum dauerte eine Krankmeldung so lange? Hörte er das richtig? Mußte Jade sich etwa wirklich rechtfertigen? Wenn man ihr Ärger machte, weil sie krank war, würde er im Büro nachher einigen Leuten die Hölle heiß machen; so ein Verhalten war nicht tragbar. Der Vampir hörte weiter zu, wie Jade ihre Symptome erklärte und mehrmals Fragen beantwortete, bis sie endlich auflegte.
"So", seufzte sie, "das wäre erledigt."
"Was haben sie gesagt?"
"Sie haben ein wenig gemeckert, weil nun jemand meine Termine wahrnehmen muß, aber es ist in Ordnung." Sie lehnte sich im Stuhl zurück und streckte den Rücken. "Was für ein Mist. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt so krank war. Ich kann mich nicht einmal erinnern, wann ich überhaupt zuletzt krank war", murmelte sie und atmete tief ein, wodurch sie prompt wieder husten mußte.
Caleb sah sie mitfühlend an. Das wahrscheinlichste Szenario für ihn war, daß sie sich im Laufe der letzten Woche ein wenig erkältet hatte. Vielleicht hatte sie sich am Seeufer verkühlt in ihrem schulterfreien Kleid, als sie vor dem verrückten Maurice davongelaufen waren. Dann hatte sie die Krankheit verschleppt, sich mit weiteren Aktivitäten ausgelaugt und als Straud sie gebissen hatte war ihr Körper endgültig zu geschwächt und forderte nun rebellisch sein Recht auf Ruhe ein. "Kann ich etwas für dich tun? Brauchst du etwas?"
"Nein, ich gehe erstmal wieder ins Bett. Du mußt jetzt auch langsam los, oder nicht?"
Als er sich nicht von der Stelle bewegte stand sie vorsichtig auf, nahm ihn am Arm und zog. "Na los! Wie sieht es denn aus, wenn ein wichtiger Teil vom Vorstand zu spät kommt?"
"Meine Arbeit für die große Neueröffnung ist erledigt. Wenn du also Hilfe brauchst..."
"Caleb, das ist wirklich lieb von dir, aber geh bitte. Ich bin heute einfach keine gute Gesellschaft, und solange du hier bist könnte ich mich nicht ausruhen, da hätte ich ein viel zu schlechtes Gewissen dich zu vernachlässigen."
Widerwillig erhob er sich und nahm sie in die Arme. "Na gut. Aber ruf an, wenn du etwas brauchst, ja!"
"He, Vorsicht! Nicht daß du dich auch ansteckst!" protestierte sie schwach.
"Ich stecke mich mit nichts an, keine Sorge." Sein Tonfall machte klar, daß er keine Widerrede duldete. Als er die Hitze spürte, die inzwischen von ihrem ganzen Körper auszugehen schien, und fühlte, wie wenig Kraft sie in den Armen hatte, machte er sich noch mehr Sorgen. "Ich sehe später noch mal nach dir. Gute Besserung, Jade!"
"Danke, und viel Erfolg heute bei der Arbeit, Caleb!"
Sie schlurfte zurück ins Haus, zog sich um und kroch unter die Bettdecke. Ihr war immer abwechselnd heiß und kalt, in ihrem Kopf summte es und sie war so unendlich müde. Wenigstens schaffte sie es rasch einzuschlafen.
Jade verschlief fast den ganzen Tag. Sie wurde einmal wach, ging aufs Klo, machte sich ein Sandwich und legte sich nach dem Essen gleich wieder hin, als ihr Kreislauf wegsackte.
Abends ging ihr Telefon. Schlaftrunken nahm sie ab, als sie es endlich unter dem anderen Kopfkissen fand.
"Ja?"
"Jade, hier ist Caleb. Soll ich dir etwas mitbringen, wenn ich vorbeikomme?"
"Es tut mir wirklich leid, Caleb, aber komm bitte nicht."
"Warum nicht? Was ist los?"
"Um ehrlich zu sein hast du mich geweckt. Laß mich einfach weiter schlafen, ja?" Schon bei dem Gedanken nun duschen und sich anziehen zu müssen, um ihn hereinzulassen, drehte sich ihr alles.
"Na schön." Er klang unschlüssig. "Dann rufe ich morgen wieder an."
"Ist gut, Caleb. Gute Nacht, und danke."
Sims4 0055 Dreiergespann <- # -> Sims4 0057 Kopfweh beim Schach
Auch am Donnerstag hatte Jade ihn nicht sehen wollen, und am Freitag war es das gleiche gewesen. Als sie am Samstag auch nur schlafen wollte rief der Vampir entrüstet Beryl an, um sie zu fragen, ob Menschen sich bei Erkältungen immer derart zurückzogen. Diese lachte ihn erst einmal aus, erklärte ihm, daß das durchaus normal sei und er gefälligst nicht wagen solle bei Jade zu klopfen. Wenn es ihn so sehr aufrege nicht helfen zu können solle er ihr halt Orangensaft besorgen, das sei ein altes Hausmittel. Dann ließ sie sich auf den neusten Stand bringen, trug ihm auf, der Kranken beim nächsten Gespräch auch von ihr gute Besserung zu wünschen und fragte ihn, wie es bei seinem Projekt gelaufen sei.
Selbst nach diesem langen Gespräch fühlte Caleb sich aufgewühlt, und so bekam er prompt noch Ärger mit Lilith, die der Meinung war, daß er sich beim Schach absichtlich nicht angestrengt habe.
Sie hatte sich bereits umgezogen für die Nachtschicht im Raumfahrtzentrum, bestand aber auf einem weiteren Spiel. "Und wehe, du gibst dir diesmal nicht mehr Mühe!" warnte sie nicht ganz ernsthaft, was durch den lächerlichen Anblick, den sie mit Gummihandschuhen und ihrer gelben Sicherheits-Kappe mitten im Wohnzimmer ihrer gemeinsamen Villa machte, noch verstärkt wurde. Caleb, der sich noch nicht die Mühe gemacht hatte sich nach der Arbeit umzuziehen, wirkte in seinem Anzug wesentlich passender. Er brummte nur etwas unverständliches und ballte frustriert die Fäuste.
"Was ist denn los, Brüderchen? Schon wieder Ärger mit deinem Menschen?"
"Sie heißt Jade, Schwester. Nicht Mensch. Jade." Für ihre herablassende Art konnte er heute wenig Geduld aufbringen. Lilith zuckte mit den Schultern. "Es hätte ja auch die andere Frau sein können, die, mit der du gerade telefoniert hast."
"Ich habe auch keinen Streit mit Beryl", meinte er schlicht und stellte die letzten seiner Figuren in ihre Ausgangspositionen zurück.
"Ich auch nicht", kam es ebenso schlicht von seiner Schwester.
Caleb sah auf. "Wie bitte?"
"Beryl ist ganz amüsant für einen Menschen."
"Wann warst du bei Beryl?!"
"Am Wochenende, als du die ganze Zeit gearbeitet hast", meinte sie lapidar und machte den ersten Zug.
"Gelegentlich bringt meine Stellung das mit sich, es ist nicht meine Schuld", erinnerte er sie, während er den Gegenzug setzte.
Sie machte eine weitere abwiegelnde Geste, die Augen aufs Spielbrett geheftet. "Das sage ich auch nicht. Ich erkläre nur den Grund für meine Langeweile. Also habe ich bei dieser Beryl vorbeigeschaut."
"Da Beryl nichts davon erwähnte kann ich hoffentlich davon ausgehen, daß du dich bei ihr besser benommen hast?" fragte er mit vorsichtiger Strenge, woraufhin Lilith ihn schief ansah. "Wir haben uns nett unterhalten, danke der Nachfrage. Und damit mir nicht so bald wieder langweilig wird habe ich mir heute eine Staffelei gekauft und werde mich mit der Malerei beschäftigen. Das habe ich seit 100 Jahren nicht getan!"
Bei den letzten Worten fing sie an zu lächeln, und ihr Bruder entspannte sich ein wenig. "Das klingt nach einem schönen Zeitvertreib. Hat Beryl dich darauf gebracht?"
"Nein, wie kommst du darauf?"
"Nun, sie ist Malerin, falls dir die Staffelei in ihrem eigenen Wohnzimmer entgangen sein sollte während eurer 'netten Unterhaltung'. Oder hat sie dich nicht hereingebeten?"
"Doch, hat sie. Das muß mir in der Tat entgangen sein. Interessant." Die Augen der Vampirin begannen zu leuchten, ehe sie sich zusammenriß und weiterspielte. "Also, was ist denn jetzt mit deiner anderen... Freundin?"
"Sie ist krank."
"Hat Straud sie etwa infiziert? Der ist dermaßen alt, er könnte selbst noch den Schwarzen Tod übertragen." Lilith grinste über ihren eigenen Witz, doch ihr Bruder fand ihn kein bißchen lustig.
"Nein, es dürfte eine Erkältung oder Grippe sein. Das hoffe ich zumindest."
"Warum dann die schlechte Laune? Haben Menschen nicht andauernd solche Wehwehchen?"
"Das mag sein, aber ich bin es eben nicht gewohnt, in Ordnung? Ich bin in Sorge um sie. Mir tut schon selbst der ganze Kopf weh davon." Er rieb sich frustriert die Schläfen.
Lilith sah ihn halb besorgt und halb belustigt an. "Teufel auch, Caleb. Du arbeitest in einer großen Firma; da müssen jeden Tag Menschen ausfallen wegen irgendwelcher Krankheiten. Solltest du da nicht ein wenig Erfahrung haben? Deine Jade wird nicht an einer Erkältung sterben, so einfach gehen Menschen nun auch nicht kaputt."
"Jetzt fängst du auch schon damit an, sie als 'meine' Jade zu bezeichnen. Sie ist schon seit einer Woche krank! Ich möchte ihr einfach gerne helfen und bin frustriert, daß meine Anwesenheit von ihr als negativ wahrgenommen würde statt als Hilfe."
"Du weißt aber auch nicht, was du willst. Jetzt benutze ich schon ihren Namen und es ist immer noch nicht richtig." Das Handy seiner Schwester gab einen Alarmton von sich. "Ich muß los. Wage es nicht die Figuren umzusetzen, Bruderherz! Bis später!"
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Als es um kurz vor halb Neun klopfte versteckte sich Beryl rasch hinter der Ecke mit dem Bücherregal, während Jade zur Tür ging, um Caleb zu begrüßen.
"Guten Abend, Caleb! Komm rein!"
"Guten Abend, Jade. Oh, ein neues Möbelstück?"
"Die kleine Kommode? Ja, die hab ich am Sonntag abend aufgebaut, aber ich bin mir noch nicht sicher, wo sie endgültig stehen soll."
"Nachdem du mich in San Myshuno getroffen hast, und obwohl du so krank warst? Du solltest dich doch ausruhen!" tadelte er sie mit einem Seufzen und fügte dann sanfter hinzu: "Du trägst noch deine Arbeitskleidung, hast du zu allem Überfluß auch noch Überstunden machen müssen?"
"Nein, ich bin nur nicht zum Umziehen gekommen", erklärte sie vergnügt und ignorierte das Pochen in ihrem Kopf. "Du siehst viel wacher aus als gestern, das freut mich."
"Danke, aber wenn ich das sagen darf: An deinem fahlen Teint hat sich seit gestern nichts verbessert, Teuerste."
"Ach, es geht schon. Ich hab immer noch etwas Kopfweh, aber es ist nicht schlimm", log sie tapfer und fühlte sich verlegen, weil er sie so aufmerksam musterte. Ihr Gast legte den Kopf schief. "Nun bin ich doch froh, daß wir nicht zum Festival gehen. Diesen Zustand möchte ich nicht verschlimmern! Also, was hast du für heute Abend geplant, Jade Sparkle? Ich bin zu jeder Schandtat bereit, ehe es morgen wieder ans Arbeiten geht."
"Wooow! Zu wirklich jeder Schandtat?!" Beryl, die sich eigentlich länger hatte verstecken wollen, trat fassungslos hinter der Ecke hervor und stemmte die Hände in die Hüften, als sie sah, daß der Vampir soeben Jade umarmen wollte. "Bei so einem Versprechen muß ich jetzt aber arg überlegen, was ich als nächstes tue!"
Caleb starrte erst die eine, dann die andere Frau an. "Beryl? Was machst du denn hier?" fragte er erstaunt und ließ die Arme sinken, während die Rothaarige zu ihnen trat. Für einen kurzen Moment schrillten in ihm Alarmsirenen.
"Wir zwei Hübschen haben uns im Lauf der letzten Wochen kennengelernt", verkündete die Angesprochene und legte kurz den Arm um die Schulter ihrer Freundin, und Jade fügte hinzu: "Also wollten wir dich überraschen."
Beryl wandte sich an ihre Freundin und meinte in falschem Flüsterton: "Jade, Schatz, ich habe einen Vorschlag. Wir könnten ihn uns teilen, wenn er schon so willig ist, wäre das nichts?"
Jade schlug kopfschüttelnd die Hände vor das Gesicht, und Caleb konnte nicht anders, als sich für sie zu freuen. Seine beste Freundin hatte alleine eine weitere Freundin gefunden? Das war wunderbar! Selbst wenn er von nun an doppelt so viele Anspielungen von Beryl anhören müßte, es würde lustig sein Jades Reaktionen darauf zu sehen, so wie jetzt.
"So!" rief er in gespielter Empörung, "Die jungen Damen haben sich also hinter meinem Rücken angefreundet, und keine hatte es nötig mir etwas zu sagen? Ich bin tief verletzt, nur um das einmal klarzustellen!"
Die zwei Frauen kicherten fröhlich. Diese beiden so völlig unterschiedlichen Charaktere friedlich vereint nebeneinander zu sehen machte ihn so froh, daß er am liebsten beide gleichzeitig umarmt hätte, aber das hätte Beryl ganz sicher in den falschen Hals bekommen. Er hatte das Glitzern in ihren grünen Augen durchaus bemerkt und wollte ihr keinen Vorwand liefern ihm um den Hals zu fallen.
Trotz aller Freude über Jades soziale Errungenschaft war er allerdings auch weiterhin angespannt, denn gerade nach den Vorkommnissen vom Sonntag machte er sich nun Gedanken, was Beryl auf die Berichte ihrer Freundin erwidert haben mochte.
Diese meinte nun feixend: "Was hätten wir denn mit dir auf unserem Einkaufsbummel anfangen sollen? Zum Make-up Regal im Drogeriemarkt hätten wir dich ja noch mitgenommen, aber nicht in den Unterwäscheladen!"
"Dann seid ihr selbst schuld, daß ihr eure Einkaufstüten selber tragen mußtet."
"Oje, wie haben wir schwachen Frauen das nur ohne einen selbstlosen Ritter geschafft?!"
"Laßt uns ins Wohnzimmer gehen, hier im Flur plaudert es sich doch ungemütlich", unterbrach Jade unvermittelt die Blödelei ihrer Freunde. Sie trauerte ein wenig der entgangenen Umarmung nach und ärgerte sich auch ein bißchen, daß Beryl sich zwischen sie und Caleb gedrängelt hatte. Ohne auf Antwort zu warten ging sie vor, und die beiden anderen folgten.
Caleb grinste zufrieden. "Na, da habt ihr zwei mir ja tüchtig Arbeit abgenommen!" meinte er gerade, als Jade einen weiteren Anfall von rasendem Kopfweh bekam und sich kurz entschuldigte, um im Bad nach einer Kopfschmerztablette zu suchen. Beryl sah ihr nach und fragte sie, ob sie helfen könne, doch Jade verneinte.
Der Vampir machte sich Sorgen um sie. Es war ungewöhnlich, daß jemand so lange Nachwirkungen von einem Vampirbiß hatte. Andererseits war er auch erleichtert. Nun, wo die beiden Frauen sich ohnehin kannten, konnte er Gebrauch von Beryls Charme und Überzeugungskünsten machen.
"Auf ein Wort, Beryl!" bat er leise, und die Rothaarige trat an ihn heran und zischte: "Was liegt dir auf dem Herzen, Vampirchen? Bitte sag mir nicht, daß Jade sich in eine von euch verwandelt!"
"Geht es ihr schon den ganzen Tag so schlecht?"
"Ich fürchte schon. Bei mir war das nicht so schlimm."
"Du weißt also auch, was ihr Alptraum tatsächlich war?"
"Natürlich! Es ist unangenehm, sie nicht aufklären zu dürfen, aber ich wußte nicht, was ich sagen darf ohne mein Versprechen zu brechen oder sie in Panik zu versetzen."
"Das ist sehr anständig von dir, Beryl. Danke."
"Warum hast du ihr noch nicht erklärt, was Sache ist? Von einem Freund würde ich das eigentlich erwarten, wenn ich ehrlich bin, und es sind deine Leute gewesen!"
Er senkte die Stimme. "Hör zu, ehe sie wiederkommt. Der Grund, warum ich sie gestern sehen wollte, war eben der, sie über alles aufzuklären. Aber wie hätte ich noch etwas sagen können, nachdem sie von ihrem Alptraum erzählte und ich ihren Hals gesehen habe? Sie war völlig aufgelöst auch ohne zu wissen, was ihr passiert ist, und ich wollte nur noch, daß sie sich schnell wieder hinlegt und ausruht."
"Okay, du hast recht. Das war echt mieses Timing vom Mumienfürst."
"Allerdings! Umso besser, daß ich dich hier treffe, ich wollte dich heute ohnehin anrufen. Wirst du mir über dein Stillschweigen bezüglich meines Zustands hinaus noch einen Gefallen tun, Beryl?"
Die Angesprochene sah ihm in die hellen Augen, in denen es unsicher flackerte. "Sicher. Was gibt's?"
"Du als ihre Freundin und als ehemaliges Opfer mit Erfahrung... Würdest du an meiner Stelle versuchen Jade von der Existenz von Vampiren zu überzeugen und sie überreden einen Knoblauchkranz aufzuhängen? Ohne zu erwähnen, was ich bin? Und klär sie bitte nur im Notfall über den Angriff auf sie auf. Zu erfahren, daß sie gebissen wurde, würde sie nur beunruhigen, und sie sieht bereits so krank aus."
"Willst du ihr denn jetzt nicht mehr sagen, was du bist?"
"Sie soll erst den Knoblauch aufhängen, ohne sich wegen mir Gedanken zu machen."
"Du weißt, daß dir hier immer schlecht sein wird, wenn ich Erfolg habe, ja?"
"Selbstredend. Genau deshalb darf sie nichts wissen, sonst lehnt sie den Knoblauch direkt ab. Ihre Sicherheit ist es mir wert."
"Okay, ich versuch's. So bald wie möglich."
"Mir fällt ein Stein vom Herzen! Danke, Beryl!" Er umarmte sie erleichtert, was sie freudig überrascht erwiderte.
Genau in dem Moment kam Jade aus dem Bad zurück. Sie blieb unangenehm berührt stehen, als sie die Geste zwischen ihren beiden Freunden sah. Durch die geöffnete Tür hatte sie beide miteinander tuscheln hören und sich darüber bereits gewundert, und nun das. 'Ich dachte, Beryl wollte mir helfen? Verschweigt sie mir doch etwas?' dachte sie verunsichert und blieb hinter ihrer Freundin stehen, die von Caleb abließ und kicherte.
Der Vampir richtete sein Augenmerk sofort auf Jade und nahm sie sanft am Arm. "Das scheint mir aber mehr zu sein als 'leichte' Kopfschmerzen. Tut es sehr weh, Teuerste?"
"Wie gesagt, es geht schon. Ich hab ja nun die Tablette genommen. Gleich wird es sicher besser werden."
"Wenn du dich lieber hinlegen möchtest sag es, dann gehen wir."
"Nein! Bitte bleibt doch noch! Du bist doch gerade erst gekommen, und wir sehen uns so selten!"
"Wenn du darauf bestehst." Er sah sie mitleidig an und führte sie zum Sofa, wo er neben ihr stehen blieb, um höflich Beryl den anderen Platz zu überlassen, die sich jedoch am Eßtisch niederließ, von wo aus sie einen besseren Blick auf die Szene hatte. Sie wollte immer noch herausfinden, ob Caleb sich Jade gegenüber radikal anders verhielt. Ihr gegenüber hatte er sich auf jeden Fall bereits anders verhalten, denn er hatte sie tatsächlich umarmt, was er noch nie zuvor getan hatte. Dumm nur, daß Jade gerade heute krank war. Selbstverständlich lenkten ihre Schmerzen die Aufmerksamkeit des Mannes auf sie.
Der Vampir betrachtete die Schwarzhaarige in der Tat fast lauernd. "Hast du heute etwas gegessen, Jade?"
"Natürlich, Beryl und ich haben sogar zusammen gekocht. Warum fragst du? Hast du doch mal Hunger? Ich könnte dir..."
"Nein, nein, Teuerste, bleib bitte sitzen. Und du hast nur Kopfweh? Du mußt dich nicht übergeben?"
"Nein!" Jade sah ihn seltsam an und begann ihren Blazer nach Flecken abzusuchen. "Wie kommst du denn darauf? Hab ich hier irgendwo gekleckert?"
"Schon gut. Ich mache mir nur Sorgen." Caleb warf Beryl einen Blick zu, der deutliche Erleichterung zeigte, und setzte sich doch mit auf die Couch. "Dann erzählt mir endlich von eurem Einkaufsbummel. Wie war das mit dem Wäscheladen?"
Sie plauderten zu dritt bis kurz nach zehn, ehe sich Beryl langsam verabschiedete, um genug Schlaf für die Arbeit zu bekommen. Caleb sah das als Zeichen ebenfalls zu gehen, auch wenn Jade gehofft hatte, daß er noch etwas länger bleiben würde. Sie sah ihren beiden Freunden zu, wie sie schwatzend und lachend die dunkle Straße entlangschlenderten, und war sich nicht sicher, was sie dabei fühlte. Der junge Mann war dermaßen unbefangen Beryl gegenüber, daß Jade nun doch der Meinung war, sich seine Zuneigung nur einzubilden, auch wenn er sie beim Abschied doch noch vorsichtig gedrückt hatte, als Beryl bereits die Stufen hinunterging. 'Er ist eben doch nur einfach so', dachte sie traurig und machte sich fertig fürs Bett. Ihr Kopf fühlte sich trotz der Tablette so an, als sei ein Zug darübergefahren, und sie mußte einfach dringend schlafen.
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